vor 20 Stunden
Hawk-Neuzugang dominiert in der Defensive
Dyson Daniels war eigentlich nicht der Hauptbestandteil des Trades, der ihn in der Offseason zu den Atlanta Hawks brachte. Beim neuen Team allerdings spielt der Australier wie entfesselt - und schickt sich an, sogar einen alten Rekord von Michael Jordan in Gefahr zu bringen.
Einen heißeren Spieler als De’Aaron Fox gab es in der NBA zuletzt nicht. Überhaupt gab es noch nicht oft heißere Spieler, seitdem Wilt Chamberlain nicht mehr sein Unwesen in der Liga treibt - 109 Punkte erzielte Fox am Wochenende über zwei Spiele, diese Marke hatte über zwei Spiele zuletzt Kobe Bryant übertroffen, vor mittlerweile fast 19 Jahren.
Der Kings-Guard agierte also mit einem gewissen Selbstvertrauen, als er Montagnacht für die finale Possession seines Teams gegen Atlanta ins Dribbling ging. Mit einem Punkt lag Sacramento hinten, die Zeit reichte aber für einen guten Wurf, gerade von so einem erprobten Closer wie Fox. Seinen Verteidiger De’Andre Hunter brachte er tatsächlich ins Wackeln, wollte hochsteigen …
… und dann kam der Typ, den sie mittlerweile Great Barrier Thief nennen, und gewann den Hawks das Spiel. "Ich sehe den Ball, ich hole den Ball", beschrieb Dyson Daniels vor wenigen Tagen seine Defense, in bester Charles-Barkley-Manier. Und das tat er auch gegen Fox - als dieser hochstieg, brachte Daniels seine Hand an den Ball und fing den Querschläger selbst ein.
He called game, nur eben mit seinem defensiven Playmaking. Eine Angewohnheit, die mehr und mehr zur Norm wird für einen Spieler, der sich anschickt, einer der besten Flügelverteidiger der Liga zu werden - wenn er diesen Status nicht ohnehin schon innehat.
Daniels‘ statistisches Profil zum Start der Saison ist einigermaßen unheimlich. Vor dem Kings-Spiel sammelte er 3,7 Steals pro Spiel ein - den NBA-Rekord seit Erhebung von Steals hält der frühere Spurs-Guard Alvin Robertson mit 3,8 Steals, in einer Ära, als es noch deutlich mehr Ballbesitze zum Stehlen gab.
Pro 100 Ballbesitze sammelte Robertson nie mehr als 4,8 Steals ein … aktuell steht Daniels bei 4,7. Hinzu kommen auch noch etliche Deflections, in denen er zwar nicht an Ballbesitz kommt, aber den Angriff des Gegners dennoch beeinträchtigt: nba.com/stats zufolge steht Daniels jetzt schon bei 91 Deflections, Platz 2 ligaweit ist ausgerechnet Fox mit 57.
Ein Shotblocker ist Daniels auch, wie er mit insgesamt 4 Blocks gegen die Kings demonstrierte. Kombiniert steht er aktuell bei 4,5 Stocks (also Steals und Blocks) pro Spiel - der letzte und einzige Guard, der diese Marke je übertraf, hörte auf den Namen Michael Jeffrey Jordan (4,8) und wurde in der dazugehörigen Saison (1988) Defensive Player of the Year.
"Es ist eine einmalige Sache bei der Art, wie er Defense spielt, dass er seinen Mann verteidigen und trotzdem Plays machen kann, ohne sich selbst aus einer guten Position zu nehmen", schwärmt sein Head Coach Quin Snyder. „Dabei hilft seine Konzentration. Er hat die körperlichen Voraussetzungen, aber er ist auch mental extrem diszipliniert in diesen Situationen, und das wird schwerer, je mehr man auf dem Court steht.“
Tatsächlich ist die neue Saison für Daniels in dieser Hinsicht ein Experiment. Dass er großes Potenzial als Verteidiger besaß, war auch bei seiner vorigen Station in New Orleans ersichtlich, dort spielte er jedoch bloß 22 Minuten pro Spiel und wurde hinter bewieseneren Wings zum Teil in der Rotation begraben.
Die Fülle an Wings in NOLA war ein mitentscheidender Grund dafür, dass Daniels in der Offseason überhaupt im Zuge des Dejounte-Murray-Trades in Atlanta landete. Dort spielt er derzeit fast 34 Minuten pro Partie - und macht ironischerweise ziemlich genau das, wofür die Hawks einst Murray aus San Antonio loseisten und dafür massiv überbezahlten.
New Orleans erhält | Atlanta erhält |
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Dejounte Murray | Dyson Daniels, E.J. Liddell, Larry Nance Jr., Cody Zeller, 2025er Erstrundenpick (via Lakers), 2027er Erstrundenpick |
Daniels bildet das defensive Gegengewicht zu Trae Young im Backcourt, ist so etwas wie der Bodyguard des kleinen All-Stars. Die höhere Minutenlast hat sein Spiel nicht beeinträchtigt, im Gegenteil.
Der noch immer erst 21-Jährige spielt in seiner dritten Saison mit einer frenetischen Energie und macht die Defense des Teams in seinen Minuten um 8,5 Punkte besser; in manchen Lineups, wenn Daniels mit beispielsweise Hunter und Jalen Johnson auf dem Court steht, wirkt Atlanta auf dem Flügel wie ein regelrechtes Bollwerk, was über die Hawks seit bald einer Dekade niemand mehr gesagt hat.
"Für mich fängt alles mit der Team-Defense an. Es geht darum, den Mann vor sich zu halten, ihn zu schweren Würfen zu zwingen - und wenn mir dann jemand den Rücken zuwendet, dann versuche ich ihm den Ball wegzunehmen", erklärt Daniels. Klingt einfach, schafft normalerweise jedoch niemand mit dieser Regelmäßigkeit.
Defensiv sieht Daniels schon jetzt aus wie ein absoluter Game-Changer. Interessant, weil volatiler, ist seine Offense; Daniels erzielte über 120 Spiele für die Pelicans bloß 4,8 Punkte im Schnitt, war eher zögerlich im Angriff und ein schwacher, unwilliger Schütze, auch wenn zumindest sein Playmaking immer wieder positiv hervorstach.
In Atlanta zeigt sich ein anderer Daniels. Zwar ist der Wurf noch immer eine Baustelle (28,6 % Dreier) und von der Linie trifft er auch bloß 60,9 %, dafür hat sich die Einstellung verändert. Daniels wirft mit einem neuen Selbstverständnis, selbst wenn das Spiel bis dahin nicht ideal verlief. In elf von 13 Einsätzen warf er mindestens zehnmal auf den Korb, das tat er in seiner gesamten Pelicans-Zeit bloß sechsmal.
Der Wurf sollte mit der Zeit besser fallen - aber dass Daniels ihn nimmt, ist schon für sich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Teams können ihn nicht mehr komplett ignorieren, wie es noch in New Orleans zum Teil der Fall war, als er mit Usage-Raten um 13 und 14 % zu den passivsten Offensivspielern der gesamten Liga zählte.
"Gerade für junge Spieler ist es keine gute Sache, wenn sie sich zu sehr darum sorgen, ob der Ball reinfällt. Es geht nicht nur darum, das grüne Licht zu haben", erklärte Snyder schon vor der Saison. "Es geht darum, zu wissen, dass man den Wurf nicht nur nehmen darf, sondern nehmen muss. Es ist wichtig zu werfen, ob man trifft oder nicht."
Daniels hat das verinnerlicht - und ermöglicht es Snyder dadurch, ihn mehr spielen zu lassen, ihm auch mehr Verantwortung zu geben. Als Young kürzlich ausfiel, stieg Daniels‘ Playmaking-Anteil und wohl nicht aus Zufall zeigte er beim schockierenden Sieg über Boston eins der besten Spiele seiner jungen Karriere (28 Punkte, sieben Assists, sechs Steals).
"Über die letzten Sommer haben wir das Talent gesehen, den IQ, die defensiven Fähigkeiten", lobte Joe Ingles, der Daniels aus der australischen Nationalmannschaft bestens kennt. "Diesen Sommer hat er bei Olympia viel gespielt, immer den besten Spieler auf der Gegenseite verteidigt, und offensiv vor allem seinen Fokus und sein Playmaking gezeigt. Ich war wirklich beeindruckt."
So geht es derzeit vielen, die Daniels in Atlanta spielen sehen. Er wird den Saisonstart noch bestätigen müssen und hat offensiv noch immer viele Schritte zu gehen, schon jetzt allerdings offenbart er das Potenzial, der Steal der 2024er Offseason zu sein. Den besten, weil passendsten neuen Spitznamen hat er immerhin schon.
Ole Frerks