13.11.2024, 12:56
Offensive hui, Defensive pfui
Die New York Knicks haben mit ihrem Neuzugang Karl-Anthony Towns bisher gemischte Resultate eingefahren. Dabei sind die Leistungen des Bigs eigentlich überragend - aber nur auf einer Seite des Courts.
Am Freitag erhielten die Fans in New York einen Eindruck davon, wie ihr Team und ihr neuer Big Man in Bestform aussehen kann. Im erst dritten Heimspiel der Saison gegen Milwaukee war Karl-Anthony Towns von Beginn an dominant unterwegs, traf seine Dreier und ließ Brook Lopez mit einem Driving Dunk alt aussehen. Sehr zur Freude der gesamten Arena - und von Carmelo Anthony, der Courtside saß und dessen Spind KAT nach seinem Wechsel übernommen hat.
32 Punkte, 11 Rebounds und 5 Assists hatte Towns am Ende in seinem Boxscore stehen, und es wäre mehr geworden, hätte er nicht aufgrund des Blowouts nur 32 Minuten gespielt. Towns schien angekommen, das Team mit ihm im Rhythmus. Hätte man nur dieses Spiel gesehen, würde man davon ausgehen, dass die Knicks tatsächlich schon an dem Contender-Status kratzen, den sie in dieser Spielzeit erreichen wollen.
Ähnlich war es in der ersten NBA-Cup-Partie vergangene Nacht gegen Philly, in der Towns und nicht Rückkehrer Joel Embiid der mit Abstand beste Big Man auf dem Court war. Um diese zwei überzeugenden Siege herum verloren die Knicks indes zweimal gegen Lottery-Teams aus der Vorsaison (Atlanta und Houston) und waren gegen die Pacers weitestgehend chancenlos.
Ihre Bilanz steht bei 5-5, was im Osten derzeit für Platz 4 reicht, eigentlich aber natürlich nicht ihren Ansprüchen gerecht wird. Das liegt nicht direkt an Towns. Aber irgendwie wahrscheinlich doch, wenigstens ein bisschen.
Die Leistungen des neu formierten Teams sind zum Saisonstart wechselhaft. Für Towns gilt das nicht: Seine Zahlen sind überragend (24,5 PPG, 52,4% FG, 51,1% Dreier, 12,4 RPG) und lassen ihn wie einen der besten Offensivspieler der Liga aussehen. Die Chemie mit Jalen Brunson entsteht noch, zum Teil sind die Möglichkeiten dieses Two-Man-Games indes schon ersichtlich.
Als einer der weltbesten Big-Man-Shooter schafft Towns Platz für Brunson, den dieser so vermutlich seit seiner Dallas-Zeit nicht mehr hatte. Er kann Brunson und andere aber auch mit seinem unterschätzten Passing Game aus dem Post in Szene setzen - oder von Zeit zu Zeit auch mal selbst abrollen, wenngleich er nicht der athletischste Finisher solcher Plays ist.
Selbst die Offensiv-Rebounds, die Knicks-Coach Tom Thibodeau gerne von seinen Bigs sieht, holt Towns: 3,2 Offensiv-Boards pro Spiel sind seine bisherige Ausbeute, nur sieben Spieler holen im Schnitt mehr. Viele davon sind Rebounds "in traffic", also nicht etwa ohne Kontakt eingesammelte Geschenke. Gegen Philly waren erneut einige davon zu sehen.
Rundum ist sein Einfluss massiv, auch wenn er noch häufiger von draußen werfen sollte (aktuell 4,7 3PA). In seinen Minuten ist New Yorks Offensiv-Rating laut Cleaning the Glass um 8,7 Punkte stärker, die Knicks erzielen 124,8 Punkte pro 100 Ballbesitze - was der beste Wert der NBA-Geschichte wäre, noch stärker als die aktuelle Bestmarke der Boston Celtics (123,4).
So weit, so gut also. Aber eben nur auf dieser Seite des Courts.
Den eigenen Korb bekommen die Knicks mit Towns nicht konstant verteidigt. Ein Teil davon ist heißes Shooting von draußen in seinen Minuten, was nicht so bleiben muss. Das größte Problem ist jedoch der fehlende Ringschutz: Mit Towns auf dem Court lassen die Knicks am Ring eine Wurfquote von 75% zu. Das könnte kaum schlechter sein, wenn sie zu viert spielen würden.
Natürlich ist dieses Problem nicht allein Towns anzulasten - Brunson ist kein guter Verteidiger, Mikal Bridges wird seinem elitären Ruf aus (vor allem) Suns-Zeiten aktuell noch nicht gerecht, der beste Ringbeschützer namens Mitchell Robinson fehlt, und nicht zuletzt ist die Rotation dünn, sodass die wichtigsten Spieler enorm viele, kraftzehrende Minuten abreißen müssen.
Towns allerdings ist aktuell derjenige, der gemäß seiner Position irgendwie versuchen müsste, den Laden zusammenzuhalten. Und das schlichtweg nicht schafft. Ein furchteinflößender Shotblocker war er noch nie, die aktuellen Werte jedoch sind schlichtweg absurd: Von den 42 versuchten Field Goals am Ring, bei denen KAT der nächste Verteidiger war, waren laut nba.com/stats 36 drin.
Das ist eine kleine Stichprobe, natürlich. Und sowohl Towns als auch sein Team verdienen Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen, um auch systemisch ein etwas besseres Umfeld für ihn zu schaffen.
Den Wolves ist es gelungen, KAT zu einem bisweilen wertvollen Verteidiger zu machen (etwa gegen die Nuggets in den Conference Semifinals 2024), dieses Team hatte allerdings auch Rudy Gobert neben ihm. In New York muss die Lösung anders aussehen, vielleicht involviert diese beispielsweise O.G. Anunoby mehr als Helpverteidiger.
Dass es eine geben muss, ist jedoch offenkundig. "Wir müssen auf beiden Seiten des Courts stark sein", knurrte Thibodeau nach der Niederlage gegen die Pacers, als sein Team 40 Punkte im letzten Viertel zuließ. "Wenn wir uns nur auf die Offense verlassen, werden wir kein gutes Team sein." Das ist die simple Realität für Teams mit Ambitionen, wie die Knicks sie haben.
Ein echter Contender hat in der Regel Offensiv- und Defensiv-Ratings mindestens im Top-10-Bereich, nur in extremen Fällen reichte mal eine mittelmäßige Defense, wenn die Offense entsprechend überragend war (Denver belegte 2023 Platz 17 und wurde Meister). Auch bis zum Mittelmaß hätte New York (Platz 22) aber noch einen recht langen Weg vor sich.
Es war erwartbar, dass nach einem so großen Trade so kurz vor Saisonstart nicht sofort alles klicken würde. Entsprechend dürfen die Knicks durchaus auch eine gewisse Geduld für sich beanspruchen, zumal im Osten abgesehen von Cleveland und Boston gerade ohnehin niemand davoneilt.
Die defensiven Herausforderungen jedoch sind real - größer vielleicht, als es die Knicks selbst angenommen haben, als sie eine Wagenladung Draft-Picks für Bridges und Tiefe für Towns wegschickten. Größer in jedem Fall, als es der Boxscore andeutet. Obwohl es an guten Tagen schon richtig gut aussehen kann.
Und obwohl Towns tatsächlich zu den besten Offensivspielern der Liga gezählt werden darf. Das fundamentale Dilemma, dass er vorn als Center ein wandelnder Matchup-Albtraum ist und hinten oft selbst ein Mismatch für die Rolle des Defensiv-Ankers ist, wurde durch den Szenenwechsel nicht von magischer Hand aufgelöst.
Ole Frerks