09.01.2025, 11:45
Wolves-Star in schwierigem Umfeld
Spätestens nach den vergangenen Playoffs galt Anthony Edwards als kommender Superstar. Den Minnesota Timberwolves trauten nicht wenige erneut den Einzug in die Conference Finals zu; vielleicht sogar mehr. Es folgten ein Trade, holprige Monate, dazu ein ehrliches Geständnis. ANT veränderte sein Spiel, verlor zwischenzeitlich an Scoring-Punch. Was das bedeutet? Ein Einordnungsversuch…
Ehrliche Worte mied Anthony Edwards noch nie. Im Laufe dieser Saison bezeichnete er die Wolves, sich eingeschlossen, bereits als Kinder, die es nicht hinbekämen, offen miteinander zu sprechen. Diesmal ging es exklusiv um ANT selbst. Gerade hatten er und die Wolves gegen Boston verloren. Kann passieren, tat dennoch weh. Vor allem wegen der Art und Weise. "Wie sich mich doppeln", diktierte Edwards direkt nach der Niederlage in die Mikrofone, "da fragst du dich schon, was los ist. Ich versuche, damit umzugehen… ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich tun soll. Aber es macht keinen Spaß." Er wolle nicht aussehen, als gebe er nicht alles, oder als sei er nicht so gut, wie er ist, "denn das bin ich. Aber ich kann es nicht zeigen, weil ich gedoppelt werde."
Tatsächlich ist der Ansatz so wenig brandneu wie Raketenwissenschaft. Einem der besten Slasher der Liga den Weg Richtung Zone maximal zu verkomplizieren, ergibt durchaus Sinn. Also blitzen Defenses Edwards oder helfen beim Drive so aus, dass er schlicht keine klare Driving Lane zum Ring sieht. Verstärkt wurde der Eindruck durch einen höchst unangenehmen Double-Header rund um Neujahr. Zunächst durften die Wolves gegen die Thunder aufs Parkett, danach folgte Boston. Innerhalb weniger Tage musste Minnesota zwei der unangenehmsten und besten Defenses der Liga bespielen. Beide trieben das Frustrationslevel auf die Spitze. Vor allem bei ANT.
Insgesamt 28 Würfe nahm er gegen OKC und Boston. Es folgte das Geständnis der Machtlosigkeit gegen Double Teams, zudem eine für den Moment bittere Erkenntnis. Mit Blick auf Shai Gilgeous-Alexander und Jayson Tatum, die gegen die Wolves offensiv taten, was sie eigentlich immer tun, sprach ANT vom Frust, "zu sehen, wie diese Jungs uns kochen, während ich sie nicht kochen kann, was auch immer ihre Adjustments sind. Sie machen einen guten Job, zu hundert Prozent. Sie halten mich von dem ab, was ich tun möchte. Großes Lob an die gegnerischen Teams."
Dass Defenses Edwards so aus seiner Komfortzone locken können, liegt womöglich auch ein wenig am Trade aus dem Sommer. Karl-Anthony Towns, der über seine Karriere rund 40 Prozent seiner Dreier trifft, der auch sonst diverse Scoringwege findet, ließen gegnerische Teams ungern stehen. Gewissermaßen gab es zwei Spieler, die sie schlagen konnten. Mit Julius Randle sieht es ein wenig anders aus. Die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen (Distanz-)Wurfs ist etwas geringer als bei Towns.
Also darf es Randle versuchen, bevor Edwards seinen Rhythmus findet. Dass Mike Conley in dieser Saison nur 36,5 statt 44,5 Prozent von draußen trifft, tut sein Übriges. Zumal auch die Quoten bei den Zweiern (33,8 Prozent) Raum für Verbesserungen lassen. Ähnliches gilt für Donte DiVincenzo, der seinen Wurf noch nicht final nach Minnesota umgezogen hat (35,3 Prozent 3FG), sowie Jaden McDaniels (32,6 Prozent 3FG).
Edwards selbst scheint noch in der Anpassungsphase zu stecken. Inklusive des Boston-Spiels nahm er rund um Neujahr in fünf Spielen durchschnittlich nur 17,8 Würfe. Konzentrieren sich zwei Gegenspieler auf ihn, muss er den Ball schlicht weiter passen. Eigentlich nicht sein Spiel. Zumal sich gerade das Passing und Einsetzen von Teamkollegen immer noch im Lernprozess befinden. Gleichzeitig lernt ANT schnell. Im dritten Viertel gegen die Celtics gelangen ihm fünf Assists. Die Teamkollegen profitierten, Minnesota gewann den Abschnitt. Das sei guter Basketball gewesen, gestand auch ANT. Allerdings sei das nicht "die Art, auf die ich spielen will. Ich bin erst 23 und will nicht nur den Ball passen. So wie sie mich derzeit verteidigen, muss ich das aber wohl tun."
Spiele | MIN | PTS | FG% | 3P% | REB | AST |
---|---|---|---|---|---|---|
36 | 36,4 | 25,8 | 44,6 | 42,9 | 5.8 | 4,0 |
Tatsächlich leidet Edwards’ Scoring bereits seit längerem. Über den Dezember legte er 20,5 Punkte bei 42,7 Prozent aus dem Feld und 38,8 Prozent von draußen auf. Ein Blick auf Edwards’ Abschlüsse am Ring dient zudem als evolutionärer Denkanstoß. Derzeit machen sie nur 22 Prozent seiner Wurfdiät aus. Vergangene Saison waren es noch 31 Prozent, zuvor in zwei Spielzeit um die 39 sowie einmal 37 Prozent. Gleichzeitig setzte ANT laut Basketball Reference während der ersten 33 Spiele nur 17 Mal zum Dunk an, während er es vergangene Saison in insgesamt 97 Partien 96 Mal versuchte.
Grundsätzlich scheint der Prozess hin zum Perimeter bereits vor dem KAT-Trade eingesetzt zu haben, während die neue Situation die Entwicklung beschleunigt. Laut Cleaning the Glass schickt Edwards 46 Prozent seiner Würfe von jenseits der Dreierlinie Richtung Ring. Vergangenes Jahr waren es noch 30 Prozent. Das Auge unterstreicht die Zahlen. Explosionen in die Zone werden seltener. Stattdessen nutzt ANT seinen schnellen ersten Schritt, seine Fußarbeit, um sich Platz verschaffen und danach von draußen abzudrücken.
Am Ende stellt sich wohl die Frage der Balance aus Aggressivität, Wurf von draußen und Pass auf die Teamkollegen - und Edwards scheint nach seinem kleinen Frustrationsausbruch durchaus Schlüsse gezogen zu haben. Seit dem Boston-Spiel sucht er aggressiver den eigenen Abschluss, nahm gegen Detroit 31 Würfe, gegen die Clippers 29, gegen New Orleans 21. Am Ende standen 53, 37 respektive 31 Punkte. Zweimal gewann Minnesota.
Beide Siege koinzidierten zudem mit einem Wechsel, den Coach Chris Finch kurz zuvor noch ausgeschlossen hatte. Conley übergab seinen Platz als Starter an DiVincenzo. Die Idee: Der Neuzugang ist ein natürlicherer Offball-Spieler, womit Edwards den Ball noch häufiger bekommt, zudem einen Partner an seiner Seite hat, der das Feld breit machen kann (sofern DiVincenzos Wurf fällt wie zu Knicks-Zeit). Gleichzeitig passten Conley und Randle ob ihres Ballfokus nicht optimal zusammen. Der Point Guard wiederum sollte sich in für ihn besseren Lineups in eine Rhythmus spielen.
Gegen die Clippers stand er nach einem schwachen Start der Wolves beispielsweise mit ANT, Gobert, Reid und McDaniels auf dem Court und hatte in diesem Umfeld seinen Anteil, dass Minnesota einen 19-Punkte-Rückstand auf sieben Zähler zusammenschrumpfen ließ, ehe im dritten Viertel auch DiVincenzo zum Scoring beitrug. Für Conley standen am Ende 11 Punkte bei 4/8 aus dem Feld und 2/3 von draußen. "Ich glaube, es hat funktioniert", sagte der Point Guard später. "Wir werden sehen, wie es weitergeht, aber ich hatte definitiv das Gefühl, dass ich aggressiver und freier sein musste in den Lineups, in denen ich gespielt habe."
Edwards wiederum riss das Spiel im dritten Viertel an sich (15 Punkte) und verteilte über das gesamte Spiel 8 Assists. ANT fand die Balance, wie auch Finch bestätigte. "Ich hatte den Eindruck, dass es ihm gut gelungen ist, seine Mitspieler und das Mittel zwischen Aggressivität und Playmaking zu finden. Er stieß immer wieder tief in die Defense vor, traf schnelle Entscheidungen, ging konsequent in eine Richtung, wenn er zum Ring zog und überkomplizierte es nicht, wenn viele Gegenspieler um ihn herum standen."
Die vergangenen Playoffs, als Edwards bereits als Mini-Jordan von den US-amerikanischen Medien hochgejazzt wurde, verschleierten womöglich ein wenig die Realität. Edwards ist immer noch erst 23 Jahre alt. Seine Lernkurve mag steiler sein als bei vielen anderen, dennoch hat er ein gutes Stück weniger Erfahrung als beispielsweise Gilgeous-Alexander und Tatum, die das direkte Duell kürzlich für sich entschieden. ANT ist immer noch dabei, Dinge herauszufinden, zu lernen, wie er genau die von Finch angesprochene Balance zwischen eigenem Scoring, Aggressivität und Einsetzen der Mitspieler dauerhaft findet. Das muss er derzeit in einem Team tun, das sich im Sommer fundamental veränderte, das ebenfalls erst verstehen muss, wie es am besten funktioniert.
Erschwerte Bedingungen. Gleichzeitig lohnt sich der Blick in die Zwischenräume. Bevor sie gegen OKC verloren, gewannen die Wolves neun von 13 Spielen. Auch gegen Boston und die Thunder, zwei der drei besten Teams der Liga, fehlte nicht viel zum Sieg. Dazu trifft Edwards laut Cleaning the Glass 44 Prozent seiner Non-Corner-Threes und zählt damit zur absoluten Elite. Gleichzeitig spart er sich womöglich Kraft für die Playoffs, wenn er nicht Nacht für Nacht, Possession für Possession in die Zone sprintet. Edwards’ Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen. Kleinere Dellen gehören da ebenso dazu wie das Ausprobieren neuer Ansätze und die Suche nach der Balance - und ANT ist der erste der alles klar benennen wird.
Max Marbeiter