09.10.2024, 09:47
Phoenix Suns vor Schicksalsjahr
Die Phoenix Suns stolperten 2024 über ihre eigenen Ambitionen und machten sich nicht zuletzt durch einige abenteuerliche Aussagen von Besitzer Mat Ishbia zum Gespött. In der Offseason ging eigentlich nicht viel - gemessen daran hat sich in Arizona jedoch einiges getan. Was ist nun vom vermeintlichen Superteam zu erwarten?
Einigen wir uns zu Beginn darauf, dass die Suns in ein paar Jahren in einer ziemlich kniffligen Situation sein werden. Für 26/27 etwa stehen Stand jetzt nur vier Spieler unter Vertrag, die gemeinsam rund 150 Millionen Dollar an Cap-Space verschlucken werden - Kevin Durant ist keiner davon. Falls er in der 26/27er Saison noch da ist, wäre er bei Saisonstart 38 Jahre alt.
Vielleicht wäre dann Zeit für einen Neuaufbau, nur ist dieser für Phoenix eigentlich keine Option. Bis 2031 wird das Team nie den eigenen Erstrundenpick ziehen. Vielleicht ändert sich das, sollte das Team irgendwann gewillt sein, sich von Durant oder, das würde noch mehr verändern, Devin Booker zu trennen. So oder so drohen den Suns recht bald ziemlich turbulente Zeiten.
Das ist die logische Konsequenz der Aggressivität, mit der Phoenix seit der Übernahme durch Mat Ishbia im Dezember 2022 handelt - selten war ein Team so All-In, so tief im Nach-Mir-Die-Sintflut-Modus. Die heutige Frage lautet jedoch nicht, wie der Phönix eines Tages wieder aus der durch den Aktionismus verursachten Asche aufsteigen kann.
Vielmehr geht es heute darum, was bis dahin passiert. Können die Suns nach anderthalb enttäuschenden Ishbia-Jahren wenigstens einmal ein richtiger Contender sein, bevor die Flammen alles verschlucken? Tatsächlich gibt es zumindest ein paar Gründe zur Hoffnung, dass das Potenzial des Teams vor der neuen Saison ein wenig unterschätzt wird.
Eigentlich hatten die Suns - aufgrund der Situation mit ihren Draft-Picks und finanziellen Verpflichtungen (24/25 und 25/26 werden sie ein Second-Apron-Team sein) - kaum Spielraum, um in der Offseason irgendetwas an ihrem unvollständigen Kader zu verändern. Gemessen daran verdienten sie sich über den Sommer jedoch ansatzweise Bestnoten.
Die wichtigsten eigenen Free Agents wie Royce O’Neale (4 Jahre, 42 Millionen Dollar) oder Josh Okogie (2 Jahre, 16 Mio.) wurden gehalten, mit Gehältern, die im Bedarfsfall auch in Trades eingesetzt werden könnten. Im Draft wurde für Nr.28-Pick Ryan Dunn und Nr.40-Pick Oso Ighodaro getradet, um zumindest etwas junges Talent in das relativ alte Team zu bringen.
Vor allem aber schlugen die Suns erfolgreich auf der Free-Agency-Resterampe zu und schafften es tatsächlich, einige ihrer Schwachstellen zu adressieren. Jeweils zum Minimum kamen Mason Plumlee, eine dringend nötige Center-Alternative, sowie Monte Morris und der große Preis, der kommende Saison zu den unterbezahltesten Akteuren der Liga zählen wird: Tyus Jones.
Spieler | Position | 24/25 | 25/26 | 26/27 | 27/28 | 28/29 |
---|---|---|---|---|---|---|
Kevin Durant | Forward | 51,2 | 54,7 | UFA | - | - |
Bradley Beal | Guard | 50,2 | 53,7 | 57,1* | UFA | - |
Devin Booker | Guard | 49,2 | 53,1 | 57,1 | 61,0 | UFA |
Jusuf Nurkic | Center | 18,1 | 19,4 | UFA | - | - |
Grayson Allen | Guard | 15,6 | 16,9 | 18,1 | 19,4* | UFA |
Royce O‘Neale | Forward | 9,9 | 10,6 | 11,4 | 12,1 | UFA |
Josh Okogie | Forward | 8,3 | 7,8*** | UFA | - | - |
Ryan Dunn | Forward | 2,5 | 2,7 | 2,8** | 5,0** | RFA |
Mason Plumlee | Center | 2,1 | UFA | - | - | - |
Tyus Jones | Guard | 2,1 | UFA | - | - | - |
Damion Lee | Guard | 2,1 | UFA | - | - | - |
Monte Morris | Guard | 2,1 | UFA | - | - | - |
Bol Bol | Forward | 2,1 | UFA | - | - | - |
Oso Ighodaro | Center | 1,2 | 2,0 | 2,3*** | 2,5** | RFA |
Jones ist vielleicht das größte Opfer der neuen finanziellen Realität in der NBA - vergangene Saison verdiente er noch (faire) 14 Mio. und spielte in Washington das statistisch beste Jahr seiner Karriere. Nur gab es keinen Markt und er wird in Phoenix bloß 2,1 Mio. verdienen. Im nächsten Jahr kann er einen neuen Anlauf starten und sollte für die Suns dann nicht mehr zu halten sein, bis dahin ist der Point Guard dennoch so etwas wie ein Hauptgewinn.
Phoenix war in der vergangenen Saison ohne echten Point Guard ein enorm turnover-anfälliges Team - Jones spielte 23/24 die beste Saison seit Datenerhebung (1977) in Sachen Assist-Turnover-Rate (7,35 Assists pro Turnover). Er hat die Liga fünf Jahre in Folge in dieser Kategorie angeführt. Unterm Strich ist er vielleicht sogar etwas zu risiko-avers, das sollte in diesem Team mit so viel Firepower und bisher so wenig guten Passern aber nicht negativ auffallen.
Jones ist der klassische Playmaker, welchen die Suns gerade am Ende von Spielen vermissten (kein ambitioniertes Team war im vierten Viertel schlechter). Er ist auch selbst ein fähiger Schütze, der Platz für die Star-Wings kreieren kann (vergangene Saison: 41,4% Dreier). Es ist damit zu rechnen, dass er starten wird und dem Team eine neue Art von Struktur verleihen kann.
Nicht, dass seine Ankunft ausschließlich (oder alle) Probleme lösen würde. Ein ohnehin recht kleines, schmächtiges Team wird durch den 1,85m-Mann kleiner und schmächtiger - der Defense, die vergangene Saison einen überraschend respektablen 13. Platz erreichte, dürfte seine Anwesenheit eher schaden.
Ersetzt er Grayson Allen in der Starting Five, fliegt dadurch zudem der beste Dreierschütze der vergangenen Saison raus (46,1%) - schließlich ist ja nicht damit zu rechnen, dass Phoenix ein Mitglied der "Big Three" von der Bank bringt, selbst wenn das bei Bradley Beal sportlich vielleicht keine schlechte Idee wäre.
Allen wird trotzdem viel Zeit neben den drei Stars auf dem Court stehen, wichtig wird aber wohl auch sein, dass die Stars selbst ihr Dreiervolumen ein wenig nach oben schrauben, um das offensive Potenzial zu entfachen. Vor der 23/24er Saison dachten viele, Phoenix würde das beste Offensiv-Rating der Liga-Geschichte auflegen - dafür war jedoch die Dreierrate schlichtweg zu niedrig. Die Suns erreichten Platz neun.
Jones - und der neue Head Coach Mike Budenholzer, der Frank Vogel ersetzte - kann dazu beitragen, dass Phoenix in dieser Hinsicht besser aussehen wird. Er kann auch dabei helfen, kreative Last von insbesondere Booker und Beal zu nehmen, damit diese mehr Energie für die Defense übrig haben. Auf andere, strukturelle Probleme indes hat er keinen Einfluss.
Phoenix erreichte 23/24 nie Kontinuität, obwohl Durant (75) und Booker (68) für ihre Verhältnisse normal viele (Booker) respektive SEHR viele Spiele (Durant) absolvieren konnten. Bei Beal (53) war das anders, sodass die drei Stars insgesamt bloß 41 gemeinsame Spiele machten. Nüchtern betrachtet ist das angesichts der kollektiven Verletztenhistorie aber wohl kein Ausreißer.
Ishbia hofft natürlich trotzdem etwas anderes. "Wir haben dieses Team nicht für einen einjährigen Versuch zusammengestellt. Wir haben es zusammengestellt, weil wir diese drei Jungs lieben", erklärte der Besitzer im Zuge der Summer League. Fairerweise sind den Suns ohnehin die Hände gebunden: Der zweifellos entbehrlichste Star Beal verdient über die nächsten drei Jahren noch 160 Mio. Dollar und hat obendrein eine absurde No-Trade-Klausel.
Auch auf der Center-Position ist Phoenix an eine Lösung gebunden, die nicht ideal, aber mehr oder weniger alternativlos ist. Jusuf Nurkic ist ein guter Passer und Rebounder, als Verteidiger (oder Finisher) aber eigentlich nicht beweglich genug, um ein Team mit diesem Flügelpersonal zu verankern.
Vergangene Saison führte das zu (zu) viel defensiver Verantwortung für Durant, den einzigen anderen richtig großen Spieler der Kernrotation … was diesen in den Playoffs einholte, als er beim Sweep gegen die Timberwolves nie ein Spiel so richtig übernehmen konnte. Viel größer ist der Kader nun aber eigentlich auch nicht. Es wird spannend zu sehen, wie Budenholzer, der vor allem defensiv einen exzellenten Ruf hat, dieses Thema und insbesondere Durants Arbeitslast managen wird.
Einfach wird das nicht - weshalb Ishbias Behauptung aus dem Mai, 26 von 29 GMs der anderen Teams würden ihre Teams gegen das der Suns sofort tauschen, natürlich blödsinnig war. Komplett abzuschreiben ist die Vorstellung aber nicht, dass Phoenix in der kommenden Saison irgendwo in den oberen Rängen des Westens zu finden sein wird.
Die vergangene Saison lief alles andere als optimal - am Ende waren die Suns trotzdem bloß zwei Siege vom Heimvorteil in Runde eins entfernt. Wenn Beal, Booker und Durant gemeinsam auf dem Court standen, betrug das Net-Rating immerhin +6,6, ohne den Strippenzieher, der Jones nun sein könnte. Und trotz der Probleme von Beal, der im neuen Umfeld nie so richtig Fuß fand und seine niedrigste Punktzahl seit 2016 (18,2 pro Spiel) verzeichnete.
KD und Booker haben unlängst bei Team USA gezeigt, dass sie noch immer Top-15-Spieler in der Liga sind, mindestens. Ihr Fit ist nicht perfekt, weil sie sich in mancher Hinsicht zu sehr ähneln, ein gutes Fundament können diese zwei Stars trotzdem bilden. Ihr Supporting Cast ist nicht ideal, aber wohl besser als im Vorjahr. Nicht jeder potenzielle Playoff-Gegner wäre ihnen körperlich so überlegen, wie es die Wolves 2024 waren.
Klingt das alles ein wenig nach dem berüchtigten Greifen nach Strohhalmen? Mit Sicherheit - aber etwas Anderes bleibt den Suns aktuell sowieso nicht übrig. In diesem Fall sind es wenigstens solide Strohhalme. Die Zukunft bekommen die Suns bis auf Weiteres nicht zurück, aber vielleicht lässt sich ja zumindest noch etwas Zählbares aus der Gegenwart herausholen.
Ole Frerks