15.11.2024, 12:42
Statistisch beste Saison aller Zeiten
Die Denver Nuggets gingen mit großen Problemen in die neue Saison. Diese Probleme sind nicht gelöst, trotzdem hält das Team mit 5 Siegen am Stück die längste Siegesserie im Westen. Denn die Nuggets haben Nikola Jokic.
Ein sonderlich populärer MVP-Pick war Nikola Jokic vor der laufenden Saison nicht. Was weniger daran lag, dass niemand ihn mehr als tauglichen Spieler für den MVP angesehen hätte, sondern mehr an "indirekten" Faktoren, etwa der Voter-Fatigue, die ihn nüchtern betrachtet wahrscheinlich schon in der 22/23er Saison seinen dritten Award kostete. Irgendwann ist gefühlt immer jemand anders dran, gerade nach den eher enttäuschenden Playoffs 2024.
Zudem: Dreimal hat Jokic den MVP schon geholt, was selten ist. Vier wären noch seltener - nur LeBron James, Bill Russell, Kareem Abdul-Jabbar, Michael Jordan und Wilt Chamberlain haben das bisher geschafft. Gehört Jokic wirklich mit ihnen auf eine Liste? Ganz zu schweigen davon, dass der Standard, den Jokic über die Jahre für sich gesetzt hat, schon extrem hoch ist - und der Award zumeist an Spieler vergeben wird, die einen gewissen Sprung hinlegen.
Nun sind wir natürlich früh in der Saison, und wollen von daher auch noch keine echte Debatte vom Zaun brechen. Es gäbe aktuell sowieso keine. Würde der Award heute gewählt werden, müsste Jokic die einstimmige Antwort sein.
Den hohen Standard schiebt Jokic aktuell nochmal eine ganze Ecke höher. Die zehn Spiele, die er bis dato absolviert hat, zeigen den statistisch dominantesten Regular-Season-Basketball, den Jokic in seiner Karriere je gespielt hat. Obwohl diese ja voll ist mit Regular-Season-Dominanz, die seit Jahren für Rekorde sorgt und Jokic zum höchstdekorierten Spieler seit LeBron machte.
Jokic hat die NBA in jedem der letzten vier Jahre beim Box Plus/Minus angeführt und hält den höchsten Karriere-Schnitt in dieser Kategorie, beispielsweise. Beim Player Efficiency Rating ist es genauso - in der 21/22er Saison stellte er den All-Time-Rekord auf, das höchste Karriere-PER hat er ebenfalls. In der aktuellen Spielzeit torpediert er all diese Zahlen.
Rang | Spieler | Saison | PER-Wert |
---|---|---|---|
1 | Nikola Jokic | 2024/25 | 33,31 |
2 | Nikola Jokic | 2021/22 | 32,85 |
3 | Giannis Antetokounmpo | 2024/25 | 32,60 |
4 | Wilt Chamberlain | 1961/62 | 32,08 |
5 | Giannis Antetokounmpo | 2021/22 | 32,05 |
Rang | Spieler | Saison | Plus/Minus |
---|---|---|---|
1 | Nikola Jokic | 2024/25 | 15,02 |
2 | Nikola Jokic | 2021/22 | 13,72 |
3 | LeBron James | 2008/09 | 13,24 |
4 | Nikola Jokic | 2023/24 | 13,23 |
5 | Nikola Jokic | 2022/23 | 13,01 |
Natürlich muss man, wie immer, gar nicht zu tief in den Kaninchenbau der Advanced Stats eintauchen. Jokic‘ konventionelle Zahlen lesen sich gerade so: 29,7 Punkte, 13,7 Rebounds, 11,7 Assists, 1,7 Steals, 1 Block. 56% Dreierquote. Ligaführend bei Rebounds und Assists. Fünfter bei den Punkten. Das hat es in der Kombination, natürlich, noch nie gegeben. Das sollte es eigentlich wohl auch gar nicht.
Der Serbe liefert derzeit auf diesem nie dagewesenen Level, weil sein Team es braucht - die Nuggets haben die Abgänge von drei wichtigen Rotationsspielern über die letzten beiden Sommer schlichtweg nicht gut verdaut, zudem fällt Aaron Gordon nun wochenlang aus und Jamal Murray sucht, wenn er spielt, die Effektivität, die ihn in den 2020er und 2023er Playoffs zu einem so elitären Sidekick für Jokic machte.
Als Resultat sind die Nuggets derzeit kein richtig gutes Team - eigentlich. Nach fünf Spielen standen sie bei nur zwei Siegen, die jeweils in Overtime gegen vermeintliche Tanking-Teams des Ostens (Toronto und Brooklyn) eingefahren wurden. Gegen OKC, den wohl ärgsten Herausforderer im Westen, war man im ersten Anlauf chancenlos. Die ersten Abgesänge auf den 2023er Champion wurden bereits angestimmt.
Also legte Jokic eine Schippe drauf - und noch eine, und noch eine. Die letzten fünf Spiele hat Denver alle gewonnen, darunter auch gegen OKC und Dallas. Jokic steht bei vier Triple-Doubles in Folge - es wären sieben am Stück, hätten ihm nicht gegen Minnesota ein Rebound und gegen Utah ein Assist gefehlt. Es ist beinahe lachhaft, zu welchem Ausmaß er sein Team derzeit in jeder Hinsicht trägt - und tragen muss.
Gegner | Punkte | Rebounds | Assists |
---|---|---|---|
Brooklyn | 29 | 18 | 16 |
Minnesota | 26 | 9 | 13 |
Utah | 27 | 16 | 9 |
Toronto | 28 | 14 | 13 |
Oklahoma | 23 | 20 | 16 |
Miami | 23 | 20 | 16 |
Dallas | 37 | 18 | 15 |
Jokic spielt aktuell 38,1 Minuten pro Spiel, was seinen bisherigen Karrierebestwert (34,6) deutlich übertreffen würde. Dass das nicht ideal ist, ist wohl jedem in Denver bewusst - idealerweise sollte er sich in den Playoffs ja noch steigern können, das wird beim jetzigen Pensum nicht möglich sein. Eher wäre damit zu rechnen, dass er, trotz seiner starken Kondition, zu Beginn der Postseason noch ausgelaugter wäre als in der vergangenen Spielzeit.
Momentan wirkt das Pensum jedoch nahezu alternativlos, wenn Denver sich im starken Westen behaupten will. Noch nie in der Historie der Liga unterschieden sich die Leistungen eines Teams so drastisch in den Minuten mit respektive ohne ihren besten Spieler. Wenn Jokic spielt, haben die Nuggets ein Net-Rating von +13,9, womit sie die NBA komfortabel anführen würden. Ihre Offense produziert 129,2 Punkte pro 100 Ballbesitzen und, naja, dito.
Wenn er nicht spielt - nun. Jokic’ bisheriger Rekord für einen On/Off-Swing liegt laut Cleaning the Glass bei +24,8, aus der 22/23er Saison. Aktuell liegt dieser Wert bei +43,7. Will sagen: In den Minuten ohne Jokic spielen die Nuggets schlechter als das schlechteste Team der NBA-Geschichte, mit einem Net-Rating von -29,8. Mehr "Valuable" kann ein Spieler kaum sein.
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Natürlich führt das zu Fragen. Wie haltbar die Zahlen sind, einerseits. Ins Auge sticht als Outlier vor allem die Dreierquote, die nicht auf diesem Level bleiben kann - Jokic hatte schon mehrere Saison im Bereich 38 bis 39% von draußen, aber niemand trifft 56% über eine Spielzeit. Auf der anderen Seite ist die Effizienz am Ring für seine Verhältnisse aktuell sehr gering (63%), im Normalfall wird er sich in dieser Kategorie wieder steigern. Vielleicht gleicht sich das aus.
Auf der anderen Seite stellt sich die wichtigere Frage, wie haltbar diese Zahlen überhaupt sein sollten - und inwiefern Denver dazu beitragen kann, die Abhängigkeit von Jokic zumindest ein wenig zu reduzieren. Konstantere Leistungen von Murray wären wichtig, die Rückkehr von Gordon ohnehin. Ähnlich gut wäre mehr Produktion von der Bank und ein wenigstens ansatzweise fähiger Backup für Jokic - das Experiment mit Neuzugang Dario Saric verläuft bisher katastrophal (1 PPG, 16,7% FG), Zeke Nnaji scheint sich auch im fünften Jahr nicht zu etablieren.
Dummerweise hat Denver in Sachen Erstrundenpicks erst wieder den eigenen im Jahr 2031 anzubieten - und eine Ownership-Gruppe, die nicht unbedingt gewillt ist, alle möglichen finanziellen Ressourcen ins Team zu stecken. Das limitiert die Flexibilität des Front Office, die relevanten Baustellen anzugehen, das führte auch dazu, dass der einst so starke Supporting Cast nun fast nur noch aus recht unbewiesenen jungen Spielern und Russell Westbrook besteht.
Vielleicht führen die aktuellen Eindrücke nochmal zu einem Umdenken bei der Besitzer-Familie Kroenke. Vielleicht führt Jokic ihnen vor Augen, dass er der derzeit beste Spieler der Welt ist, und seinen Abstand zum Rest des Klassements sogar noch vergrößert hat.
Vielleicht suggeriert dieser Saisonstart ihnen aber auch, dass schon alles nicht so schlimm sein kann, solange sie diesen Typen haben, der alles kann, alles macht und Offensiv-Basketball auf einem Level zelebriert, das in der Form, statistisch zumindest, vor ihm noch niemand erreicht hat.
Wer weiß - die Saison ist noch lang, viel kann und wird noch passieren. Immerhin können wir davon ausgehen, dass die MVP-Konversation auch 2025 nicht ohne Jokic stattfinden kann. Wenn er diese nicht sowieso schon im Keim erstickt, ehe sie richtig losgeht. Sollten diese zehn Spiele ein Vorgeschmack und kein Ausreißer sein, bewegen wir uns genau in diese Richtung.
Ole Frerks