13.01.2025, 11:13
DBB-Kapitän sucht noch seine Rolle
Dennis Schröder soll den Golden State Warriors eine zusätzliche Dimension verleihen, sie gefährlicher machen. Seine offensive Sicherheit sucht der DBB-Kapitän nach dem Trade aus Brooklyn jedoch noch - und auch das Team hat Probleme. Nun von Scheitern zu sprechen, wäre dennoch viel zu früh…
Viele Antworten kennt nur die Zeit. Was heute noch Fragezeichen hinterlässt, eventuell sogar voreilige Schlüsse provoziert, erscheint wenig später ganz klar. Entsprechend dient die Zeit auch als Mahnerin, Dinge erst einmal eine Entwicklung zuzugestehen, anstatt sie schnellstmöglich be- und am Ende vielleicht verurteilen zu wollen.
Dennis Schröders Start bei den Golden State Warriors ließe in der Theorie den schnellen Schluss zu, dass das, was rund um den Trade vielversprechend erschien, bereits jetzt beinahe zum Scheitern verurteilt ist. Der Wurf, der zu Nets-Zeiten noch verlässlich fiel, steckt noch irgendwo zwischen Brooklyn und San Francisco fest. Auch der offensive Einfluss treibt noch nicht die positiven Wurzeln, die sich der Weltmeister und die Warriors erhofften.
Team | Spiele | MIN | PTS | FG% | 3P% | AST |
---|---|---|---|---|---|---|
Nets | 23 | 33,6 | 18,4 | 45,2 | 38,7 | 6,6 |
Warriors | 13 | 28,4 | 9,9 | 33,1 | 25,0 | 4,7 |
Zwar sind erst 13 Spiele gespielt, in einer Liga, die Zeit als rares Gut versteht, provozieren derlei Zahlen dennoch schnelle Urteile. Interessanter ist jedoch die Frage nach dem Warum. Wie kann etwas, das in der Theorie so vielversprechend leuchtete, so schwer anlaufen? Zur Erinnerung: Nach De’Anthony Meltons Verletzung - und auch vorher - suchten die Warriors nach einem Ballhandler, der Steph Curry entlasten könnte, der explosiv Richtung Zone zieht, passen und das Feld breit machen, dazu verteidigen kann. Vieles tauchte prominent in Schröders Profil auf. Es sollte funktionieren.
In simplen Zahlen ausgedrückt: Legte Schröder als Net in 33,6 Minuten noch 18,4 Punkte bei 45,2 Prozent aus dem Feld und 38,7 Prozent von draußen auf, schrumpfte der Output in Golden State auf 9,9 Punkte bei 33,1, respektive 25 Prozent in 28,4 Minuten zusammen. Die Effective Field Goal Percentage rutschte von 54,5 auf 39,7 Prozent ab, womit sich Schröder laut Cleaning the Glass im 3. Perzentil unter den Point Guards wiederfindet. Gleiches gilt für das Point Differential. Mit Schröder auf dem Court ist Golden State um 15,7 Punkte schwächer, pro 100 Possessions gelingen 24,2 Punkte weniger.
Zumal der DBB-Kapitän seine vielleicht beste NBA-Phase neben einem dominanten Point Guard hatte. An Chris Pauls Seite verlief die 2019/20 so gut, dass Schröder sogar im Rennen um den Sixth Man of the Year Award auftauchte. Nun, so die Idee, würde Currys Gravitation Raum für Schröders Drives schaffen, die der Point Guard wiederum für eigene Abschlüsse am Ring oder kluge Pässe auf offene Schützen oder Cutter nutzen würde. Dazu käme das Pick and Roll, das Schröder in Brooklyn gern lief, das Golden States Offense eine zusätzlich Dimension schenken sollte.
Der Trade versprach viel. Was in der Konversation ein wenig unterging, war der Faktor Zeit. Einerseits stieß Schröder in einer Zeit zu den Warriors, in dem das Team bereits ins Schlingern geraten war. Dem hervorragenden Saisonstart folgte eine Niederlagenserie, die das Play-in wahrscheinlicher machte als den Heimvorteil. Zudem sind immer wieder diverse wichtige Rotationsspieler verletzt. Auch Curry muss derzeit regelmäßig pausieren.
Dazu sprach Draymond Green zwar davon, dass sich die Warriors auch Schröder anpassen müssten. Gleichzeitig muss ein dominanter Playmaker jedoch auch das Spiel an der Seite eines der besten Spielers aller Zeiten, zudem ein völlig neues Offensivsystem lernen, um genau dort seine Rolle zu finden.
"Den Ball in den Post geben, danach eine Split Action laufen", beschrieb Schröder die größten Unterschiede zwischen Brooklyn und Bay Area kürzlich. "Raus gleiten, und der andere kommt um den Block. Wir wollen viele Dreier werfen. Dieses Jahr habe ich auch vorher viele Dreier genommen. Während meiner Karriere bin jedoch eigentlich immer eher zum Korb gegangen. Das ist wahrscheinlich die größte Anpassung."
Tatsächlich hat sich gerade Schröders Playmaking-Rolle verändert. Während er in Brooklyn nahezu jeden Angriff initiierte, muss er als Warrior schon mal direkt nach vorne sprinten, sollte er nicht der nächste Ballhandler in Reboundnähe sein. Bringt er den Ball, gibt er ihn in der gegnerischen Hälfte schneller ab, um danach das Feld breit zu machen. Das gab es auch in Brooklyn. Gleichzeitig prägte Schröder dort die Identität der Offense, während er bei den Warriors als eines ihrer diversen Rädchen funktionieren soll. Drives sind seltener geworden, ebenso Pullups aus der Distanz. Dafür drückt Schröder nun etwas häufiger aus dem Catch and Shoot ab.
Gerade die bei den Warriors so gern genommene und Schröder angesprochene Split Action, bei der der Ballhandler den Ball nach innen gibt, um danach einen Block am Perimeter zu stellen, woraus die Option für Drives und einen schnellen Dreier entstehen soll, braucht Zeit, um sie wie im Schlaf zu beherrschen.
Die Dinge mögen minimal wirken, in einem Sport, in dem Rhythmus vieles bestimmt, fordern häufig jedoch bereits kleinste Veränderungen größere Anpassungen der Balance. Ob sie zurückkehrt, weiß nur die Zeit. Das Spiel gegen die Sixers Anfang des Monats machte jedoch Hoffnung. 15 Punkte bei 5/9 aus dem Feld und 3/4 Dreiern legte Schröder auf, verteilte 6 Assists und klaute zwei Mal den Ball.
Gerade defensiv sieht es ohnehin gut aus. Den Point-of-Attack-Part füllte Schröder nicht nur gegen Tyrese Maxey - und es gibt definitiv einfachere Aufgaben - nachhaltig mit Leben. Mit dem Weltmeister auf dem Parkett lassen die Warriors laut Cleaning the Glass pro 100 Ballbesitze 8,5 Punkte weniger zu. Das wiederum ist gut für 95. Perzentil unter den Point Guards. Ein hervorragender Steigbügel.
"Mit seiner Defense gab er heute den Ton vor", sagte auch Coach Steve Kerr nach dem Spiel. "Außerdem hat er den Ball über das gesamte Feld hart gepusht. Er ist ein schneller Point Guard. Wir wollen von ihm, dass er noch schneller spielt. Auch wenn er nicht den Ball hat, einfach trotzdem das Feld hoch rennen und zurückkommen, um ihn wieder zu bekommen. Das fordert ein wenig Anpassung von ihm, wie es für jeden anderen wäre, der mitten in der Saison zu einem neuen Team stößt und kein Training Camp hat. Es sieht aus, als fühle er sich langsam immer wohler."
In den vergangenen Jahren zählte Golden States Offense regelmäßig zu den komplizierteren der Liga. Rund um Curry und Green erforderte sie viele schnelle Reaktionen. Die Dinge sollten fließen statt strengen Mustern zu folgen. Gleichzeitig sollte sich der Ball schnell bewegen. Vor diese Saison wollte Kerr alles ein wenig vereinfachen - was nicht bedeutet, dass es nun simpel wäre.
Den Ball seltener zu haben, immer wieder aus der Bewegung zu kommen, um dann von draußen abzudrücken, erfordert Anpassungen von Schröder, der in der Vergangenheit häufig Offenses klar anleitete. So fand der seinen Rhythmus, auch sein Selbstverständnis. Beides wartet noch ein wenig auf die Wiederentdeckung. Nun ließen sich auch Fragen stellen, ob die Warriors Schröder anders einsetzen, ihn mehr sein Spiel spielen lassen sollten. Gäbe es ihnen mehr, oder mischten sich die Identitäten am Ende so, dass keine mehr gewinnbringend durchscheint?
"Es ist schon anders", sagt der DBB-Kapitän selbst. "Was sie gemacht haben, hat in den letzten Jahren funktionieren und es war großartig. Während meiner Karriere habe ich schon mit vielen unterschiedlichen Spielern zusammengespielt und mich immer angepasst. Was auch immer sie von mir wollen, ich bin bereit. Aber es braucht ein wenig Zeit."
Gegen die Grizzlies kam Schröder beispielsweise aus der Ecke hoch, bekam einen Screen, um dann Richtung Zone zu gehen. Gerade dort schien das Potenzial durch: Findet er Wege, Golden States berühmte Screens zu nutzen, um danach explosiv Richtung Zone zu gehen, eröffnet das auch den Warriors neue Möglichkeiten. Die Effekte seiner Drives zeigen sich immer wieder. "Er bringt eine andere Mentalität, eine andere Aggressivität mit, was wir gebraucht haben", sagte auch Green. "Seine Offense ist das letzte Puzzlestück." Green spricht ebenfalls vom Faktor Zeit. Während der Saison zu einem neuen Team zu stoßen, sei kompliziert. Gerade wenn es eine schwere Zeit durchmache. Gleichzeitig finde Schröder heraus, wo er seine Würfe am besten bekomme. "Er ist aggressiver."
Auf gute Spiele gegen Memphis und Philadelphia folgten dennoch zwei schwächere und zwei solide. Noch fehlen Selbstverständlichkeit, vielleicht auch ein Stück Sicherheit. Fragen, eventuell sogar Kritik sind im richtigen Maß erlaubt. In neuer Umgebung, unter neuen Umständen muss sich gleichzeitig jeder erst einmal zurecht finden. Zumal Schröder in Brooklyn nahezu von Anfang an unter Coach Jordi Fernandez dabei war. Als Leader, verlängerter Arm, prägte er Identität und Kultur. Brooklyn war ein Stück weit Dennis Schröder. Golden State ist Steph Curry, Draymond Green, ein wenig Andrew Wiggins und Jonathan Kuminga, sogar ein bisschen Buddy Hield. Es kann auch Dennis Schröder werden. Ob es gelingt, weiß nur die Zeit. Vorschnelle Urteile sind also nicht angebracht…
Max Marbeiter