17.09.2024, 07:44
TV-Experte im Interview vor BBL-Start
Alex Vogel ist als Kommentator und Experte bei diversen TV-Übertragungen präsent. Sein eigentlicher Job ist aber die sportliche Leitung bei den MLP Academics Heidelberg. Im Interview mit basketball-world.news spricht Vogel über die schwere Vorsaison und was im Hinblick auf die neue Spielzeit Mut macht.
Dazu gibt der 33-Jährige seine Einschätzung zum neuen Bundestrainer Alex Mumbru und verrät, welchem Youngster er in der Zukunft den Sprung in die Nationalmannschaft zutraut.
Herr Vogel, im Vorjahr brauchte es eine Aufholjagd, um den Abstieg zu vermeiden. Wie froh sind Sie, dass nun wieder alles bei Null losgeht?
Alex Vogel: Sehr froh. Die letzte Saison war wirklich schwierig. Wir hatten von Anfang an viele Probleme und das hat sich so ein bisschen durch die ersten zwei Drittel der Saison gezogen. Wir hatten Probleme auf der Eins, wir hatten Probleme in der Verteidigung, wir haben den Dreier nicht getroffen. Erst nach der Länderspielpause haben wir Rhythmus bekommen und dann ein sehr ordentliches letztes Saisondrittel mit fünf Siegen aus den letzten sechs Heimspielen gehabt. Da haben wir dann auch die Bayern geschlagen und in Hamburg gewonnen.
Wie erklären Sie sich das?
Vogel: Die Nachverpflichtungen von Justin Jaworski und Elijah Childs haben eine große Rolle gespielt, gleiches gilt für Coach Ingo Freyer. So konnten wir die Saison noch mit einem Happy End abschließen, auch wenn Platz 16 nicht ruhmreich war.
Für Freyer ging es nach der Saison dennoch nicht weiter. Warum?
Vogel: Wir als Klub haben schon vor einigen Jahren einen Weg mit einer bestimmten Philosophie eingeschlagen und dazu muss dann auch der Coach passen. Ingo Freyer hat große Qualitäten, trotzdem war Danny Jansson von Anfang an unsere Wunschlösung. Er ist ein Trainer, der sich noch entwickelt und damit sehr gut zum Status Quo des Klubs passt. Noch ist nicht alles perfekt, aber es entwickelt sich vieles in eine gute Richtung. Jansson lässt einen sehr attraktiven Basketball spielen, den wir schon über die letzten Jahre in Tübingen sehr ansprechend gefunden haben. Er ist dafür bekannt, junge Spieler mit Potenzial entwickeln zu können. Das passt zu unserem Standort. Wir müssen aus finanziellen Gründen auf Spieler zurückgreifen, die noch entwickelt werden müssen. Danny passt da herausragend zu uns. Wir müssen Ingo Freyer aber sehr dankbar sein, dass wir weiter in der BBL vertreten sind.
Welche Folgen hätte denn ein Abstieg für den Standort Heidelberg gehabt?
Vogel: Der Profibasketball wäre nicht in Gefahr gewesen. Es wäre sofort alles unternommen worden, um direkt wieder in die BBL zurückzukehren. Es steigen immer zwei Teams ab, das muss man einkalkulieren und sich auf solche Rückschläge vorbereiten.Der Verein hat in den letzten Jahren eine positive Gesamtentwicklung genommen, die es einfacher macht, mit solchen Situationen umzugehen.
Was stimmt Sie optimistisch, dass die kommende Saison besser wird?
Vogel: Der Klassenerhalt ist weiterhin keine Selbstverständlichkeit, das war es auch nicht, als wir im zweiten BBL-Jahr fast die Play-offs erreicht hätten. Ich glaube, das haben die meisten Leute rund um den Heidelberger Basketball verstanden. Nichtsdestotrotz sind wir optimistisch, weil wir im Vorjahr viel Pech hatten, wichtige Würfe am Ende nicht gefallen sind und wir viele Verletzungen hatten.Ich denke dass wir darüber hinaus aus den Fehlern die richtigen Lehren gezogen haben"
Welche Lehren sind das?
Vogel: Da geht es vor allem um den Kader. Was wurden für Spieler verpflichtet? Wie gut passen die Spieler zu dem entsprechenden Trainer? Und da haben wir, glaube ich, im Sommer aus jetziger Sicht einen soliden Job gemacht. Ich hoffe, dass ich das auch in einigen Monaten noch sagen werde.
Nach was für Typen von Spielern haben Sie gesucht?
Vogel: Ein großes Problem war, dass wir schwach in der Verteidigung waren. Dazu wollten wir insgesamt athletischer, länger und jünger werden. Wir waren keine Mannschaft, wir waren kein Team. Wir hatten zwar von Anfang an viele starke individuelle Spieler, aber haben es nie geschafft, aus diesen individuell starken Spielern, ein Team zu formen, das füreinander da ist und füreinander kämpft. Wir haben den Fokus auf Spieler mit einem starken Charakter gelegt, die auch zueinander passen und auf dem Feld eine große Rolle haben. Akeem Vargas war ein super Leader und Kapitän, der letztes Jahr in meinen Augen einen guten Job gemacht hat, aber er stand nicht immer, wenn es darauf ankam, auf dem Feld. In der neuen Saison soll das unser neuer Kapitän Ryan Mikesell sein.
Eine andere interessante Neuverpflichtung ist D.J. Horne, der die kleine Uni NC State ins Final Four geführt hat. Für Heidelberg dürfte das ein kleiner Coup sein.
Vogel: Wir waren geduldig und wollten wirklich den Spieler haben, weil er sehr gut zu uns passt. Das ist ein weiterer junger Spieler mit viel Qualität. Nichtsdestotrotz muss man auch aufpassen, was die Erwartungshaltung angeht. Das ist noch immer ein Rookie, der noch nie FIBA-Basketball gespielt hat. Von daher wird auch das sicherlich etwas Zeit in Anspruch nehmen.
Saison | Platzierung | Bilanz | |
---|---|---|---|
2021/22 | 15. | 11-23 | |
2022/23 | 12. | 15-19 | |
2023/24 | 16. | 9-25 |
Nur mit jungen Spielern wird es vermutlich aber nicht funktionieren.
Vogel: Das ist so nicht ganz richtig. Wir haben schon den ein oder anderen erfahrenen Spieler im Kader. Wie viele Spieler sind denn aus Spanien, Frankreich oder Italien in die BBL gewechselt? Fast niemand. Wir konnten dafür einen Mikesell aus Frankreich holen. Das zeigt gut, dass wir ein attraktiver Standort sind. Die Balance ist wichtig, aber vielleicht schaffen wir es in der Zukunft ein, zwei erfahrene Spieler mehr an uns zu binden. Trotzdem wird es mit einem Trainer wie Danny Jansson immer so sein, dass wir Spieler mit Potenzial holen wollen. Das ist unser Weg.
Wo soll dieser Weg hinführen?
Vogel: Langfristig wollen wir nicht Jahr für Jahr um die Klasse kämpfen. Wir wollen Stabilität in allen Bereichen, das heißt sportlich und finanziell. Wir möchten ein Team sein, das konstant um die Play-offs mitspielen kann. Das ist ein Prozess und dazu möchte ich auch unsere Jugendarbeit erwähnen. Es geht nicht nur um die erste Mannschaft, sondern um das Gesamtkonstrukt, welches wir entwickeln möchten. Dazu gehört auch die Jugend und hier machen wir Fortschritte. Wir haben mit Dominic Vengert einen U-18-Nationalspieler im Kader, das soll kein Einzelfall bleiben.
Neben Ihrer Tätigkeit als sportlicher Leiter sind Sie auch regelmäßig als TV-Experte für die NBA, EuroLeague oder das DBB-Team im Einsatz. Reicht ein Vollzeit-Job nicht?
Vogel: Ich kann jedem garantieren - und jeder, der mit mir arbeitet, wird das bestätigen können -, dass ich nicht 100 Prozent arbeite, sondern 110 Prozent arbeite. Bei mir geht es den ganzen Tag nur um Basketball und ich glaube auch, dass ich mehr arbeiten kann und stressresistenter bin als andere. Keiner der Jobs leidet darunter, es muss aber auch Spaß machen und das ist derzeit der Fall. Ich habe eher das Gefühl, dass sowohl der eine als auch der andere Job sogar davon profitiert, weil es sich gut ergänzt. Ich kann so mein Netzwerk erweitern und lerne das Geschäft von verschiedenen Seiten kennen.
Dann mal die Frage an den Experten: Was halten Sie von der Verpflichtung von Alex Mumbru als Nachfolger von Gordon Herbert?
Vogel: Ich finde das sehr interessant. 2022/23 war Valencia mit ihm noch eher ein Offensiv-Team, dann haben sie deutlich mehr Athletik dazu bekommen und waren in der Defense deutlich besser dank einiger smarter Transfers. Über die ersten Monate war Valencia eines der Überraschungsteams und ich finde Mumbru eine sehr interessante Wahl, mit der wohl niemand gerechnet hat. Er lässt gepflegten Offensiv-Basketball spielen. Wie das jetzt zur Nationalmannschaft passt, wird sich zeigen. Das ist auch immer eine Frage der Alternativen für den DBB. Er stand zur Verfügung, hat bereits auf dem höchsten Level gecoacht und war ohne einen Vereinsjob. Das war Voraussetzung für den DBB.
Ist es nicht ein bisschen auch ein undankbarer Job?
Vogel: Er tritt ein schweres Erbe an. Gordon Herbert hat über drei Jahre einen exzellenten Job gemacht, eine Einheit geformt und den deutschen Basketball dorthin gebracht, wo er noch nie zuvor war. Deswegen ist es wichtig, dass man Mumbru Zeit gibt.
Der Weltmeistertitel, dazu zwei weitere Halbfinals. Der deutsche Basketball ist beinahe verwöhnt. Wie kann das jetzt weitergehen?
Vogel: Der deutsche Basketball ist in sehr guten Händen. Es ist bestimmt so, dass in den nächsten Jahren - ob das dann jetzt sofort ist oder ob das dann vielleicht in ein, zwei Jahren ist - der ein oder andere Spieler wegbrechen wird oder gewisse Spieler mal einen Sommer aussetzen. Das war die große Stärke, dass es einen Kern gab, der sich der Sache voll verschrieben hatte und jeden Sommer da war. Es wird wichtig sein, dass dies mittelfristig wieder der Fall ist. Es wirkt aber so, dass diese Mannschaft gewachsen ist und alle Bock auf die Nationalmannschaft haben. Trotzdem sollte allen klar sein: Ein Halbfinale ist keine Selbstverständlichkeit. Es wird auch Turniere geben, wo es mal nicht so läuft.
Wen haben Sie auf dem Zettel, wer in der Zukunft dazustoßen könnte?
Vogel: Isaiah Hartenstein hat sicherlich Interesse, Tristan da Silva wurde kürzlich von den Orlando Magic gedraftet, den ich spannend finde. Dazu kommen die U-18-Europameister wie Jack Kayil, Chris Anderson, Hannes Steinbach, der jetzt in Würzburg für die erste Mannschaft eingeplant ist, oder auch ein Eric Reibe, der bei dem Turnier gar nicht dabei war. Wir haben wirklich Topspieler, die nachkommen. Der deutsche Basketball ist auch deswegen für mich in guten Händen.
Interview: Robert Arndt