27.02.2025, 09:30
Wemby führt Honorable Mentions an
Die NBA-Saison bewegt sich zielstrebig auf ihr Ende zu, nur noch rund anderthalb Monate sind in der Regular Season zu gehen. Höchste Zeit also, um mal wieder auf den Zwischenstand im Rennen um den wichtigsten Award der Saison zu blicken.
Bevor wir loslegen, müssen wir standesgemäß noch die Honorable Mentions aufführen, die entweder knapp am Cut gescheitert sind oder aber disqualifiziert sind, weil sie die 65-Spiele-Grenze nicht erreichen werden.
Letztere Gruppe wird von Victor Wembanyama angeführt, der leider nicht mehr als 46 Spiele absolvieren wird. Die Team-Bilanz sah ihn auch in diesen Spielen nicht als MVP-Kandidaten, seine Zahlen, insbesondere die AdvancedMetrics, taten das aber durchaus. Hoffen wir darauf, dass er kommende Saison vollständig genesen ist und dann tatsächlich ein Wörtchen um den Spitzenplatz mitreden kann. Anthony Davis wird nach seiner aktuellen Pause bei mehr als 17 verpassten Spielen liegen.
Die sportlich schwersten Cuts für die Top 5 spielen durchaus genug - sie belegen aktuell Platz 6 und 32 bei den Minuten in dieser Spielzeit - und sind im gleichen Team: Diversen Advanced Metrics zufolge ist Karl-Anthony Towns in dieser Spielzeit der wertvollste Knick, Eye-Test und Aussagen rund um das Team identifizieren aber Jalen Brunson als den klaren Anführer.
Wenn es doch bloß Co-MVPs gäbe … gibt’s aber nicht. Da KAT und Brunson bei aller offensiver Brillanz nebenbei defensiv große Zielscheiben auf dem Rücken tragen, scheitern sie nun eben an dieser Grenze. Ebenso wie LeBron Jamesund Cade Cunningham, die über die ersten Saisonmonate nicht auf ihrem aktuellen Niveau unterwegs waren. Und hier kommt die Top 5:
Stats: 24 Punkte, 45,5 Prozent FG, 39,5 Prozent Dreier, 4,3 Rebounds, 4,8 Assists, 1,5 Stocks.
Apropos Co-MVPs - diese Bezeichnung könnte auch bei den Cavs einiges erleichtern, die mit Mitchell, Darius Garland und Evan Mobley drei verschiedene Spieler haben, die phasenweise der wichtigste des Teams sein können. Unterm Strich hat Mitchell jedoch mehr dieser Phasen als seine beiden jüngeren Teamkollegen.
Mitchell ist der wichtigste Scorer und Anführer seines Teams, hat nach Mobley die zweithöchste On/Off-Differenz (nicht, dass Cleveland in dieser Saison überhaupt schlechte Lineups aufstellen würde). In seinen Minuten fegen die Cavs gegnerische Teams mit einem Net-Rating von +13,5 weg.
Mitchell ist kein überragender Verteidiger, im Vergleich zu den beiden Knicks-Vertretern hat er hier jedoch klar die Nase vorn. In Stein gemeißelt ist sein fünfter Platz trotzdem nicht, da seine Counting Stats für einen MVP-Anwärter moderat sind, das reflektiert aber eben auch die Stärke seines Teams, für die man Mitchell schwerlich bestrafen kann.
Stats: 31 Punkte, 60,9 Prozent FG, 12 Rebounds, 5,8 Assists, 2,1 Stocks.
Mit zwölf verpassten Spielen läuft Giannis so langsam Gefahr, sich für dieses Rennen zu disqualifizieren. Für mehr als Platz vier dürfte es aber wohl so oder so nicht mehr reichen, zumindest dann nicht, wenn die Bucks als Team im Mittelmaß verharren.
Antetokounmpo spielt individuell weiterhin eine großartige Saison - zum zweiten Mal in Serie wird er über 30 Punkte pro Spiel bei über 60 Prozent aus dem Feld auflegen, das hat vor ihm überhaupt noch niemand geschafft. Sein drastisch verbessertes Midrange-Game hat sein Arsenal noch bereichert und macht ihn zu einem noch besseren Offensivspieler.
Defensiv allerdings ist Antetokounmpo, auch wenn er regelmäßig Ausreißer nach oben zeigt, nicht mehr ganz die konstant einschüchternde Präsenz früherer Jahre. Die Team-Defense ist nur geringfügig besser, wenn er spielt, das Gesamt-Net-Rating der Bucks in seinen Minuten nur gut, nicht überragend (+4,8).
Bleibt er fit, sollte es dennoch wieder für ein Top-4-Finish reichen. Das wäre dann immerhin auch schon das siebte Jahr in Folge für den 30-Jährigen.
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Stats: 26,6 Punkte, 45,3 Prozent FG, 35,5 Prozent Dreier, 8,7 Rebounds, 5,8 Assists, 1,6 Stocks.
Gewinnen wird Tatum diesen Award nie, solange er in einem so starken und tiefen Team spielt und weniger außerirdische Statistiken auflegt (oder auflegen muss) als die Spitzenkandidaten. Dennoch spielt der 26-Jährige seine bisher beste Saison und sollte es zumindest erstmals aufs Treppchen schaffen, nachdem bisher Platz 4 das Höchste der Gefühle war.
Tatum bleibt essenziell für die elitäre Offense der Celtics, auch wenn die On/Off-Differenz bei weitem nicht so groß ist wie in früheren Jahren (+1,2). Er ist der primäre Scorer und Playmaker des Teams, der die zum Teil etwas schwächeren Saisons einiger Mitspieler (Jrue Holiday, auch Jaylen Brown) phasenweise kompensiert hat.
Er ist auch defensiv enorm wichtig, weiterhin wohl unterschätzt. Tatum zählt zu den wenigen Spielern, die hinten beinahe jede Rolle einnehmen können, nicht selten gibt er vorne faktisch den Point Guard und ist hinten der wichtigste Ringbeschützer und Rebounder, also der Big Man. Vermutlichist er sogar der einzige, der das in dieser Form so regelmäßig liefern kann.
Zwischen Platz 3 und den beiden Top-Kandidaten klafft dennoch eine große Lücke - es ist ein Zwei-Mann-Rennen in dieser Spielzeit.
Stats: 32,4 Punkte, 52,4 Prozent FG, 36,4 Prozent Dreier, 5,2 Rebounds, 6,2 Assists, 2,9 Stocks.
Wahrscheinlich ist Shai am Ende der Saison der Gewinner dieses Awards. In der jüngsten ESPN-Umfrage, die über die letzten Jahre sehr aussagekräftig war, hatte er in etwa einen 70/30-Vorteil gegenüber unserem Platz eins und tut absolut nichts, um diesen Status wieder herzugeben. Er wäre ein guter, ein überaus würdiger Gewinner.
Gilgeous-Alexander ist seit Jahren die sichersten 25 Punkte in der Liga seit Prime Kevin Durant - er garniert sein beständiges Scoring immer häufiger aber auch mit waschechten Explosionen, hatte zwischenzeitlich drei 50-Punkte-Spiele in weniger als zwei Wochen. Er punktet überaus effizient und viel, wächst als Playmaker und ist ein wertvoller Teil der Thunder-Teamdefense, der Steals und Blocks verzeichnet wie kein High-Scoring-Guard seit Dwyane Wade.
Wie Tatum ist Shai dabei Teil eines überragenden Kollektivs - aber es gibt Unterschiede. Boston kommt in dieser Spielzeit zumeist gut zurecht, wenn Tatum auf der Bank sitzt. OKC ohne Shai auch, dessen On/Off-Differenz liegt trotzdem bei +14,7, weil sein Einfluss insbesondere auf die Offensive so unheimlich positiv ist.
Vereinfacht gesagt: Wenn Shai sitzt, hat OKC eine dominante Defense und ein robustes Net-Rating von +2,8, das über die Saison für Platz 9 reichen würde. Mit ihm auf dem Court sind sie sozusagen das beste Team aller Zeiten. Nein, wirklich. +17,5 lautet das Net-Rating in SGAs Minuten.
In diesem Millennium haben das nur Stephen Curry und Draymond Green zu Hochzeiten der Dynastie-Warriors mal übertroffen, sonst niemand. Achso, die Advanced Stats lieben Shai selbstverständlich auch - es gibt keine Einzahlmetrik, in der er nicht Teil der Top zwei ist, mit einem relativ großen Abstand vor dem jeweiligen dritten Spieler.
Stats: 29,2 Punkte, 57,5 Prozent FG, 44,5 Prozent Dreier, 12,6 Rebounds, 10,4 Assists, 2,5 Stocks.
Jokic ist nahezu überall Teil der Top 1. Zum Teil ist es knapp, zum Teil hat er wiederum einen großen Vorsprung gegenüber Shai. Die Zahlen lieben Shai, sie vergöttern Jokic. Einigen Zahlen zufolge, etwa Box Plus/Minus von basketball-reference, spielt der Serbe die beste Saison der NBA-Geschichte. Er ist auf dem Weg, seinen eigenen Rekord von 21/22 zu übertreffen.
Fünf der zehn besten BPM-Saisons wären dann seine - Michael Jordan hat drei, Curry und LeBron je eine. (Shai liegt gerade auf Platz 14.) Solche Zahlen sind nicht alles, natürlich, aber sie sind nicht schlecht! Natürlich muss man auch gar nicht ganz so tief abnerden, um Jokic‘ Saison ansatzweise einzuordnen.
Er legt als erster Center ein Triple-Double im Schnitt auf, ist ligaweit in der Top 3 bei Punkten, Rebounds und Assists. Er belegt Platz fünf bei der Dreierquote, Platz drei bei den Steals, spielt die meisten Pässe aller Spieler … er hat die größte Workload, eine der schwierigsten Wurfdiäten aller Spieler und trotzdem die True Shooting-Rate (66%) eines reinen Dunkers. Er spielt quasi Basketball durch, jeden Tag aufs Neue.
Mittlerweile stimmt auch der Team-Erfolg wieder, die Nuggets haben Platz 2 im Visier - Denver ist nicht ansatzweise auf dem OKC-Level, aber das ist schwerlich Jokic anzulasten. In seinen Minuten haben die Nuggets ein Net-Rating von +13,3, spielen wie ein potenzielles 70-Siege-Team. Ohne ihn spielen sie bisweilen wie die Wizards, auch wenn sich das Problem über die letzten Wochen verkleinert hat. Der On/Off-Swing ist trotzdem, wieder einmal, der größte unter allen Rotationsspielern in der NBA (+24,6).
Der beste Spieler der Welt spielt seine (bisher) beste Saison, die fünfte MVP-würdige in Serie. Das garantiert ihm nicht den vierten Award, natürlich nicht - es ist knapp, und es wäre nicht verwerflich, wenn einige Wähler dann im Zweifel für den Spieler entscheiden, der das Rennen bisher noch nie gewonnen hat. Zumal dieser den Award auch verdient.
Diese Stimme hätte dennoch Jokic. Wir haben schlichtweg noch keine Saison wie diese gesehen.
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Ole Frerks