13.08.2024, 08:00
Team USA steht vor großem Umbruch
Paris 2024 ist Geschichte - Los Angeles steht an. Allerdings erst in vier Jahren … was automatisch zur Frage führt, welche Spieler dann zur Verfügung stehen werden, um die Goldmedaille von Team USA vor heimischem Publikum zu verteidigen. Wir wagen eine erste Prognose.
Es war ein fast schon poetischer Abschluss für das beste und meistumkämpfte Olympische Basketball-Turnier der modernen Ära - im Halbfinale und Finale übernahm die alte Garde, die ja schon bei der Nominierung des Teams im Fokus gestanden hatte.
LeBron James wurde Turnier-MVP, Kevin Durant zum US-amerikanischen Rekordspieler bei Olympia, und den Wurf des Turniers (sowie insgesamt 60 Punkte über die letzten zwei Spiele) lieferte Stephen Curry. Wenn dieses Turnier die Verabschiedung der drei prägendsten US-Spieler der letzten anderthalb Dekaden auf der internationalen Bühne war, gelang diese nahezu perfekt.
Andererseits … pessimistisch betrachtet war es vielleicht gar nicht so ideal, dass die drei ältesten Spieler des Teams die Kohlen aus dem Feuer holen mussten? Irgendwann endet schließlich jede Ära. LeBron hat schon gesagt, dass er sich in vier Jahren nicht mehr als Teil des Teams "sehen kann", Curry wäre dann 40. Durant wäre "nur" 39, so alt wie LeBron heute, nach seinen Verletzungen der letzten Jahre scheint es aber keineswegs sicher, dass er 2028 seine insgesamt fünfte Goldmedaille ins Visier nehmen kann.
So oder so: Das Team wird anders aussehen, sich neu erfinden müssen, um seinen Vormachtstatus gegen Teams wie Serbien oder Frankreich mit Victor Wembanyama und dann wohl auch einem hochkarätigen Point Guard namens Nolan Traore zu verteidigen. So könnte der 2028er Kader aussehen …
Tyrese Haliburton (Alter 2028: 28)
In Paris der designierte zwölfte Mann, der diese Rolle aber ohne zu Murren akzeptierte („Wenn man zur Gruppenarbeit nichts beiträgt und trotzdem eine 1 bekommt“, wie er es selbst nannte). In L.A. könnte die Rolle des Pacers-Guards wesentlich größer ausfallen, schließlich bringt er zwei entscheidende Fähigkeiten mit, welche die alte Garde dann womöglich nicht mehr mitbringt.
Haliburton ist aktuell ein schwacher Verteidiger, aber: Er hat gute Argumente, der beste US-Passer nach LeBron und der beste US-Shooter nach Curry zu sein. Sein Spielstil, der schnell und frenetisch ist und überhaupt nicht auf Balldominanz angewiesen ist, passt perfekt in den FIBA-Basketball. Er ist bei Team USA mittlerweile etabliert und sollte eine gute Chance haben, 2028 als Starter ins Turnier zu gehen.
Tyrese Maxey (27)
Komischerweise war Maxey diesmal gar nicht Teil des USA Basketball-Pools, bis 2028 sollte er sich aber endgültig auf den Radar der Coaches gespielt haben. Maxey bringt Speed wie kein Zweiter, ist ein herausragender Shooter, der, wenn voll engagiert, auch defensiv seine Athletik zum Tragen bringen kann.
Der defensive Part dürfte nicht unwichtig sein, denn: Auch Jrue Holiday (dann 38) und Derrick White (34) sind sicherlich keine Locks, 2028 ins Team zurückzukehren. Maxey ist Stand jetzt kein konstant guter Verteidiger, könnte in einem Star-Ensemble mit weniger offensiver Verantwortung als in Philly aber zu den besseren Point-of-Attack-Optionen des Teams gehören - ein Stück weit vergleichbar mit einem Spieler, der weiter unten noch genannt wird.
Jalen Suggs (27)
Der Magic-Guard wäre der potenzieller White-Nachfolger - (vermutlich) kein All-Star, der ohne große Ansprüche zum Team kommt, vielleicht sogar spät nominiert wird, um dann am Ende doch unverzichtbar zu sein und mehr Minuten zu spielen als viele der Stars. 2028 sollte er der beste amerikanische Guard-Verteidiger sein, schon 23/24 hatte er dafür einen Case.
Suggs traf vergangene Saison zudem knapp 40% seiner Dreier - dies muss er erst bestätigen, seine ersten beiden NBA-Jahre waren in dieser Hinsicht schließlich deutlich schlechter.
Jayson Tatum (30)
Paris lief eher nicht nach Tatums Geschmack, aber 2028 hätte er (vermutlich) nicht mehr zwei Legenden wie LeBron und KD vor sich und könnte prinzipiell sogar der Anführer des Teams sein. Wenn er den Wurf wiederfindet, was während Paris nicht gelang (JT traf keinen Jumper!), hat er alles, was im internationalen Basketball benötigt wird: Ein gutes Off-Ball-Game, Playmaking, defensive Vielseitigkeit, Rebounding.
Tatum selbst hat gesagt, die Erfahrung in Paris mit zwei DNP-CDs werde seine Entscheidung für 2028 nicht beeinflussen. Das ist natürlich abzuwarten. Die Tür zu einer wesentlich größeren Rolle sollte dem amtierenden Champion dann allerdings ziemlich sicher offen stehen.
Devin Booker (31)
Der heimliche Gewinner von Paris war Booker, der sich als defensive Pest (!) und starke Off-Ball-Waffe ein Stück weit neu erfand und zum festen Teil fast aller Closing Lineups wurde. Booker hat damit seine Ankündigung (via X) aus dem vergangenen Jahr bestätigt, dass er bereit sein werde, "zu verteidigen und in der Ecke zu stehen", wie es Kyle Kuzma formuliert hatte.
In Paris war Booker ein Deluxe-Rollenspieler. In L.A. könnte er vielleicht auch noch mehr sein. Relativ sicher ist er einer von zwei Shooting Guards, bei denen Team USA im ersten Schritt direkt anklopfen wird. Der andere ist …
Anthony Edwards (26)
Das Nesthäkchen des Pariser Teams startet 2028 in seine Prime (er wird während der Spiele seinen 27. Geburtstag feiern) und könnte mit seinem Charisma dann bereits das Gesicht des Teams sein. Edwards hat eine magnetische Präsenz und dürfte LeBrons Nachfolger in Sachen "athletisches Wunder" der US-Amerikaner sein.
Im Zuge dieser Spiele schlug das Pendel bei ihm noch etwas zu oft in Richtung "Dribbeln und/oder werfen" statt "Passen" aus, teilweise stoppte er den offensiven Fluss zu sehr, aber Edwards ist eben auch noch richtig jung - sein Decision-Making wurde über die Saison schon viel besser, wer weiß, wo er in vier Jahren steht.
Er zählt zu den wenigen Kandidaten, die bis 2028 als gebürtige US-Amerikaner mal wieder einen MVP-Award gewinnen könnten.
Jalen Williams (27)
J-Dub zeigt in OKC schon jetzt, dass er als Komplementärspieler neben einem Superstar gut aussieht, und bringt alle Fähigkeiten mit, um auch bei Team USA zu funktionieren: Er kann werfen, er kann für sich und andere kreieren, und er ist ein multi-positionaler, kräftiger Verteidiger.
Eine Aufgabe, die Williams bis 2028 noch angehen sollte: Seine Dreierquote ist gut (fast 43%), sein Volumen allerdings gering (nur 3,4 Versuche pro Spiel). Der Wille, ohne zu zögern abzudrücken, könnte entscheidend für seine Chancen auf einen Kaderplatz sein. Wenn er sich weiter so rapide verbessert wie über seine ersten zwei NBA-Jahre, wirkt das aber machbar.
Brandon Miller (25)
Auch Miller entspricht gewissermaßen dem Prototyp, der bei Team USA Sinn ergibt: Er ist lang, kann mehrere Positionen verteidigen und hat ein Spiel, das auch funktioniert, wenn er nicht ständig den Ball in der Hand hat. 38% bei Catch-and-Shoot-Dreiern traf er in Jahr eins, dabei spielte er in Charlotte nicht gerade in einem Team mit viel Creation um ihn herum.
Für Team USA wäre er eher ein Rollenspieler, vielleicht auch nur ein Bankdrücker, aber auch diese muss es in einem 12er-Kader ja geben.
Cooper Flagg (21)
Der Forward, der kommende Saison für Duke aufläuft (und dann vermutlich der Nr.1-Pick wird), wäre 2028 früh dran, andererseits hat er Team USA schon jetzt bei den Scrimmages in Las Vegas tief beeindruckt. Flagg hat ein großartiges Two-Way-Skillset, kann werfen, ist sehr athletisch und hat bis 2028 noch Zeit, um etwas kräftiger zu werden.
Dieser Kaderplatz könnte allerdings auch gut und gerne an den fast doppelt so alten Durant gehen. Bleibt KD fit, ist es gut vorstellbar, dass er noch einmal Lust hätte (niemand spielt lieber Basketball als Kevin Durant) und sich für ein letztes Hurra bereit erklären würde. Team USA würde seinen dann vielleicht immer noch besten Shotmaker sicherlich noch einmal mitnehmen.
Bam Adebayo (30)
Zwei Goldmedaillen hat Bam bereits in der Tasche, ein weiterer Versuch könnte in Los Angeles folgen. Denn: Bams Defense gegen jede Position ist auch im FIBA-Basketball ultra-wertvoll, sein offensives Skillset als Passer und Screener in einem Team mit so viel Firepower ist ebenfalls nur additiv.
Noch ein Bonus: Die kürzere Dreierlinie ist für Adebayo, der vergangene Saison in der NBA ein Career-High an getroffenen Dreiern (mit 15) aufstellte, etwas komfortabler, sodass er dort auch noch etwas besser neben einem traditionellen Big Man funktioniert. Wobei das in der nächsten Iteration des Teams vielleicht auch gar nicht nötig sein wird.
Chet Holmgren (26)
Denn vielleicht nimmt Team USA ja Chet mit - der mit seinen 2,16 m den Ring beschützen kann und vorne einen elitären Wurf sowie gute Passing Skills mitbringt. Bedenkt man, dass Wemby vermutlich ja auch wieder zu schlagen wäre, könnte es eine sinnvolle Idee sein, den Spieler mitzunehmen, der ihm körperlich vermutlich noch am meisten ähnelt und das Duell mit dem Franzosen äußerst persönlich nimmt.
Chet war bisher noch nicht bei den Herren dabei, spielte für Team USA aber schon auf dem Jugendlevel eine große Rolle. Vielleicht ist er 2027 bei der WM dabei - vielleicht ist er, neben Wemby, dann auch bereits der beste Verteidiger der Liga.
Anthony Davis (35)
Den finalen Spot bekommt der Stand jetzt einzige Spieler, der 2028 ein Heimspiel hätte. Joel Embiid wäre hier sicherlich auch ein Kandidat, dessen Verletzungen und andere Überlegungen (kürzlich sinnierte er, 2028 dann für Kamerun aufzulaufen) machen ihn jedoch zu einer Wildcard. Davis wäre 2028 vermutlich der Elder Statesman des Teams, auch bei ihm müssten dafür natürlich die Knochen halten.
Selbst wenn die Prime dann rum wäre - A.D. sollte auch 2028 noch ein elitärer Verteidiger, Rebounder und Play-Finisher sein. Sollte er nicht teilnehmen, gäbe es indes auch noch einige andere veritable Big-Man-Optionen, etwa Evan Mobley, Scottie Barnes, Paolo Banchero oder Jaren Jackson Jr., auch wenn dieser bei der WM 2023 nicht die beste Figur abgab.
Weitere Contender: Donovan Mitchell und Jalen Brunson sind 2028 beide 31, also noch in ihrer späten Prime. Ihr Scoring könnte das Team bereichern (Brunson ist aktuell vielleicht der beste amerikanische Iso-Scorer), die Balldominanz spricht womöglich aber gegen eine Teilnahme. Ja Morant muss seinen Ruf erst reparieren, sollte ihm das gelingen, wäre 2028 jedoch die Kirsche auf der Sahnetorte. Cade Cunningham hat zumindest Außenseiterchancen. Jaylen Brown könnte bis dahin seinen Sponsor wechseln/sich mit USA Basketball vertragen. De’Aaron Fox könnte ebenso gut den Spot von Tyrese Maxey übernehmen. Trey Murphy III ist der Volume-Shooter, der J-Dub noch werden möchte. Und wie viel Spaß würde es bereiten, Zion Williamson in einem Team voller Stars als ultimative Transition-Waffe durch die Gegend hüpfen zu sehen? Man wird ja noch träumen dürfen …
Kurzum: Das meiste Talent sollten die USA 2028 auch wieder haben, ihr Pool bleibt riesig, nicht zu vergleichen mit dem Rest der Welt. Talent muss aber nicht reichen. 2024 tat es das - weil sich ein Team bildete, und weil ein legendäres Trio in den brenzligen Momenten zur Stelle war.
2028 wird die Welt einen neuen Anlauf starten, den USA ihren Nimbus der Unbesiegbarkeit bei Olympia zu nehmen. Mal sehen, wer dann die Kohlen aus dem Feuer holen wird.
Ole Frerks