30.07.2024, 09:00
Vier Ex-Ulmer im Aufgebot der Südamerikaner
Am Dienstag trifft Deutschland im zweiten Gruppenspiel auf Brasilien. Die Südamerikaner greifen dabei auf einen ganzen Block zurück, der in den letzten Jahren in Ulm aktiv war. Thorsten Leibenath, Sportdirektor von ratiopharm Ulm, erklärt basketball-world.news, warum in der Donaustadt immer wieder Brasilianer im Kader standen.
Im Fußball gehörte es viele Jahre fast schon zum guten Ton, dass gefühlt jedes Team einen Brasilianer in seiner Mannschaft hatte. Doch in der BBL? Eher weniger, meist werden die sechs verfügbaren Ausländer-Spots für US-Amerikaner verwendet. Ulm ging dagegen einen etwas anderen Weg. Mit Cristiano Felicio, Yago dos Santos, Bruno Caboclo und Georginho de Paula standen in den vergangenen drei Jahren gleich vier Brasilianer unter Vertrag, sie alle sind auch im Olympia-Kader.
Mit Center Marcio Santos wurde die "Blutlinie" für die kommende Saison auch gleich weitergeführt. "Ich würde da gerne eine beeindruckende Geschichte dazu erzählen, aber die gibt es nicht", beteuert Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath im Gespräch mit basketball-world.news. "Vor drei Jahren hat mich ein Agent angerufen und mir einen Spieler angeboten."
Jener Spieler war Cristiano Felicio, der in sechs Jahren bei die Chicago Bulls rund 40 Millionen Dollar eingestrichen hatte, aber kaum noch spielte. "Wir haben uns ernsthaft gefragt, warum der bei uns spielen wollen würde", erinnert sich Leibenath, der auch anmerkte, dass man im Camp der Donaustädter selbst skeptisch war und den Haken an der Sache suchte. "Oft ist es so, dass ehemalige NBA-Spieler eine Verletzung hatten oder andere Probleme mit sich herumschleppen. Dem war bei Felicio aber nicht so."
Stattdessen spielte der Center eine gute Saison und wurde mit einem gut dotierten Vertrag in der spanischen ACB belohnt. Und auch Ulm profitierte, denn im Sommer klopfte wieder die gleiche Agentur an, diesmal wurde Yago dos Santos angeboten, der zwölf Monate später zum Finals-MVP der BBL gekürt werden sollte.
Auch Caboclo wurde mit Ulm 2023 Meister, er stieß während der Saison zum Team, nachdem es die Donaustädter bei ihm über zwei Jahre bei ihm versucht hatten. Doch aufgrund der guten Erfahrungen mit Felicio und Dos Santos klappte es dann endlich. "Es hat sich dann herumgesprochen, dass Ulm ein guter Ausgangspunkt für eine Karriere in Europa sein kann", so Leibenath.
Dos Santos wechselte nach einem Jahr zu Crvena Zvezda, Caboclo zu Partizan, für beide war Ulm das erhoffte Sprungbrett. "Es ist wichtig, dass wir als Organisation sehr offen und emphatisch sind", erklärt Leibenath. "Wir wollen unsere Kultur nicht mit dem Vorschlaghammer aufdrücken und für Coaches kann das anspruchsvoller sein, aber mittelfristig ist es etwas Positives, wenn Kulturkreise miteinander verschmelzen.“
In Ulm sind es inzwischen auch nicht nur Brasilianer, im Vorjahr nahm man in L.J. Figeruoa erstmals einen Spieler aus der Dominikanischen Republik unter Vertrag, in der kommenden Saison ist es dazu noch in Alfonso Plummer ein Nationalspieler Puerto Ricos. "Auf diesen Markt schauen natürlich auch andere Vereine", betont Leibenath, "wir haben aber den Vorteil, dass wir positive Referenzen haben."
Die Bilanz lautet nun fünf Brasilianer in drei Jahren in Ulm, sodass man auch Bundestrainer Gordon Herbert nicht ganz glauben mag, als dieser nach dem Japan-Spiel angab, "nichts" über den nächsten Gegner Brasilien zu wissen. Zumindest Felicio, Caboclo, Dos Santos und De Paula sollte der Kanadier kennen, sie alle sind Stützen dieser Nationalmannschaft, die sich im Auftaktspiel gegen Gastgeber Frankreich teuer verkaufte und erst in der zweiten Halbzeit etwas den Faden verlor.
"Das ist eine sehr eingespielte und spielstarke Mannschaft", meint auch Leibenath, der vor allem den Umstand hervorhob, dass die Südamerikaner in der Qualifikation in Lettland den Gastgeber dominierten. "Sie werden auch gegen Deutschland nicht chancenlos sein", ist sich der Ulmer Sportdirektor sicher.
Und dass die Brasilianer ein echter Favoritenschreck sein können, bewiesen sie nicht zuletzt bei der WM im Vorjahr, als man in der Zwischenrunde den späteren WM-Dritten Kanada schockte. Brasilien mag es an großen Namen oder NBA-Spielern mangeln, doch im Kollektiv kann diese Mannschaft mit ihren vielen Schützen und smarten Spielern sehr unangenehm sein. In Ulm weiß man das sowieso.
Robert Arndt