02.10.2024, 11:44
Vor dem Start der EuroLeague
Der Sommer in der EuroLeague stand vor allem im Zeichen großer Transfer der letztjährigen Topklubs. Vor dem Saisonstart am 3. Oktober werden die 18 Teams in einem Power-Ranking beleuchtet.
Beide Topscorer, Johannes Thiemann und Sterling Brown, verließen den Club. Die einzigen Zugänge, Trevion Williams (Ulm) und Will McDowell-White (New Zealand Breakers), sind EL-Debütanten. Wenngleich von Williams einiges erwartet werden darf, der im Januar nachverpflichtete Martin Hermannsson diesmal von Beginn an dabei ist und Youngster wie Matteo Spagnolo und Gabriele Procida Fortschritte machen könnten, kann nach nur fünf Siegen in der Vorsaison nicht viel erwartet werden.
Im Vorjahr hatten die Lyoner von Beginn an keine Playoff-Chance (zwei Siege aus den ersten 18 Spielen). Mit Youssoupha Fall und Timothe Luwawu-Cabarrot wurden in diesem Sommer sogar zwei der besten Spieler verloren. Die Neuzugänge haben teilweise einen NBA-Background (u. a. Shaquille Harrison, Admiral Schofield, Theo Maledon), waren aber noch nie Leistungsträger auf EuroLeague- oder NBA-Level.
22 Siege aus 23 Partien, +18,3 Punkte Korbdifferenz - Paris pflügte mit Erfolgstrainer Tuomas Iisalo, Ex-BBL-MVP T. J. Shorts und drei deutschen Rollenspielern (Sebastian Herrera, Leon Kratzer, Mike Kessens) regelrecht durch den EuroCup. Zum Kaderkern stieß mitunter Weltmeister Maodo Lo. So könnten die EuroLeague-Playoffs sofort zum Thema werden. Das Problem: Iisalo verließ den Club. Nachfolger Thiago Splitter ist als Cheftrainer ein unbeschriebenes Blatt. Paris ist daher eine Wundertüte.
Eines der Überraschungsteams schlitterte in der abgelaufenen Saison über die Ziellinie. In den letzten neun Hauptrundenpartien gab es nur noch einen Sieg, und so kam das Team des früheren Bamberger Trainers Luca Banchi nicht über die Play-Ins hinaus. Bologna setzt in der neuen Saison auf die nach wie vor starken, aber alternden und teils verletzungsanfälligen EL-Stars Will Clyburn (Efes), Marco Belinelli und Toko Shengelia sowie auf EL-"Aufsteiger" wie Matt Morgan, Andrejs Grazulis und Rayjon Tucker.
Laut dem Portal Sports Rabbi verzeichnete Maccabi durch den Nah-Ost-Konflikt enorme finanzielle Einbußen. Es ist weiterhin nicht absehbar, ob in dieser Saison EL-Heimspiele in Israel ausgetragen werden. Mit Baldwin, Nebo, Colson und Brown verlor der Vorjahres-Siebte die besten Spieler. So ist Maccabi der Verlierer des Sommers. Mit dem verletzungsanfälligen Jordan Loyd, Ex-NBA-Spieler Wenyen Gabriel und Rokas Jokubaitis (Barcelona) gab es spannende Zugänge, aber keine gefestigten EuroLeague-Stars.
Der neue Kader versprüht Nationalmannschaftsflair mit Gordon Herbert, Johannes Voigtmann (Mailand), Oscar da Silva (Barcelona), Andreas Obst, Nick Weiler-Babb und Niels Giffey. Mit Shabazz Napier (Mailand) und Yam Madar (Fenerbahce) kamen erfahrene EL-Spielmacher für Sylvain Francisco und Leandro Bolmaro, die sich allerdings steigerten. Es bleibt abzuwarten, ob das Team nach Abgängen der defensiv starken Isaac Bonga und Serge Ibaka nicht nur erfahrener, sondern auch stärker wurde.
Mindestens 24 Siege forderte Ex-Präsident Nebojsa Covic gegenüber dem Portal Meridian Sport - sportlich nach zuletzt nur elf Siegen. Die Routiniers Nikola Kalinic und Isaiah Canaan sowie Codi Miller-McIntyre, der als EL-Debütant für Baskonia überzeugte, sollen dabei helfen. In der Vorsaison verloren die Serben alle zehn Spiele, die mit maximal fünf Punkten Differenz ausgingen. Ein Fragezeichen bleibt die Hierarchie in einem überfüllten Kader mit alternden Veteranen wie Milos Teodosic und Nemanja Nedovic.
Mit einer frenetischen Fanbase und scharfsinnigen Transfers spielt der Club, der laut BasketNews über einen der kleinsten Etats verfügt, regelmäßig um die Playoffs mit. Go-to-Guy Keenan Evans wurde verloren. Sylvain Francisco und Ex-NBA-Spieler Tyrone Wallace sollen ihn annähernd ersetzen. Ignas Brazdeikis (Piräus), ein Garant für Platz 7 2022/23, ist zurück. Spieler wie Alen Smailagic und Matt Mitchell sollen ihren nächsten Schritt gehen. Andrea Trinchieri (u. a. Bayern) kann Teams an ihr Limit coachen.
Coach Pablo Laso wechselte nach einem durchschnittlichen Jahr aus familiären Gründen von Bayern nach Vítoria, wo er seine ersten 28 Lebensjahre verbrachte. In Person von Tadas Sedekerskis, Chima Moneke und EL-Topscorer Markus Howard wurden Hochkaräter gehalten, die den temporeichen Stil der Vorjahre fortsetzen sollen. Donta Hall (Monaco) und Timothe Luwawu-Cabarrot (ASVEL) sind erprobte EL-Rollenspieler. Die Eins um EL-Debütant Trent Forrest und die geringe Tiefe sind Fragezeichen.
Tabula rasa machte Partizan nach verpassten Play-Ins und nationalen Meistertiteln. Mit Balsa Koprivica blieb nur ein Rollenspieler. Trainerlegende Zeljko Obradovic (neunmal EL-Sieger) setzt erneut auf Spieler mit ungenutztem Potenzial - unter anderem Efes‘ Tyrique Jones sowie die Ex-NBA-Spieler Isaac Bonga, Sterling Brown, Frank Ntilikina, Duane Washington, Aleksej Pokusevski sowie Südsudans WM- und Olympia-Dominator Carlik Jones. Nur Brandon Davies und Vanja Marinkovic haben viel EL-Erfahrung.
Go-to-Guy Shane Larkin wurde gehalten. Mit Vincent Poirier (Real Madrid) und Rolands Smits (Kaunas) sowie den NBA-Zugängen Jordan Nwora und Stanley Johnson verstärkte sich der offensiv starke, aber defensiv schwache Vorjahres-Neunte punktuell. Die Eins-gegen-Eins-Qualitäten von Will Clyburn könnten fehlen. Interimstrainer Tomislav Mijatovic erhielt eine Festanstellung und muss sich nun nachhaltig beweisen. Der deutsche Nationalspieler Justus Hollatz bleibt als Defensivspezialist.
Hochkarätige Zugänge in Mailand sorgen nicht mehr für bahnbrechende Begeisterung, denn in den beiden Vorjahren stand trotz Stars wie Shavon Shields und Nikola Mirotic nur jeweils Platz 12. Nicolo Melli wurde als Säule verloren. Dafür kamen mit Josh Nebo (Maccabi) und Zach LeDay (Partizan) erneut Topspieler. Im Vorjahr gab es viel Verletzungspech. Ein Fragezeichen bleibt neben Coach Ettore Messina (seit 2019 in Mailand) die Point-Guard-Position um Nenad Dimitrijevic und Leandro Bolmaro.
Barca spielte 2023/24 mit Platz 4 eine solide Hauptrunde. Coach Roger Grimau musste trotzdem gehen nach verpasstem Final Four und Halbfinal-Aus in Spanien. Nachfolger Joan Penarroya, der bei Baskonia entlassen wurde, ist ein Fragezeichen. Mit Kevin Punter (Partizan) kam nur ein EL-Star. Ansonsten wurde der bestehende ausgeglichene Kaderkern mit Juan Nunez (Ulm), Youssoupha Fall (ASVEL) sowie den Ex-NBA-Spielern Justin Anderson und Chimeze Metu erweitert.
Der Hauptrundendritte hielt ebenfalls fast alle Leistungsträger. All-Rounder Jordan Loyd wurde durch Nick Calathes hochkarätig ersetzt. John Brown, dessen Vertrag nach einer schweren Verletzung nicht verlängert wurde, könnte fehlen. Er prägte Monacos Spielstil mit, der auf Rebounding und dem Forcieren von Ballverlusten fußte. Zudem bleibt abzuwarten, in welcher Form EL-MVP Mike James (34 Jahre), der sich laut Fachportal BeBasket im Sommer einer Rücken-OP unterzog, zurückkommt.
Coach Saras Jasikevicius führte das Team ab Dezember vom Mittelfeld ins Final Four. Außer Calathes wurden alle Top-Leistungsträger gehalten, unter anderem Nigel Hayes-Davis, Scottie Wilbekin und Marko Guduric. Allen voran in Person von Wade Baldwin, Bonzie Colson (beide Maccabi) und Rückkehrer Nicolo Melli (Mailand) wurden Topspieler der EL-Vorsaison geholt, dazu Khem Birch und Boban Marjanovic als Routiniers.
Der Vize-EL-Sieger und Hauptrundenerste hielt die Achse aus Spielmacher Facundo Campazzo, Anker Edy Tavares sowie den Flügelscorern Dzanan Musa und Mario Hezonja. Serge Ibaka und Usman Garuba bringen auf der Fünf neue Tiefe und Variabilität. EL-Debütanten Andres Feliz und Xavier Rathan-Mayes sollen für mehr Eins-gegen-Eins-Qualität sorgen. Guerschon Yabusele (Philadelphia) wurde bisher nicht ersetzt. Mit Rudy Fernandez und Sergio Rodriguez beendeten wichtige Leader ihre Karrieren.
Der EuroLeague-Sieger der Vorsaison hielt wie Piräus alle Leistungsträger - darunter Final-Four-MVP Kostas Sloukas, All-EuroLeague-Center Mathias Lessort und den seit den Playoffs überragenden Kendrick Nunn. Coach Ergin Ataman, auch türkischer Nationaltrainer, holte mit Cedi Osman und Ömer Yurtseven zwei hochkarätige Landsmänner. Der spanische Europameister Lorenzo Brown (Maccabi) sorgt für Tiefe im Backcourt beim stärksten Defensivteam der Vorsaison.
Nachdem Rivale Panathinaikos griechischer Meister und EuroLeague-Sieger wurde, stürmte Piräus den Transfermarkt. Sasha Vezenkov (zuletzt Sacramento), EL-MVP von 2022/23, kehrte zurück. Mit Evan Fournier kam ein langjähriger NBA-Scorer. Bei Keenan Evans (Kaunas), der nach Angaben aus dem Juni von BasketNews sechs bis acht Monate mit einem Patellasehnenriss ausfallen soll, bleibt abzuwarten, ob er in dieser Saison zum Faktor wird. Die Identität basiert weiter auf Defense und Ballbewegung.
Lukas Feldhaus