12.02.2025, 13:55
Es kann nicht alles schwer sein
Seit seiner Rückkehr ist Paolo Banchero ein anderer Spieler und sucht seinen Rhythmus. Oder waren die fünf Spiele zum Saisonstart der Ausreißer? Über die Formkrise eines Spielers, der bei allem Talent noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen hat…
Eigentlich sollte nun der Teil der Saison stattfinden, in dem Orlando angreift. In dem endlich nicht mehr nur einer, sondern beide Stars des Teams gesund und aktiv sind und daran arbeiten können, der elitären Defense endlich eine brauchbare Offense hinzuzufügen. In dem vielleicht sogar in der Tabelle geklettert wird.
Die Realität ist eine andere. Seit dem 10. Januar steht Paolo Banchero wieder auf dem Court - nur Utah und Washington haben seither weniger Siege geholt als Orlando (4-13), die Offense ist die schlechteste der Liga. Auch die Rückkehr von Franz Wagner am 23. Januar hat den Trend bisher nicht umgedreht, obwohl dessen Leistungen individuell überzeugen.
Es gibt einige Gründe dafür. Jalen Suggs hat die Phase nahezu komplett verpasst und fehlt dem Team als Speerspitze der Defense sowie als williger Shooter; die Magic waren ohnehin ein schreckliches Shooting-Team und sind nun noch schrecklicher (aus der aktiven Rotation ist Gary Harris mit 34,4% der "beste" Dreierschütze!). Es ist schwer nachvollziehbar, dass Orlando zur Trade Deadline (wieder) die Füße stillhielt und keinen verlässlichen Dreierschützen ins Team holte.
Einer der Hauptgründe allerdings sind auch die Leistungen des vermeintlich besten Spielers der Magic. Banchero ist nicht er selbst… beziehungsweise: Tendenzen, die schon über seine ersten beiden Jahre negativ auffielen, kommen aktuell sogar noch stärker zum Vorschein. Dabei sah das vor seiner Verletzung kurzzeitig noch ganz anders aus.
Über die ersten fünf Spiele der Saison wirkte Banchero dominant und zielstrebig wie nie zuvor - er tankte sich für fast zwölf Freiwürfe pro Spiel an die Linie, fand ein gutes Maß aus Attackieren und Dreiern und schenkte Indiana direkt im vierten Saisonspiel 50 Punkte bei 9 Assists ein. Dann riss er sich den schrägen Bauchmuskel. Seit seiner Rückkehr ist er ein anderer Spieler.
Zeitraum | PPG | FG | 3FG | FTA | RPG | APG | TPG |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Vor der Verletzung (5 Spiele) | 29 | 49,5% | 34,4% | 11,8 (64,4%) | 8,8 | 5,6 | 2,2 |
Seit der Rückkehr (16 Spiele) | 20,4 | 40,7% | 27,2% | 6,3 (65%) | 6,6 | 4,8 | 3,6 |
Möglicherweise sucht Banchero noch seinen Rhythmus, vielleicht ist er körperlich noch nicht wieder auf der Höhe. Vielleicht fehlt ihm der letzte Funken Dynamik und Vertrauen in seinen Körper, um sich trotz des kaputten Spacings der Magic häufiger in Richtung Korb zu bewegen.
In jedem Fall ist das momentan das Resultat; Banchero dribbelt viel auf der Stelle und wartet. Seine Pässe sind nicht selten aus der Not geboren und landen beim Gegenspieler. Vor allem wirft er sehr oft Mitteldistanzwurfe am Mann, ohne zuvor irgendeinen Druck auf die Defense auszuüben.
Nicht, dass diese Würfe per se alle schlecht wären. Banchero kann diese Würfe aufgrund seiner Größe und Athletik jederzeit loswerden, was ihn schon im Alter von 21 zu einem Spieler machte, der in den Playoffs schwer zu halten war, wenn der Wurf ON war. Ein solcher Jumper gewann den Magic am Wochenende das Spiel gegen San Antonio.
Es ist wertvoll, solche Würfe im Repertoire zu haben - essenziell für jedes Team, das früher oder später auch mal eine Playoff-Serie gewinnen möchte. "Wir alle haben dieses Vertrauen in ihn", sagte Wagner nach dem Spurs-Spiel. "Ich denke, deshalb wollen wir in den letzten Sekunden den Ball in seinen Händen haben. Wir sind am besten, wenn Paolo in Bestform ist."
Simpel gesagt sind solche Würfe unter Druck Star-Würfe. Star-Würfe sind allerdings auch… Korbleger, Dunks. Einfache Abschlüsse. Es ist wertvoll, die schweren Würfe im Arsenal zu haben - aber das Arsenal darf nicht fast ausschließlich daraus bestehen. Banchero sucht seit seiner Ankunft in der Liga nach einer guten Balance, aktuell entwickelt sich diese Suche in die komplett falsche Richtung.
29% seiner Abschlüsse nimmt Banchero in dieser Spielzeit am Ring - das ist der niedrigste Wert seiner Karriere, dabei waren es zuvor schon nicht genug, wenn man bedenkt, wie kräftig und athletisch er ist und welche Matchup-Albträume er der Defense eigentlich permanent bereiten könnte.
In 21 Saisonspielen hat der 2,08-m-Mann bisher 13mal gedunkt. Mehr als zwei Drittel seiner Abschlüsse sind Sprungwürfe; kein großer Spieler in der Liga nimmt mehr lange Zweier als er. Er ist aber nicht gerade Kevin Durant - über die Saison trifft Banchero bisher 35,7% seiner Sprungwürfe. Da auch die Freiwurfzahlen gesunken sind, hat er keinen Weg, um konstant an hochprozentige Abschlüsse zu kommen.
Das zeigt sich auch in den guten Spielen. Gegen Atlanta kam Banchero auf 31 Punkte und erzielte 20 davon im dritten Viertel - möglich wurde das nur dadurch, dass er in diesem Abschnitt uncharakteristische vier Dreier versenkte. Das ist für ihn Stand jetzt ein Ausreißer; unterm Strich wirft Banchero nicht gut genug, um sich so sehr vom Sprungwurf abhängig zu machen.
Die Zahlen sprechen folglich eine klare Sprache. Laut nba.com/stats gibt es momentan 55 Spieler, die in dieser Saison wenigstens 20 Spiele absolviert und eine Usage-Rate von über 25% haben (Banchero liegt sogar bei 32,1, auf Platz 5 in der NBA); Banchero belegt unter diesen 55 Spielern Platz 51 beim True Shooting (51,1%).
Nun muss dazu einerseits gesagt werden, dass Banchero von einer Verletzung zurückkommt und man ihm Zeit geben sollte. Andererseits ist das Phänomen nicht neu; 23/24 gab es 45 Spieler mit mindestens 25-prozentiger Usage und wenigstens 50 Spielen. Beim True Shooting belegte Banchero da Platz 38 (54,6%). Platz 47 von 51 im Jahr davor.
Banchero ist bisher, das werden auch seine Fans bestätigen müssen, kein effizienter NBA-Scorer. Die fünf Spiele zum Saisonstart sind eher Ausreißer als die 16 Spiele seit seiner Rückkehr, selbst wenn die Probleme aktuell extremer sind als vorher. Existiert haben sie schon zuvor in seiner Karriere.
Genau wie das folgende Phänomen: Bisher waren die Magic in jedem seiner Jahre besser in den Minuten, in denen Banchero nicht auf dem Court stand - die Differenz betrug -4 in seinem Rookie-Jahr und -9,1 beziehungsweise -9,2 in den Jahren danach. Was nicht bedeutet, dass die Magic ihn auf die Bank setzen sollten und ohne ihn grundsätzlich besser dran wären. Sondern eher, dass sie Wege finden müssen, um seine Talente besser einzusetzen.
Mehr Shooting um ihn herum könnte Banchero bereits helfen - wie gesagt, die Inaktivität von General Manager Jeff Weltman in diesem Bereich ist schwer nachzuvollziehen. "Das ist wahrscheinlich ein Klischee, aber wir müssen einfach nur gesund werden. Dann sind wir ein gutes Team", sagte Weltman selbst nach der Deadline. Okay…
Vermutlich ist es nur damit allerdings ohnehin nicht getan. Vielleicht wäre es ratsam, Banchero häufiger als Roll-Man einzusetzen, um seine Dynamik zu nutzen und ihm mehr leichte Abschlüsse zu verschaffen. Vielleicht können die Magic mehr aus dem Two-Man-Game zwischen ihm und Wagner, dem besten Playmaker im Kader, herausholen.
Die nun anstehende All-Star-Pause in jedem Fall bietet die Möglichkeit, um sich neu zu sortieren. Suggs soll kurz vor der Rückkehr stehen, mit Ausnahme von Moritz Wagner wäre das Team dann tatsächlich mal komplett und könnte vielleicht noch einen Angriff starten, nachdem die Magic zuletzt vom Heimvorteil-Aspiranten bis ins Play-In durchgereicht wurden.
"Wir können nicht aufs letzte Jahr schauen. Das hier ist ein anderes Team. Wir müssen beweisen, dass wir es verdient haben, in die Playoffs zu kommen", erklärte Banchero am Montag. "Wir müssen uns wirklich sammeln und uns auf diese letzte Phase konzentrieren, denn wir sind gerade auf der Schwelle und es kann nun in eine von zwei Richtungen gehen."
Das bezieht sich auf die Magic als Team, es bezieht sich aber auch auf Banchero selbst. Von allen Akteuren im Kader ist er derjenige, der aktuell den größten Anteil seines Potenzials nicht abruft. Weil er so viel davon hat, aber gerade eben auch noch weiter als in den vergangenen beiden Jahren davon entfernt ist, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu machen.
All dies macht Banchero zu einem der größten X-Faktoren der Eastern Conference in der zweiten Saisonhälfte. Und vielleicht auch darüber hinaus.
Ole Frerks