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Auf diese Spieler lohnt sich ein Blick
Wenn am kommenden Freitag die easyCredit Basketball-Bundesliga mit dem Duell zwischen dem amtierenden Meister Bayern München und Halbfinalist Chemnitz in die neue Saison startet, gilt es für BBL-Fans erneut, sich viele neue Gesichter einzuprägen.
Lediglich sechs der zwanzig besten Punktesammler der Spielzeit 2023/24 blieben der BBL erhalten. Mehrere Kaderplaner wiesen in den vergangenen Monaten darauf hin, dass die BBL in Bezug auf Netto-Spieleretats im Vergleich zu anderen europäischen Topligen in Spanien, Frankreich, Italien und in der Türkei in den jüngsten Jahren an Boden verlor. Abseits von Etat-Krösus Bayern München wechselten nur zwölf Spieler aus den genannten Topligen in diesem Sommer in die BBL.
Eine prominentere Rolle spielten dort die wenigsten Neuzugänge. Der Scouting-Dienst Scoutory (u. a. in Bamberg tätig) zog zuletzt via X dennoch eine positive Bilanz zum BBL-Sommer: "Sehr gespannt auf die kommende easyCredit-BBL-Saison. Trotz finanzieller Nachteile verrichteten viele Teams einen wirklich soliden Job im Scouting und schafften es, eine Menge spannender Spieler nach Deutschland zu holen." Einige Spieler, die der BBL ihren Stempel aufdrücken könnten, sollen an folgender Stelle beleuchtet werden.
Meister Bayern ist der einzige Club, der in diesem Sommer gleich mehrere internationale Hochkaräter an Land ziehen konnte. Der in Deutschland bekannteste Neuzugang ist Weltmeister Johannes Voigtmann. Der spielintelligente und wurfstarke Big Man kehrt nach acht EuroLeague-Saisons für Baskonia, ZSKA Moskau und zuletzt Mailand zurück nach Deutschland. In München trifft er auf seinen Förderer Gordon Herbert. Unter dem Kanadier gelang Voigtmann einst der BBL-Durchbruch. Gemeinsam gewannen sie 2016 mit Frankfurt den FIBA Europe Cup und 2023 mit der DBB-Auswahl die Weltmeisterschaft. Mit Olympia-Teilnehmer Oscar da Silva wechselte ein weiterer deutscher Olympia-Teilnehmer nach München. In den vergangenen beiden Jahren fungierte er für Barcelona vorrangig als Verteidigungsspezialist.
Mit Kevin Yebo kam zudem noch ein hochkarätiger deutscher Big Man. Der 28-Jährige legte einen beeindruckenden Werdegang hin, spielte 2022 noch für Bremerhaven in der zweiten Liga und landete in der abgelaufenen BBL-Saison in Diensten von Chemnitz auf Platz drei bei der MVP-Wahl. Mit seiner Schnelligkeit im Pick-and-Roll und Kompromisslosigkeit im Zug zum Korb (acht Freiwürfe pro Spiel, niemand zog mehr) war er als Center für kaum einen Gegner nachhaltig zu stoppen (16 Punkte in 21 Minuten pro Spiel).
Abzuwarten bleibt, wie sich sein Spiel auf EuroLeague-Level transferieren lässt. Mit offiziell 97 Kilogramm bei 2,07 Meter Körpergröße ist der Senkrechtstarter für EuroLeague-Verhältnisse eher schmal. In Chemnitz profitierte Yebo davon, in der BBL als alleiniger Big Man mit vier Werfern um sich herum auflaufen zu können. Zumindest bringen die anderen Bayern-Big-Men ebenfalls allesamt gewisse Wurfqualitäten mit, um das Spielfeld für Yebos Pick-and-Roll in die Breite zu ziehen.
Ein weiterer prominenter Bayern-Neuzugang ist Shabazz Napier. Von 2014 bis 2020 absolvierte der inzwischen 33-Jährige 354 NBA-Spiele für sechs verschiedene Teams. In der Saison 2022/23 konnte er als Nachverpflichtung Mailand in seinen zwölf Einsätzen (15 Punkte, 46 Prozent Dreierquote) noch einmal ein wenig ins Playoff-Rennen zurückbringen. Die abgelaufene Saison verlief für den US-Guard, der sich primär über sein Scoring definiert, eher kompliziert. Für Crvena Zvezda und Mailand kam er in der EuroLeague auf durchwachsene 10,4 Punkte, 3,3 Assists und 36 Prozent Feldwurfquote.
Den vielleicht prominentesten Transfer außerhalb von München landete ratiopharm ulm. Der Meister von 2023 verpflichtete in Person von Isaiah Roby einen 151-fachen NBA-Spieler. Zwar absolvierte der Power Forward fast alle Partien für Oklahoma und San Antonio in einer Zeit, in der das Gewinnen für diese Franchises nicht im Vordergrund stand; mit 7,7 Punkten, 4,4 Rebounds und 1,4 Assists in 18,9 Minuten über seine NBA-Laufbahn konnte der vielseitige Big Man jedoch durchaus mithalten. In der abgelaufenen Spielzeit war er ausschließlich in der NBA G-League aktiv.
Darüber hinaus brachte der Transfersommer hochkarätige Wechsel innerhalb der BBL mit sich. Mit Justin Jaworski wechselte der zweitbeste Scorer der vergangenen BBL-Spielzeit nach Oldenburg. In nur 13 Partien zeichnete sich der US-Combo-Guard, der zuvor in Neapel durchwachsen spielte (9,3 Punkte, 1,3 Assists), mit 19,5 Punkten hauptverantwortlich für Heidelberg Klassenverbleib. Kurioserweise kam er auf diese Punkteausbeute, obwohl er in seiner Paradisziplin, dem Dreier, schwächelte. Für Heidelberg traf er nur 28 Prozent seiner horrenden 7,9 Dreier. Zuvor waren es in seiner Karriere laut RealGM 40,1 Prozent Trefferquote bei 5,6 Versuchen. In Oldenburg überzeugte Jaworski, der seine Europa-Karriere einst in der zweiten Liga Spaniens begann, in der Vorbereitung mit 22,2 Punkten.
Auch der viertbeste Scorer der Vorsaison bleibt der BBL erhalten. Jhivvan Jackson wechselte von Absteiger Tübingen zu Halbfinalist Würzburg. In einem tiefen Backcourt mit mehreren Scoring-Optionen könnte die Rolle des ebenfalls wurfstarken Combo Guards etwas sinken im Vergleich zu seiner Zeit in Tübingen (18,4 Punkte, 4,7 Assists, 3,1 Turnovers, vier Fouls), wo er der einzige Kreativspieler war und teils recht wild agierte. Allerdings hat Würzburgs Erfolgscoach Sasa Filipovski ein Herz für scorende Spielmacher, denn sein Offensivsystem basiert stark auf dem Attackieren von Mismatches. Im Vorjahr avancierte Otis Livingston unter Filipovski zum BBL-MVP, nachdem der Point Guard zuvor für Crailsheim und Absteiger Bayreuth zwar ordentlich scorte, aber nicht zwingend als Führungsspieler überzeugte.
Potenzial zum Transfercoup hat auch Will Christmas, den es von Hamburg nach Chemnitz zog. Der US-Forward verdiente seine Sporen wie Kevin Yebo einst in der zweitklassigen ProA. Im Sommer 2022 holte Quakenbrück den athletischen All-Rounder auf Empfehlung von Toptrainer Tuomas Iisalo (inzwischen erster Assistenztrainer für Memphis in der NBA) aus Luxemburg in die zweite Liga. Christmas trainierte einst unter Iisalo in Bonn teilweise mit, als er für Kooperationsteam Rhöndorf als Aushilfespieler aktiv war.
In der ProA etablierte sich Christmas sofort zum Topspieler mit seinen Fähigkeiten, von der Position Eins bis zur Vier verteidigen und mit 1,96 m auch als Spielmacher fungieren zu können. In Hamburg knüpfte er mit rund 13 Punkten, 4 Rebounds, 3 Assists sowie einem Steal pro Spiel eine Liga höher daran an. Christmas dürfte mit seiner Vielseitigkeit ein designierter Spieler sein für Chemnitz‘ Coach Rodrigo Pastore, der für seine Switching-Defense traditionell auf große Guards setzt. Abzuwarten bleibt, wie sich Christmas‘ offensive Rolle darstellen wird, denn im Niners-Kader steht mit Combo Guard DeAndre Lansdowne bisweilen lediglich ein weiterer Ballhandler. Als hauptverantwortlicher Point Guard fungierte Christmas in seiner bisherigen Laufbahn nicht.
Der neben Kevin Yebo prominenteste ligainterne Wechsel wurde von Trevion Williams vollzogen. Der ehemalige Ulmer läuft ab sofort für Alba Berlin auf und soll die große Lücke füllen, die der Abgang von Weltmeister Johannes Thiemann (nach Gunma/ Japan) riss. Im vergangenen Juni berichtete das spanische Portal Mundo Deportivo über ein Interesse von EuroLeague-Spitzenteam Barcelona. Daher war der Wechsel des Ulmers Big Mans nach Berlin durchaus ein Paukenschlag. Für Ulm legte der erst 24-Jährige eine überragende Saison hin, landete mit 14,8 Punkten, 10,8 Rebounds und vor allem 4,3 Assists bei noch akzeptablen 3,4 Ballverlusten im All-EuroCup First Team.
Williams verkörpert mit seinem Passspiel auf den Positionen Fünf und Vier einen ziemlich einzigartigen Spielertyp, der das Berliner Spiel in Person von Luke Sikma zumindest in ähnlicher Ausführung bis zum Sommer 2023 prägte. Williams selbst nahm in der Berliner Pressemitteilung Bezug auf diesen Vergleich: "Luke Sikma und Albas Art und Weise, ihn auf dem Spielfeld einzusetzen, haben meine Entscheidungsfindung angeregt." Ein Fragezeichen bleibt allerdings, wie schnell sich der Big Man in der EuroLeague einfinden wird. Traditionell avancieren EuroLeague-Neulinge eher selten direkt zu Top-Leistungsträgern. Zudem offenbarte Williams in Ulm defensiv recht eklatante Mängel.
Über EuroLeague- und BBL-Transfers hinaus gab es weitere spannende Transfers. Wenn Clubs in diesen Zeiten kleine Spielmacher verpflichten, werden eingefleischte BBL-Fans hellhörig: Die letzten drei MVPs waren Point Guards mit maximal 1,80 m Körpergröße. Mit Darius McGhee verpflichteten einen solchen Spieler erneut die Telekom Baskets Bonn, die einst unter Iisalo mit Parker Jackson-Cartwright (2022) und T. J. Shorts (2023) gleich zwei dieser MVPs in ihren Reihen wussten. McGhee ist ebenfalls 1,75 Meter klein, ist aber ein anderer Spielertyp. Bevor der US-Guard zuletzt in der G-League eine kleine Rolle ausfüllte, legte er laut Sports Reference in seinen letzten beiden College-Saisons 23,7 Punkte und 39 Prozent Dreierquote bei horrenden 11,2 Dreierversuchen auf, verbuchte aber nur 3,3 Assists. Es bleibt abzuwarten, ob der Dreierspezialist in der Kreation für Mitspieler stark genug ist, um sich in frühere BBL-Dominatoren auf den Guard-Positionen einzureihen.
Ein weiterer Rookie in Europa ist Joel Scott in Ludwigsburg. Der vielseitige Big Man dominierte in der Vorbereitung mit regelmäßig mindestens 20 Punkten und sieben Rebounds. Wie weitere Ludwigsburger Neuzugänge spielte er an einem starken College, legte für Colorado State im Schnitt 13,1 Punkte und 6,1 Rebounds auf.
Des Weiteren spielen zwei hochtalentierte Akteure in Ulm: Der israelische Spielmacher Ben Saraf (zuletzt Kiryat/ Israel), zuletzt MVP bei der U18-EM, sowie der französische Forward und Big Man Noa Essengue (zuvor vermehrt Ulm 2/ ProB) wurden von der NBA-Plattform Bleacher Report im August für den NBA-Mock-Draft 2025 auf Platz 29 respektive Platz 17 gelistet.
Abseits von Spielern gab es Bewegung auf dem Trainermarkt. Weltmeister-Coach Gordon Herbert heuerte in München an. John Patrick kehrte nach zwei Jahren in Japan zurück nach Ludwigsburg, wo er mit seiner aggressiven Ganzfeldverteidigung in der BBL von 2013 bis 2022 regelmäßig overperformte und am Ende seiner ersten Amtszeit dreimal in Serie mindestens das BBL-Halbfinale erreichte. Dass sein Fokus weiterhin die Defense bleibt, zeigt sich auch darin, dass er mit Justin Simon von EuroCup-Sieger Paris seinen Defensivspezialisten und BBL-Verteidiger des Jahres von 2022 zurückholte. Zudem möchte Ulms Meistertrainer Anton Gavel seine Bamberger, für die er einst als Spieler mehrere Titel holte, nach zwei verpassten Playoff-Teilnahmen wieder in die Erfolgsspur führen.
Auch wenn namhafte Transfers wie Isaiah Roby abseits der EuroLeague-Teilnehmer von Seltenheitswert waren, hielt der BBL-Transfersommer dementsprechend einige spannende Geschichten bereit. Nachdem in zwei der letzten drei Saisons mit Livingston von BBL-Absteiger Bayreuth und Jackson-Cartwright aus der zweiten französischen Liga eher wenig prominente Spieler MVPs wurden, ist die Wahrscheinlichkeit zudem hoch, dass auch einige an dieser Stelle nicht genannte Akteure die BBL bereichern werden.
Lukas Feldhaus