24.01.2025, 10:31
Geschäftsführer der Bayern mit deutlicher Ansage
Seit fast 14 Jahren leitet Marko Pesic die Geschicke beim FC Bayern Basketball, zunächst als Sportdirektor, später als Geschäftsführer. Im Interview mit basketball-world.news spricht der Ex-Nationalspieler über den Status Quo der Bayern, das mögliche NBA-Projekt in Europa sowie über die Vorzüge des SAP Gardens.
Außerdem verrät der 48-Jährige, was nun seine neuen Träume sind und warum er bei Heimspielen in der EuroLeague nicht mehr am Spielfeldrand sitzt.
Herr Pesic, Anfang des Jahrtausends sprach Uli Hoeneß noch über seinen Traum vom FC Bayern Deutschland, nun wurde mit Justus Hollatz ein weiterer deutscher Nationalspieler geholt. Ist das Zufall oder Teil einer klaren Strategie?
Marko Pesic: Wir haben schon immer Nationalspieler in unseren Reihen gehabt, aber die Qualität der deutschen Spieler ist nun eine ganz andere als in der Vergangenheit. Natürlich gab es sie, aber die Besten sind in die NBA oder zu anderen EuroLeague-Topteams gegangen. Inzwischen haben wir aber die Möglichkeit, diese Spieler nach München zu holen. Deutsche Spieler sind inzwischen auf einem hohen Level in der EuroLeague und international. Es ist dann naheliegend, dass wir uns für sie interessieren.
Womit Hollatz perfekt in dieses "Beuteschema" passt …
Pesic: Bei Hollatz war klar, dass wir ihn nicht nur bis zum Ende der Saison holen. Das hätte sonst keinen Sinn ergeben. Justus ist ein Spieler für die Zukunft, dazu haben wir mit Nick Weiler-Babb einen weiteren Spieler mit deutschem Pass auf dieser Position. Wir spielen in drei Wettbewerben, haben ambitionierte Ziele. Deswegen müssen wir auch breit genug aufgestellt sein.
Hollatz darf in der EuroLeague nicht eingesetzt werden. Ist es möglich, dass noch ein weiterer Spieler kommen wird?
Pesic: Am Kader wird sich nichts mehr ändern. Es wäre schön gewesen, wenn wir ihn auch für die EuroLeague hätten haben können, aber das ist ein langfristig angedachter Transfer. Er wird uns in der Bundesliga entlasten und Nick [Weiler-Babb, Anm.] sowie Shabazz Napier Pausen verschaffen können, was uns dann indirekt auch für die EuroLeague helfen sollte.
Als Ziel wurden die Play-Ins ausgegeben, derzeit steht das Team mit einer Bilanz von 12-10 genau auf jenem zehnten Platz. Seit Mitte Dezember ist es bisweilen aber sehr holprig. Sind Sie besorgt?
Pesic: Mir ist das zu negativ formuliert. Wir spielen eine exzellente Saison und haben uns im Vergleich zu den beiden Vorjahren in eine Situation gebracht, in der wir alles in der eigenen Hand haben. Wir haben jetzt fünf Spiele gegen direkte Konkurrenten inklusive Alba Berlin. Da sind vier Spiele dabei, die man gewinnen kann, wenn es mit den Playoffs am Ende klappen sollte. Das ist für mich kein Grund zur Sorge oder ein Problem, sondern eine Herausforderung.
Glauben Sie, dass es am Ende für diesen zehnten Platz reichen kann?
Pesic: Vor dem Spiel gegen Bologna haben wir gegen Panathinaikos, Olympiakos, Madrid und Monaco gespielt - Teams, die womöglich das Final Four erreichen werden. Da kannst du schnell mal vier Spiele verlieren. Die EuroLeague ist kein Wunschkonzert, gerade für deutsche Mannschaften. Stattdessen haben wir das gemacht, was ein Team in unserer Situation machen muss. Du gewinnst am Anfang so viele Spiele wie möglich, weil die Top-Mannschaften noch nicht eingespielt sind. Das haben wir exzellent genutzt und uns in eine Situation gebracht, in der wir alles in der eigenen Hand haben, um Platz zehn zu erreichen oder sogar mehr. Klar, Verletzungen können immer passieren, aber wenn wir von so etwas verschont bleiben, haben wir alle Chancen.
Im neuen SAP Garden wurden neun von elf Spielen gewonnen. Alle Spiele waren ausverkauft. Hatten Sie damit gerechnet?
Pesic: Davon träumst du, aber rechnen konnte man damit nicht. Vermutlich werden wir für den Rest der Saison die Halle komplett füllen. Zuerst waren es viele Zuschauer, die die neue Halle einfach nur sehen wollen. Doch mittlerweile kommen viele auch wegen der Mannschaft, sie hat einen großen Anteil. Sie kann mit ihrem offensiven Stil den Funken auf die Zuschauer überspringen lassen - und die Leute in München scheinen sich mit dem Team zu identifizieren. Unsere Spiele in der Bundesliga im BMW Park sind ebenfalls oft ausverkauft. Wir haben scheinbar doch vieles richtig gemacht.
Alter | 48 Jahre |
Geburtsort | Sarajevo, Jugoslawien |
Größe | 198cm |
Position | Shooting Guard |
Nationalmannschaft | 97 Länderspiele für Deutschland |
Sie selbst sitzen im BMW Park immer direkt am Spielfeld, im SAP Garden dagegen weit oben auf einer Treppe bei den Logen? Warum?
Pesic: Im BMW Park wäre das ja sowieso nicht möglich, aber mir gefällt es da oben eigentlich ganz gut. Warum ich aber auf der Treppe sitze? Das kann ich nicht erklären, da bin ich ein bisschen eigenartig. Mir tut es aber ganz gut, dass ich nicht mehr direkt am Spielfeldrand sitze.
Der SAP Garden ist nicht nur eine Festung, sondern auch finanziell sicherlich ein Quantensprung. Können Sie schon quantifizieren, was für Möglichkeiten die Arena für die Zukunft bietet?
Pesic: Das werden wir erst am Ende der Saison wissen. Es spielen nicht nur die Zuschauereinnahmen eine Rolle, sondern auch Hospitality oder Merchandising. Die Möglichkeiten sind hier ganz andere, gleichzeitig sind die Kosten im SAP Garden deutlich höher. Mein Maßstab ist aber eher der BMW Park - auch er ist bisher fast immer ausverkauft gewesen, obwohl es den SAP Garden gibt. Wir wollen unsere angestammte Halle auch zu einer Event Location entwickeln, die eine zusätzliche Einnahmequelle für den Verein sein kann. An Silvester haben ja tatsächlich fünf Millionen die Schlagershow mit Florian Silbereisen gesehen, die im BMW Park stattfand. Damit wir für den SAP Garden alles richtig beziffern können, müssen wir erstmal alle Abgaben und Kosten kennen. Dieses erste Jahr ist eine Blaupause, um Erfahrungen zu sammeln - und wenn man es mit dem Status Quo vergleicht, waren wir sehr konservativ mit unserer Planung. Es steht außer Frage, dass uns die neue Arena finanziell auf ein ganz anderes Niveau bringt.
Das heißt, man kann davon ausgehen, dass auch mehr Geld für Spieler da sein wird?
Das kann ich pauschal nicht beantworten. Zum Beispiel: Die BBL hat gesagt, dass sie jetzt die Budgets der Teams veröffentlichen will. Das ist alles in Ordnung, aber es hat nicht viel Aussagekraft. Besser wäre es: Wie investieren die Vereine wirklich im Detail? Ist Umsatz gleich Budget? Wohl kaum. Welche Entscheidungen werden getroffen, damit ein gewisses Budget erreicht wird? Da wurden zuletzt Äpfel mit Birnen verglichen. Diese Veröffentlichung wirkte eher wie eine PR-Geschichte. Wenn du zwischen 30 und 40 Millionen Euro einnehmen willst, steht immer ein Team dahinter. Bei uns sind das mehr als 60 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und über 100 am Spieltag, die mithelfen, dass die Einnahmen so hoch sind. Wenn so ein Niveau erreicht werden soll, entstehen aber auch Kosten. Wir wollen die Mannschaft kontinuierlich entwickeln und dafür müssen wir weiter investieren. Das ist klar, aber wir müssen auch das gesamte Bild sehen. Das Team hinter dem Team ist ebenso wichtig und muss weiterentwickelt werden. Ich will aber gar nicht der Frage ausweichen, doch wir müssen bis Mai warten. Dann haben wir mehr Erfahrungswerte und können uns womöglich weiter aus dem Fenster lehnen und hier und da mehr investieren.
Jahre | Verein |
---|---|
1995 - 1999 | Alba Berlin |
1999 - 2000 | Iraklis Thessaloniki |
2000 - 2004 | Alba Berlin |
2004 - 2005 | RheinEnergie Köln |
2005 - 2006 | Lottomatica Rom |
2006 | Teramo Basket |
Der Großteil der Spieler hat Verträge über mindestens zwei Jahre unterschrieben.
Pesic: Carsen Edwards und Shabazz Napier haben eine Option, dazu laufen die Verträge von Niels Giffey und Devin Booker aus. Ein bisschen Arbeit haben wir vor uns, aber es gibt genug Spieler, die sicher bleiben. Wir müssen schauen, wer wirklich bleiben will. Dann kann man versuchen, das finanzieren. Unser Sportdirektor Dragan Tarlac, der 2024 erst spät in der Sommerpause zu uns stieß, kann jetzt erstmals mit dem Trainer in Ruhe einen Plan machen. Das war 2024 kaum möglich. Was ich aber auch unbedingt sagen möchte: Wir sind mit den Spielern, die wir haben, sehr zufrieden.
Die EuroLeague hat den Vertrag mit Investor IMG um zehn Jahre verlängert. Es heißt, dass die Teams nun mehr Einfluss haben und womöglich auch vorzeitig aussteigen. Was ändert sich für Bayern?
Pesic: Wir haben derzeit, wie die anderen zwölf Shareholder, eine A-Lizenz bis 2026, diese wird hoffentlich bald verlängert. Uns betrifft der neue Vertrag nicht so sehr, das ist eher für das Management der EuroLeague relevant. Sie sind jetzt flexibler, können mehr Einnahmen generieren, haben aber auch mehr Verantwortung. Letztlich kann die EuroLeague nun mehr selbst gestalten. Wie sich das entwickelt, wird man sehen.
Daraus lässt sich ablesen, dass Sie in der EuroLeague bleiben wollen.
Pesic: Wir sind einer von 13 Eigentümern und das ist der beste Wettbewerb, in dem man spielen kann.
Gleichzeitig wird derzeit viel über einen möglichen NBA-Einstieg in Europa ab 2026 spekuliert. Commissioner Adam Silver sprach zuletzt häufiger von dieser Option.
Pesic: Wir kennen dieses Thema nur aus den Medien, bisher wird darüber sehr unkonkret gesprochen. Und wir fahren gut damit, die EuroLeague zu unterstützen und zu helfen, dass sie sich weiterentwickelt. Sie ist ein einzigartiges Produkt, das Entertainment und eine unheimliche sportliche Qualität nah beieinander vereint. Das ist in der NBA ein bisschen anders. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, über etwas anderes nachzudenken. Es gibt die EuroLeague mit den vielen attraktiven Marken, die in der Liga bleiben werden.
Dabei wären die Bayern gerade als Marke und einer der bekanntesten Vereine der Welt ein perfekter Kandidat …
Pesic: Nochmal: Mit uns hat niemand gesprochen. Ich weiß gar nicht, ob das ein seriöses Projekt ist. Und Bayern München hat sich grundsätzlich entschieden, sich ausschließlich auf die eigene Weiterentwicklung zu konzentrieren. Damit sind wir immer sehr gut gefahren.
Wie sehen Sie das Interesse in der Öffentlichkeit? Trotz WM-Titel bleibt Fußball in den Medien omnipräsent und Basketball bleibt in der Nische …
Pesic: Fußball wird nie unser Gradmesser sein können. Wir versuchen so gut es geht, mit den Medien zusammenzuarbeiten und ich finde, dass unter anderem die Verlängerung des EuroLeague-TV-Vertrags mit MagentaSport ein Zeichen ist, dass das Interesse des Publikums vorhanden ist. Ich möchte niemandem auf die Füße steigen, aber ich glaube, dass die BBL und der DBB nicht genug aus dem WM-Titel herausgeholt haben. Es kann nicht nur die Aufgabe der Vereine sein, die Liga weiterzuentwickeln. Dafür gibt es im Verband und in der Liga Strukturen und beide müssen sich fragen, ob sie diesen Hype wirklich ausgenutzt und ihren Job gemacht haben. Trotzdem sind die Hallen voll, das Interesse an den Spielern und Spielen in Deutschland war noch nie auf so einem hohen Niveau.
Würden Sie sich manchmal wünschen, dass es noch mehr solcher Projekte gibt, in denen zum Beispiel große Fußballklubs in den Basketball investieren würden?
Pesic: Da muss man vorsichtig sein. Ich bin selbst großer Traditionalist und schätze Standorte wie Hagen, Heidelberg, Gießen und so weiter. Dennoch ändern sich die Zeiten und das Sportumfeld, nicht nur im Basketball. Deswegen wäre es von Vorteil, wenn Vereine wie Hamburg, Stuttgart oder Dortmund einsteigen würden. Ich weiß aber auch, wie viel Arbeit das ist. Das klingt alles leichter, als es ist.
In anderen Ländern gibt es diese Rivalitäten wie in der Türkei, Serbien, Griechenland zwischen Vereinen - und das in mehreren Sportarten.
Pesic: Klar wäre das super, aber wir müssen vorsichtig sein. In manchen Ländern wird der Sport zum Bespiel auch mit Politik vermischt und die Atmosphäre ist fast zu aggressiv für meinen Geschmack. Wir haben hier eine ganz andere Fankultur rund um das Spiel und benötigen nicht solche Rivalitäten. Trotzdem wäre es für alle natürlich von Vorteil, wenn mehr Derbys oder Spiele zwischen großen Vereinen gäbe.
Sie sagten einmal, dass es Ihr Traum sei, wenn die Fußballer in der Champions League und gleichzeitig die Basketballer im SAP Garden daheim antreten würden, und beide Spiele ausverkauft seien. Diesen Fall hatten wir in dieser Saison nun schon zweimal. Wovon träumen Sie jetzt?
Pesic: Wir haben uns ein übergeordnetes Ziel gesetzt, das schwer messbar ist. Wir wollten den Sport Basketball in der Region München etablieren - und das haben wir geschafft. Wir hatten hier EuroCup-Spiele vor 2.000, 3.000 Zuschauern, jetzt ist das Interesse viel größer. Die Leute erkennen uns sogar inzwischen auf der Straße. Um die Popularität unseres Sports weiter ausbauen zu können, benötigen wir auch internationalen Erfolg - das ist der nächste Schritt. Doch ich würde sagen, dass wir auf einem guten Weg sind, siehe oben. Wir haben Bayern München in Europa etabliert, sind einer der 13 Eigentürmer der EuroLeague. So hat man eine Garantie, auf diesem Toplevel immer spielen zu dürfen. Unser gutes Standing in Deutschland und Europa zu halten, geschweige denn zu entwickeln, ist schwer. Aber wir alle arbeiten hart dafür.
Robert Arndt