12.03.2025, 15:46
Berlin wechselt den Trainer
Alba Berlin hat sich von Trainer Israel Gonzalez getrennt. Die Entscheidung verwundert nur bedingt, dafür aber der Zeitpunkt der Entlassung des Spaniers.
Man hätte es schon als Zeichen werten können. Nach der dramatischen Niederlage nach Verlängerung in Ulm erschien Israel Gonzalez nicht bei der Pressekonferenz. Ungewöhnlich. Ulms Trainer Ty Harrelson merkte aber schnell an, dass die Berliner dringend ihren Flug erwischen mussten, schließlich dauerte das Spiel etwas länger als erwartet.
War dem wirklich so? Fakt ist, dass Gonzalez drei Tage später von seinen Aufgaben entbunden wurde. Das stolze Alba Berlin ist nur Zwölfter in einer BBL (und Letzter in der EuroLeague), die in dieser Saison vom Niveau her schwächer als noch in den vergangenen Jahren daherkommt. Auf dem Papier zählt der Kader der Berliner weiterhin zu den besten der Liga, doch zu selten bringt Alba die PS auch auf die Straße.
Dafür gibt es Gründe, die seit der Hochzeit der Krise Ende des Jahres hoch und runter gebetet wurden. Die extreme Doppelbelastung mit der EuroLeague, das unfassbare Verletzungspech in den ersten Monaten, die daraus resultierenden fehlenden Automatismen und, und, und.
Geschäftsführer Marco Baldi und Sportdirektor Himar Ojeda stellten sich in dieser Zeit immer wieder schützend vor ihren Trainer und bescheinigten diesem gute Arbeit in dieser schwierigen Situation, als Alba zeitweise Vorletzter in einer Liga war, in der der Letzte (Göttingen) fast bis zum Jahresende auf den ersten Sieg warten musste. Vor dem Spiel gegen die Bayern sprach Baldi sogar noch von einer möglichen Vertragsverlängerung. Merkwürdig.
Ähnlich merkwürdig dann auch ein Interview von Gonzalez mit der Sport Bild, als der Spanier zugab, dass er nach einigen Niederlagen mit einer Entlassung gerechnet habe. Viele Dinge waren von außen nicht logisch, gleiches galt für die Verpflichtung von Pedro Calles (41) für den Trainerstab. Jeder fragte sich, warum Alba einen Coach mit sechs Jahren BBL-Cheftrainer-Erfahrung als Assistenz-Trainer holte, wenn denn nicht als Gonzalez-Nachfolger?
Und genau so kommt es nun auch. "Angesichts der ausbleibenden sportlichen Entwicklung sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass wir in dieser Konstellation nicht das Beste aus unseren Möglichkeiten machen und wir neue Impulse setzen müssen, um unsere ambitionierten Ziele erreichen zu können", wird Ojeda im Statement des Vereins zitiert. Calles soll es also besser machen.
Der Berliner Mannschaft fehlt anno 2025 eine Identität, eine klare Rollenverteilung und entsprechend Konstanz. In der BBL begegnete man den Bayern zweimal auf Augenhöhe, verlor aber auch Spiele zuhause gegen Rostock oder in Oldenburg. Auch die Siege der Vorwochen waren wenig glanzvoll, aber immerhin wurden die Spiele gewonnen und das war im Kampf um die Playoffs und um eine noch annehmbare Ausgangsposition die Hauptsache.
Damit wächst gleichzeitig der Druck auf die Verantwortlichen, die diese Mannschaft zusammengestellt haben. Wie gut ist der Kader wirklich? Passt er zusammen? Nicht wenige verneinen dies. Kapitän Johannes Thiemann und Topscorer Sterling Brown konnten nie adäquat ersetzt werden, der einzige prominente Neuzugang, Trevion Williams, machte schon nach wenigen Monaten die Biege und unterschrieb in Tel Aviv. Immerhin ist Nachverpflichtung David McCormack ein Lichtblick.
Der Weg in die Playoffs ist alles andere als unmöglich. Chemnitz auf Rang fünf hat nur zwei Siege mehr auf dem Konto, dazu fehlt eine klare Nummer zwei in der Liga hinter den Bayern (am ehesten ist das noch Ulm). Auch im Vorjahr lief Alba der Musik lange hinterher, bevor man sich am Ende doch noch in die Finals kämpfte und dort den Bayern durchaus Paroli bot. Gleiches ist auch in dieser Saison nicht ausgeschlossen.
Die vergangenen Playoffs blendeten womöglich auch ein wenig. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren hatte Ojeda bei Neuverpflichtungen nicht das beste Händchen, die besten deutschen Spieler spielen inzwischen fast alle in München. Das war in der Vergangenheit mal anders. Calles darf nun beweisen, dass in diesem Kader tatsächlich mehr steckt als es die Leistungen in dieser Saison vermuten lassen.
Alba hat damit seine letzte Patrone abgefeuert, in einem Moment, in dem die wenigsten damit rechneten. Ob es richtig war, wird die Zeit zeigen. Ungewöhnlich war es aber allemal, auch weil es vor zwei Wochen mit der Länderspielpause einen deutlich besseren Zeitpunkt gegeben hätte.
Robert Arndt