21.11.2024, 15:00
Kein Jahr für Superstars, aber …
Viel Negatives wurde im Vorfeld des 2024er Drafts über die diesjährige Auswahl an Talenten geschrieben. Die Eindrücke nach einem Monat scheinen das auf der einen Seite zu bestätigen, andererseits gibt es gerade außerhalb der Lottery auch einige Lichtblicke. Wir stellen den eher ungewöhnlichen Jahrgang vor.
Der Rookie-Jahrgang 2024 wurde als verhältnismäßig schwach eingeschätzt, zum Teil sogar direkt als historisch mies bezeichnet. Für solche großen Statements ist es eigentlich natürlich noch zu früh, bestätigen lässt sich allerdings bisher, dass die Rookies die Liga nicht gerade im Sturm erobern. Im Gegenteil.
Nur sechs Spieler reißen bisher die 10-Punkte-pro-Spiel-Marke, die nicht komplett entscheidend ist, aber doch zumindest eine gewisse Aussagekraft hat (vergangene Saison waren es acht). Von den zehn besten Scorern unter den Rookies legen bisher lediglich drei Spieler einen True-Shooting-Wert über Ligadurchschnitt auf - obwohl die meisten von ihnen eher Rollenspieler- als Star-Würfe nehmen, die es ihnen in der Theorie etwas leichter machen könnten.
Nichtsdestotrotz bietet auch dieser Jahrgang einige interessante Spieler. Wir stellen die Rookies nach den Eindrücken des ersten Monats ihrer NBA-Karrieren vor.
Preseason-Favorit Zach Edey hätte derzeit wohl die besten Karten, auch wenn er mit einer Zehenverletzung nun erst einmal ausfällt. Der Grizzlies-Center haderte über seine ersten Spiele zwar enorm mit dem Spieltempo und foulte zu viel, es ist jedoch viel besser geworden, seitdem ihn die Grizzlies von der Bank bringen und gegen Bank-Lineups sein Ding machen lassen.
Edey ist kaum vom Punkten abzuhalten, wenn er den Ball in der Nähe des Korbes bekommt - selbst im Vergleich zu den meisten NBA-Spielern ist der 22-Jährige ein Berg von einem Mann (2,24m, 138kg) und weiß, wie er Bully-Ball spielen kann. In Korbnähe trifft er 76%, damit lässt sich arbeiten. Bisher hat er sogar sechs der zehn Dreier getroffen, die er bisher versuchte, und ist mit 65% True Shooting der zweiteffizienteste Rookie-Scorer.
Die Defense ist bei Edey das interessantere Thema. Nach dem schwachen Start kommt er auch hier besser zurecht und kann in Korbnähe etliche Würfe erschweren, auch wenn seine Block-Rate von 2,4% noch besser werden kann (und das Verhältnis zu Fouls besser werden muss). Für seine Größe ist er mobil und zeigt das Potenzial, ein guter Drop-Defender zu werden.
Natürlich gibt es Matchups, die schwer für ihn sind - etwa gegen Center, die Dreier werfen, oder gegen kleine Teams, die versuchen, ihn in Space zu testen. Das war jedoch absehbar, und bisher hat sich Edey gut verkauft, sowohl offensiv als auch defensiv sind die Grizzlies einen Ticken besser, wenn er auf dem Court steht.
Es ist grundsätzlich nicht so, dass es derzeit keine guten Rookie-Leistungen gibt - den allermeisten Frischlingen fehlt jedoch die Konstanz. Die folgenden Spieler wirken da immerhin schon einen Schritt weiter:
- Jared McCain führt die Rookies überraschend und effizient beim Scoring an (15,2 Punkte, 61,5% True Shooting) und hat einen massiven Sprung gemacht, seitdem sich Tyrese Maxey verletzungsbedingt verabschiedet hat. Über seine letzten fünf Spiele erzielte er immer mindestens 20 Punkte, einen vergleichbaren Stretch hat unter den Rookies keiner. Beeindruckend ist dabei vor allem, mit welchem Selbstverständnis der Nr.16-Pick agiert und immer wieder seinen Weg in die Zone findet. Der (einzige?) Lichtblick in einer bisher komplett verkorksten Sixers-Saison.
- Dalton Knecht gibt den Lakers einen Movement-Shooter und profitiert davon, dass sein Head Coach in früheren Zeiten auch mal einer war. Seine letzten vier Spiele waren richtig gut, zuletzt gab es einen 27-Punkte-Ausbruch (mit 5/10 Dreiern) gegen die Pelicans und dann sogar 37 Punkte (9/12!) gegen die Jazz. Macht er so weiter, winkt ihm eine größere Rolle und vielleicht auch die ROTY-Ehre. Sein derzeitiger True-Shooting-Wert (fast 69%) liegt deutlich über den Karriere-Bestwerten von beispielsweise Redick oder sogar Stephen Curry, ist natürlich aber auch eine Momentaufnahme nach dem mit Abstand besten Spiel seiner jungen Karriere.
- Jaylen Wells trifft immerhin 37% seiner Dreier und übernimmt für die Grizzlies regelmäßig die besten gegnerischen Guards in der Defense, damit die Star-Guards Ja Morant oder Desmond Bane diesen Job nicht machen müssen. Selbst wenn er dabei noch konstanter werden darf und der Abschluss innerhalb der Dreierlinie ausbaufähig ist: Das ist offenbar mal wieder ein guter Value-Pick, den die Grizzlies an Position 39 gezogen haben.
- Bub Carrington führt die Rookies bei den Assists an (5,0) und leistet sich erfrischend wenige Ballverluste (1,8). Der Wizards-Guard hat ein starkes Ballhandling und kann die Defense gut lesen, zudem trifft er bisher sehr gute 39% seiner Dreier. Innerhalb der Linie fehlt es ihm an Explosivität, um regelmäßig zum Ring zu kommen. Hier muss er noch besser darin werden, Vorteile und damit Abschlüsse für sich selbst zu kreieren, dennoch ist er als einer der jüngeren Spieler des Jahrgangs (er wurde 19 im Juli) bisher schon ziemlich gut dabei.
- Die Verletzung von Deandre Ayton hat dazu geführt, dass Donovan Clingan vor drei Spielen in die Starting Five der Blazers aufgenommen wurde. Sie haben diese Spiele alle gewonnen, was nicht nur an Clingan lag, aber doch andeutete, welches Potenzial der Big als Ringbeschützer und Rim-Runner auf der Gegenseite mitbringt. Clingan ist ein toller Shotblocker, der im direkten Duell gegen Rudy Gobert 17 Punkte, 12 Rebounds und 8 (!) Blocks auflegte - was so natürlich nicht in jedem Spiel zu erwarten ist, aber verdeutlicht hat, dass der Nr.7-Pick spielen sollte, auch wenn Ayton zurückkehrt.
- Stephon Castle ist im Prinzip der Spieler, der von Draft-Experten angekündigt wurde: Der Wurf ist problematisch (28%), aber nahezu alles andere macht Spaß. Der Nr.4-Pick verbindet starke Vision insbesondere aus dem Pick&Roll mit Athletik und Hustle in der Defense, bestens gezeigt bei seinem mitentscheidenden Block am Ende der Partie gegen die Thunder. Auch ohne guten Wurf zählt er schon zu den wenigen Rookies, die das Spiel ihres Teams in ihren Minuten positiv beeinflussen (On/Off: +4,2).
- Ryan Dunn ist ein unheimlicher Verteidiger auf dem Flügel, nach dem die Suns verzweifelt gesucht haben. Er ist auch streaky: Über seine ersten fünf NBA-Spiele traf er 44% von draußen, seither steht er bei 8/34. Diese Version ist immer noch ein brauchbarer Teil der Rotation, weil niemand in Phoenix verteidigen kann wie er, die gut werfende Version wäre ein potenzieller Game-Changer.
Alle, natürlich. Gerade aufgrund ihrer Draft-Position lohnt sich jedoch ein kurzer Blick auf die drei Top-Picks:
- Zaccharie Risacher hatte mit seinem 33-Punkte-Spiel gegen die Knicks eins der besten Rookie-Spiele dieser Saison, vielleicht sogar das beste. Sein Rollenprofil zeichnet sich ab: Risacher hat defensiv viel Potenzial sowohl am Mann als auch als Off-Ball-Playmaker, vorn hat er einen schönen Wurf und ein generell sauberes Spielgefühl. Er trifft allerdings, bisher, extrem wacklig: 25% sind es von draußen, 55% am Ring, extrem schwach für einen Spieler mit seinen Maßen. Die Dreierquote sollte von allein besser werden, je größer die Stichprobe wird. Das Finishing ist das etwas spannendere Thema: Risacher ist eher schmächtig und bisher kein Spieler, der Kontakt sucht oder sonderlich explosiv wirkt. Fortschritte in diesen Bereichen werden voraussichtlich darüber entscheiden, ob er seinen Status als Nr.1-Pick auf Dauer rechtfertigt.
- Alex Sarr ist neben Clingan der Rookie mit den meisten Blocks (2,1 pro Spiel) und schon jetzt eine Erscheinung in Korbnähe, selbst wenn er noch arg dünn für die Center-Position wirkt. Gegen die Hawks (20 Punkte, 3/4 Dreier, 7 Rebounds, 2 Assists, 4 Steals, 3 Blocks) sah er aus wie ein künftiger Star. Er ist abgesehen davon allerdings auch der ineffizienteste Rotationsspieler der Liga (Minimum 25 Minuten pro Spiel) und steht bei einer True-Shooting-Quote von 43,1%, die viel damit zu tun hat, dass ein sehr großer Anteil von Sarrs Würfen von draußen kommt, obwohl er fast nie einen trifft. Am Ring trifft er für einen Big Man zwar auch schlecht (61%), wahrscheinlich würde sein Spiel dennoch davon profitieren, wenn er den einen oder anderen Perimeter-Abschluss mal weglässt. Dass Sarr eher ein Projekt ist, hatten die tankenden Wizards allerdings wohl ohnehin schon am Draft-Abend erwartet.
- Nr.3-Pick Reed Sheppard galt vor Saisonstart als beliebter ROTY-Pick, hat jedoch das Problem, dass er Stand jetzt in einem Team "begraben" wird, das zu viele Spieler auf seiner Position hat, die schon weiter sind. Eine große Überraschung ist das nicht.
- Aufgrund des Ausfalls von Paolo Banchero ist die Rolle von Tristan da Silva aktuell größer, als sie erwartet wurde, bereits neunmal stand der 23-Jährige nun in der Starting Five. Sein Wurf fällt dabei noch nicht (28,9% Dreier), ansonsten wirkt sein Spiel aber durchaus schon NBA-tauglich: Da Silva ist ein fähiger Rebounder, ein guter Cutter und vor allem auch schon ein richtig starker Passer, wie er zuletzt gegen Phoenix (6 Assists) zeigte. Gerade aus dem Drive heraus war er immer wieder in der Lage, auf beispielsweise Goga Bitadze durchzustecken. Auch defensiv hat er sich bei der erneut bärenstarken Defense der Magic gut eingefunden und sollte ein Teil der Rotation bleiben, auch wenn er nach Bancheros Rückkehr nicht mehr starten wird.
- Ariel Hukporti hat bisher deutlich weniger Chancen erhalten, um sich zu zeigen, obwohl auch im Frontcourt der Knicks diverse Spieler ausfallen. Gegen die Nets allerdings durfte der Center kürzlich für 30 Minuten ran und machte seine Sache richtig gut: Teilweise verteidigte er vier Spieler in derselben Possession, verzeichnete 4 Blocks und zeigte eine Art von Ringschutz, die weder Karl-Anthony Towns noch Jericho Sims so liefern können. Vorne bewies er als Roll-Man guten Touch und auch Passfähigkeiten, fand mehrfach Cutter für einfache Layups. Das machte Hoffnung, wahrscheinlich wird es aber vorerst eine Ausnahme bleiben, gerade wenn Spieler wie Precious Achiuwa oder Mitchell Robinson in den Kader zurückkehren.
Ole Frerks