07.01.2025, 10:00
Schlechte Trades, Aderlass in der Free Agency und Pech im Draft
Jimmy Butler und die Miami Heat wollen getrennte Wege gehen - nach der Suspendierung des 35-Jährigen gibt es vermutlich kein Zurück mehr, auch wenn es kompliziert bleibt, einen guten Trade für alle Seiten zu finden. Für Butler setzt sich damit ein Muster seiner Karriere fort; rückblickend müssen sich aber auch die Heat fragen, ob sie ihre Zeit mit diesem Star bestmöglich genutzt haben.
Es ist leicht, die Schuld bei Jimmy Butler zu suchen. Vielleicht ist es auch richtig - eskaliert ist die Situation schließlich auch bei jeder seiner anderen Karrierestationen. Butler ist der gemeinsame Nenner; ein Star, der Leistungen und Kopfschmerzen bringt und im Zweifel jeden Hebel in Bewegung setzt, wenn er "fertig" ist mit einer Franchise. Offensichtlich selbst mit den Heat, die doch eigentlich so gut zu ihm zu passen schienen.
Bisher bekam Butler schlussendlich immer seinen Wunsch - er hat sich dabei fairerweise allerdings auch noch nie als 35-Jähriger mit einer so stabilen Franchise angelegt, bei der alle wichtigen Entscheidungsträger eine Jobsicherheit haben, von der die meisten Coaches und GMs in der Liga nur träumen können.
Es wird faszinierend zu sehen, ob und welcher Trade sich finden lässt, oder ob Butler am Ende auf seinem Wunsch sitzen bleibt und in der Offseason die Option ziehen muss, die ihm noch zusteht, um dann eine Lösung zu erzwingen (sind wir ehrlich: 52 Mio. Dollar sind kein schwacher Trost). Die Heat sind keine Franchise, die sich traditionell von Stars herumschubsen lässt.
Die Heat sind gleichzeitig nicht unschuldig an der aktuellen Lage. Objektiv betrachtet hat Butler seinen Teil der Abmachung eingehalten. Zweimal hat er Miami als bester Spieler in die Finals geführt - nur Boston kam seit seinem Wechsel 2019 ebenso oft so weit. Butler verschaffte Miami Chancen und eine Identität, nach der sie seit dem Ende der Big-3-Ära fünf Jahre lang gesucht hatten.
Sobald diese Butler-Ära nun zu einem Ende kommt, werden sich auch die Heat fragen müssen, ob sie das Maximum aus ihr herausgeholt haben. Ob sie ihren Teil der Abmachung eingehalten haben …
Vorweg: Den guten Ruf hat das Front Office der Heat nicht von ungefähr. Über Jahre hat Miami immer wieder Kreativität bewiesen und seine Standortvorteile gut genutzt, nicht zuletzt wurde ja auch der Sign-and-Trade-Deal für Butler nur aufgrund dieser Kreativität möglich (eigentlich hatte Miami nicht den finanziellen Spielraum dafür).
Eine der großen Stärken der Heat ist es überdies, aussortierte oder übersehene Spieler zu entdecken und zu entwickeln - über die vergangenen Jahre waren Duncan Robinson, Max Strus, Caleb Martin oder Haywood Highsmith absolute Erfolgsstories, die alle nicht gedraftet wurden und in Miami ihren Durchbruch feierten. Die Liste der Overachiever hört bei ihnen nicht auf.
Im Zuge der Butler-Ära ist die Bilanz der Heat jedoch nicht makellos - gerade dann, wenn es um die Kategorie von Spielern geht, die nicht "für nichts" zu haben gewesen wären, die per Draft, per Free Agency oder via Trade hätten kommen müssen. Tatsächlich haben die Heat hier über die vergangenen Jahre häufiger daneben als ins Schwarze getroffen.
Viermal draftete Miami seit 2019 in der ersten Runde (den 2021er Pick hatten sie weggetradet). Es ist diskutabel, wie oft sie dabei den besten an ihrer Position verfügbaren Spieler gezogen haben; Nikola Jovic (Nr. 27 in 2022) hätte zumindest Argumente, Jaime Jaquez Jr. (Nr. 18 2023) sah als Rookie deutlich besser aus als im zweiten Jahr, bei Kel’el Ware (Nr. 15 2024) steht das Urteil noch aus, auch wenn direkt nach ihm Jared McCain, Dalton Knecht, Tristan da Silva und der aktuelle ROTY-Favorit (?) Yves Missi gezogen wurden.
Nicht diskutabel ist hingegen, dass viele ihrer Probleme - die offensive Abhängigkeit von Butler, das insgesamt niedrige Offensiv-Ceiling (seit 19/20 keine Top-10-Offense mehr) - im 2020er Draft hätten gelöst werden können. An Position 20 pickte Miami damals Precious Achiuwa, der schon nach einem Jahr weitergetradet wurde. Der unmittelbare Pick dahinter: Tyrese Maxey.
Nun wurde Maxey natürlich nicht nur von Miami unterschätzt, und der 2020er Draft ist aufgrund der Coronapandemie generell ganz besonders chaotisch (drei der sechs Spieler mit dem höchsten VORP des Jahrgangs wurden in den 20ern gedraftet, neben Maxey auch Desmond Bane und Immanuel Quickley). Man muss die Heat dafür nicht an den Pranger stellen.
Und gleichzeitig: Butler, Bam Adebayo und Maxey? Das klingt nicht so verkehrt. Zumal der dynamische Scoring Guard, der Maxey gewesen wäre, dann - vergeblich - auf anderen Wegen gesucht wurde.
Trades gab es über die vergangenen Jahre bei den Heat insgesamt jede Menge, ein recht großer Teil davon zielte jedoch darauf ab, die Bücher der Franchise wieder in die Balance zu bringen. Bei den sportlich motivierten Deals sticht letztendlich vor allem ein Deal heraus, der nicht zustande kam.
Aber der Reihe nach. Im Lauf der enttäuschenden 20/21er Saison versuchte sich Miami an einem Value-Play für den früheren All-NBA-Spieler Victor Oladipo, für den sie Kelly Olynyk und Avery Bradley sowie einen Pick-Swap (der nicht zustande kam) abgaben und der leider auch bei ihnen nicht mehr dauerhaft gesund wurde.
Wenige Monate später gaben sie Goran Dragic und Achiuwa ab, um Kyle Lowry aus Toronto loszueisen, der bei ihnen zwar keine All-Star-Leistungen mehr zeigte, gerade in 2023 aber zumindest einen gewissen Anteil an ihrem Playoff-Erfolg hatte. Beide Trades waren von der Logik her verständlich, unterm Strich aber nicht die erhofften Game-Changer.
Dieser sollte 2023 geholt werden, nach der zweiten Finals-Teilnahme, als die Heat gegen Denver merkten, dass es ihnen an Firepower fehlte. Damian Lillard sollte das ändern. Praktisch: Die lebende Blazers-Legende forderte Anfang Juli einen Trade, und zwar explizit nur nach Miami. Die Heat sahen sich dadurch in einer exzellenten Position, ihren dritten Star ins Team zu holen.
Vermutlich unterschätzten sie den Stolz der Blazers. Indem Miami von seinen verfügbaren Assets, die ohnehin nicht üppig waren, bei weitem nicht alles auf den Tisch legte, verärgerte man Blazers-GM Joe Cronin so sehr, dass dieser durchsickern ließ, er werde "kein Transferportal für Miami" sein und lade jedes Team dazu ein, sein bestes Angebot für Lillard zu machen.
Das taten die Bucks, schockierenderweise. Jrue Holiday, den Miami als Trostpreis ebenfalls gern genommen hätte, ging dann von den Blazers trotz eines "signifikanten Angebots" der Heat nach Boston - womit die Blazers innerhalb weniger Tage die einzigen beiden Ost-Teams stärkte, die Miami in der Butler-Ära in den Playoffs besiegt hatten. Boston tat es 2024 prompt erneut.
Während der 23/24er Saison tradeten die Heat dann Lowry und einen Erstrundenpick nach Charlotte, um Terry Rozier zu holen, der diese Lücke des Scoring Guards füllen sollte (und dessen Vertrag im Vergleich zu Lowry wiederum etwas Geld einsparte). Bisher ist das kein Erfolg (14,3 PPG, 41,5% FG über 60 Spiele).
Die gute Nachricht ist immerhin, dass Tyler Herro diesen Job mittlerweile stark übernimmt - nur leider zu spät für die Butler-Ära.
Cap Space für große Deals hatte Miami in den vergangenen Jahren nie, weshalb die Free Agency in gewisser Weise nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. Das Maximum allerdings holten die Heat aus ihren Möglichkeiten über die vergangenen Jahre auch hier nicht raus und ließen beispielsweise die 23er Playoff-Leistungsträger Max Strus oder Gabe Vincent ersatzlos ziehen.
Individuell waren diese Entscheidungen zumeist nachvollziehbar, gerade Vincent sah weder vor noch nach den 2023er Playoffs jemals wieder so stark aus wie während dieses Runs, in der Summe jedoch verlor Miami über die vergangenen Jahre einen Teil der Tiefe, die sie zu besten Zeiten auszeichnete.
Pech kam dann auch noch dazu: Caleb Martin etwa wollte im vergangenen Sommer angeblich bleiben und hätte in Miami mehr Geld bekommen können, wurde jedoch allem Anschein nach schlecht beraten und ging als Free Agent für weniger Geld und weniger Jahre nach Philadelphia.
Natürlich hat Miami in dieser Zeit längst nicht alles falsch gemacht. Sie sind keine Chaos-Franchise, bei der bei jeder kleineren Enttäuschung sofort Köpfe rollen oder Aktionismus herrscht, wie es, nun, etwa bei dem einen oder anderen Vertreter der Pacific Division der Fall ist.
Sonderlich beeindruckend liest sich ihre Bilanz über die vergangenen fünf Jahre dennoch nicht. Fast jeder Move der letzten Jahre diente maximal der Erhaltung, weniger der signifikanten Verbesserung eines Teams, das immerhin dreimal zu den letzten vier gehörte, die noch standen. Den echten Schritt nach vorne sind sie konstant schuldig geblieben.
Insbesondere Pat Riley steht in dem Ruf, immer nach dem nächsten großen Ding zu suchen, immer in der Verlosung zu sein, wenn es um den nächsten wechselwilligen Star oder "Wal" geht, wie er es selbst nennt. Fakt ist aber: Der bisher letzte Volltreffer der Heat war der Move für Butler.
Ole Frerks