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Center überraschend wieder nominiert
Wenn Bundestrainer Alex Mumbrú am kommenden Freitag, 22. November (ab 18:15 Uhr live und kostenlos bei MagentaSport), beim Länderspiel in Schweden sein Debüt feiert, steht ein 35-Jähriger nach mehr als acht Jahren Abstinenz vor seinem Comeback im Nationaldress. Dieses trug Tibor Pleiß zuletzt am 7. September 2016. In der Zwischenzeit gewann der 2,18-m-Hüne zweimal die EuroLeague. Die Gründe für seine lange Abwesenheit sind nicht sportlicher Natur und teilweise undurchsichtig.
Es war der Spätsommer 2016, als das von Chris Fleming trainierte DBB-Team in einer vermeintlich machbaren Gruppe mit Dänemark, Österreich und den Niederlanden vor dem Aus stand in der später am letzten Spieltag doch noch erfolgreichen EM-Qualifikation. Die Nationalmannschaft befand sich in einem Umbruch. Dirk Nowitzki beendete im Sommer 2015 seine DBB-Karriere. Dennis Schröder spielte bereits in der NBA, fehlte jedoch in jenem Sommer. Bei Tibor Pleiß‘ bislang letztem Länderspiel, einer 71:75-Niederlage gegen die Niederlande, standen mit Maodo Lô, Daniel Theis, Johannes Voigtmann und Niels Giffey bereits vier Weltmeister von 2023 auf dem Parkett. Das Team war jedoch noch sehr unerfahren.
Mit 27 Jahren war Tibor Pleiß zusammen mit Robin Benzing und Bastian Doreth der älteste Spieler und aus einer NBA-Saison mit immerhin zwölf Einsätzen für Utah kommend der etablierteste Akteur. Mit 105 Länderspielen rangiert Pleiß sogar bis heute auf Rang 35 unter den Spielern mit den meisten DBB-Partien. Von noch aktiven Basketballern verbuchten nur besagte Benzing, Voigtmann, Giffey und Lô mehr Länderspiele. Mit Legende Dirk Nowitzki spielte er sogar noch bei zwei Europameisterschaften zusammen - unter anderem bei der EM-Vorrunde 2015, Nowitzkis Abschiedsturnier für den DBB.
Doch Pleiß spielte 2016 eine unglückliche Qualifikation. In drei Spielen kam er auf 6,3 Punkte, 4,3 Rebounds und eine Zweierquote von nur 33 Prozent. Nach dem Tiefpunkt gegen die Niederlande, bei dem auch Pleiß mit zwei Punkten und vier Feldwurfversuchen ohne Treffer einen rabenschwarzen Tag erwischte, verließ der Center die Mannschaft abrupt. Der Deutsche Basketball-Bund (DBB) kommunizierte am 8. September 2016 über eine Pressemitteilung, dass Pleiß "offene Trainingscamps von NBA-Klubs" wahrnehmen werde, nachdem er kurz vorher aus seinem Vertrag mit den Philadelphia 76ers entlassen wurde.
Armin Andres, damals wie heute Vizepräsident des DBB, zeigte sich in der Pressemitteilung enttäuscht, wenngleich nicht überrumpelt von Pleiß‘ Abgang: "Wir bedauern es sehr, dass Tibor der Mannschaft in einer schwierigen Situation nicht mehr zur Verfügung steht, aber wir wussten, dass eine solche Situation eintreten kann." Schon vier Tage später, am 12. September, wurde Pleiß‘ neuer Club bekannt. Doch es wurde kein NBA-Team, sondern Galatasaray Istanbul.
Anschließend platzte Chris Fleming, zu Bamberger Zeiten ein großer Förderer von Pleiß, der Kragen. Gegenüber dem SID sprach er von "einer großen menschlichen Enttäuschung" und zynisch davon, dass der frühere Kölner das Nationalteam verließ, damit er in "Istanbul seinen NBA-Traum verwirklichen" könne. "In dem Moment, als er es mir gesagt hat, war es für mich vorbei", bekräftigte Fleming. Mit Blick auf die EM 2017 sagte der heutige Assistenztrainer der Portland Trail Blazers zudem: "Ich würde mich schwertun, einen Spieler zurückzuholen, der die Mannschaft so verlassen hat."
Wenige Wochen später entkräftigte Fleming gegenüber Focus Online seine Aussagen etwas: "Ich bin nach wie vor nicht einverstanden mit dem, was er damals gemacht hat. Aber jetzt beginnt die neue Saison, es ist noch viel Zeit bis zur EM. Es kann auch sein, dass sich meine Meinung ändert." Doch zu einer Rückkehr kam es nicht. Auch unter Flemings Assistenztrainer Henrik Rödl, der nach der EM 2017 Flemings Amt bis 2021 übernahm, blieb eine Nominierung des wurfstarken Centers aus.
In den vergangenen acht Jahren folgten zur Personale Pleiß kaum Aussagen von Verbandsseite. Im November 2021 wurde der damals amtierende EuroLeague-Sieger erstmals wieder nominiert. Der Center war Teil des 20-köpfigen ersten DBB-Kaders von Gordon Herbert. Zu einem Comeback kam es letztlich aber nicht. "Tibor Pleiß ist nun doch raus, sein Team lässt das nicht zu", sagte Herbert in einem Interview mit basketball.de.
Vor der EM 2022 sollte Pleiß erneut für das Nationalteam nominiert werden. Wieder kam es aber nicht zum Comeback. Der Big Man sagte im Sommer 2022 im Podcast Talkin‘ Basketball, dass er die Saison 2021/2022 nach einer Oberschenkelverletzung mit Schmerzmitteln zu Ende spielte und ihm sein Arzt von einer EM-Teilnahme abriet. In Gordon Herberts Aussagen Anfang September 2022 gegenüber dem kicker könnte gewisse Enttäuschung hineininterpretiert werden. Herbert wurde zitiert: "Tibor hat entschieden, wegen eines kleineren Verletzungsstatus nicht zu spielen."
So ließ die DBB-Rückkehr des erfolgreichsten deutschen EuroLeague-Spielers des Jahrhunderts bis zum heutigen Tag auf sich warten. Im MagentaSport-Podcast Abteilung Basketball erklärte er Situation rund um seine Abstinenz und sein bevorstehendes Comeback. "So viel gibt es eigentlich gar nicht zu erzählen. Ich war auch in den letzten Jahren immer mit dem DBB in Verbindung", erklärte Pleiß.
"Es hat aber einfach aus gewissen Gründen nicht funktioniert. Und dieses Jahr hat mich Alex Mumbrú vor drei Wochen angeschrieben. Wir hatten telefoniert und ich habe zugesagt. Es hat einfach gut funktioniert dieses Jahr. Die Umstände waren sehr, sehr gut." Dass Pleiß in den vergangenen Jahren nie für das DBB-Team auflief, hänge auch damit zusammen, dass er in Länderspielfenstern häufig in der EuroLeague spielte, was nun nicht mehr der Fall ist. "Dadurch ist es für mich auch einfacher, aus dem Team rauszugehen, weil sonst mein letztes Team [Anadolu Efes Istanbul, Anm. d. Red.] sich so ein bisschen dagegengestellt hat."
Darüber hinaus nannte er Alex Mumbrú als einen Teilgrund für seine Rückkehr: "Wir haben mehrere Male gegeneinander gespielt, als er damals in Bilbao gespielt hat. Klar, es sind jetzt ein paar Jahre ins Land gegangen, aber es ist jetzt ein guter Moment, wieder dabei zu sein und zu helfen." Des Weiteren erzählte er, dass er den jungen Spielern helfen möchte und er noch nicht über eine EM-Teilnahme nachdenke, sondern "nur auf das eine Fenster, auf Schweden, fokussiert" sei.
Welche Rolle Pleiß in der Nationalmannschaft, der es nicht an hochkarätigen Big Men mangelt, noch spielen kann, ist noch nicht absehbar. In sechs extrem erfolgreichen Jahren, in denen er mit Efes dreimal die EuroLeague gewann (2021, 2022) und auch 2020 beim coronabedingten Saisonabbruch auf Platz eins rangierte, war er bis zuletzt ein wichtiger Spieler. Zu Efes kam er dank Coach Ergin Ataman, der ihn im besagten Sommer 2016 zu Galatasaray und 2018 von EuroCup-Team Valencia kommend auch zu Efes holte und maßgeblich Pleiß‘ Karriere auf höchstem europäischen Niveau noch einmal ankurbelte.
In 185 EuroLeague-Partien für Anadolu Efes Istanbul startete er genau 100-mal, erzielte im Schnitt 8,2 Punkte und 3,6 Rebounds in 16,1 Minuten pro Spiel. Seine Minutenanteile wechselten stetig. Teils war er der erste Center, aber in manchen Phasen nur der dritte. In der Saison 2020/21 spielte er in der zweiten Saisonhälfte keine große Rolle (in den Playoffs 4:37 Minuten pro Spiel). Beim gewonnenen Finale gegen Barcelona in seiner Kölner Heimat kam er früh auf das Parkett und drehte maßgeblich das Momentum mit fünf Punkten und drei Rebounds in nur 7:56 Minuten, bis er sich verletzte.
Auch in der abgelaufenen Saison war Pleiß - auch verletzungsbedingt - zunächst nur Center Nummer drei. Ab dem 18. Spieltag stand er jedoch wieder regelmäßig in der Starting Five und legte mit 8,6 Punkten und 4,3 Rebounds eine starke Rückrunde hin. Im Laufe der Jahre schwanden Pleiß‘ frühere Stärken bei Rebounds und Blocks. Dafür wurde er immer wertvoller als Stretch-Big-Man. In seiner letzten EuroLeague-Saison kam der 2,18-m-Mann auf 1,2 erfolgreiche Dreier bei 43,5 Prozent Trefferquote.
Seit Sommer spielt Pleiß für den neureichen italienischen Aufsteiger Trapani Shark. Den Transfer kündigte Valerio Antonini, Trapanis exzentrischer Präsident, in einem Interview mit dem italienischen Portal Telesouth hochtrabend an: "Einen Spieler wie Tibor zu haben, könnte das letzte entscheidende Puzzleteil sein, um die Meisterschaft anzugreifen." Bislang konnte Pleiß erst vier Partien bestreiten (16,5 Minuten, 7,5 Punkte, 3,0 Rebounds), weil er laut dem Portal Pianeta Basket zu Saisonbeginn an Knöchelproblemen laborierte. Trapani spielt mit fünf Siegen und zwei Niederlagen aber oben mit, und Pleiß kennt aus seinen Tagen bei Efes die Situation, sich im Laufe einer Saison in den Fokus zu spielen.
In Basketball-Deutschland steht der 35-Jährige mit seiner Rückkehr ins Nationalteam nach über acht Jahren bereits wieder im Fokus. Der finale Zwölfer-Kader steht noch nicht fest, aber das Länderspiel in Schweden könnte sein erster Auftritt seit fast genau 2.998 Tagen werden.
Lukas Feldhaus