07.10.2024, 07:06
Superstar in Miami nicht mehr unumstritten
Die Miami Heat und Jimmy Butler führten fünf Jahre lang eine sehr erfolgreiche Beziehung miteinander, die gemeinsame Zukunft wurde im Frühling jedoch vom obersten Team-Verantwortlichen in Frage gestellt. Was wollte Pat Riley mit seinen deutlichen Aussagen in Richtung seines besten Spielers bezwecken?
Eine positive Randerscheinung des Alterns ist es, dass den Leuten irgendwann egal ist, was andere von ihnen denken, und die Zwänge der Subtilität ablegen. Wobei das für Pat Riley wohl noch nie ein Problem war: Der Heat-Pate legt in Gesprächen mit Free Agents gerne mal seine gewonnenen Meister-Ringe auf den Tisch (mit Erfolg), in seiner Zeit als Coach garantierte er mal einen Repeat (mit Erfolg) und tauchte seinen Kopf vor versammelter Mannschaft minutenlang in einen Kübel kaltes Wasser, um die Spieler wahlweise einzuschüchtern oder zu motivieren. Auch das, natürlich, mit Erfolg - dieser verfolgt den fast 80-Jährigen seit den 80er Jahren. Als Spieler, Coach und Executive war Riley an acht NBA-Titeln mit beteiligt.
Dieser Hintergrund ist wichtig, um einzuordnen, welche Worte Riley nach dem Playoff-Aus seines Teams in Richtung seines besten Spielers abschickte, der die erste Runde gegen Boston ausgesetzt und danach behauptet hatte, mit ihm auf dem Court wären sowohl der spätere Meister als auch die Knicks längst im Urlaub gewesen.
"Ich dachte: 'Meint er das ernst oder soll das ein Scherz sein?'", erklärte Riley. "Wenn du nicht auf dem Court stehst, solltest du in Sachen Kritik der anderen Teams deinen Mund halten." Auf der gleichen Pressekonferenz schloss Riley dann auch noch die vorzeitige Vertragsverlängerung, die Jimmy Butler sicherlich gern gehabt hätte, nahezu kategorisch aus.
"Das ist eine große Entscheidung für uns, ob wir solche Ressourcen einsetzen, es sei denn, man hat jemanden, der jeden Tag zur Verfügung steht", sagte Riley. "Das ist die Wahrheit. Wir müssen uns überlegen, ob wir das machen wollen, und wann. Das müssen wir erst bis 2025 tun." Die erfrischend unsubtile Botschaft dahinter: Du bist an der Reihe, Jimmy.
Unter gewissen Aspekten betrachtet führen Butler und die Heat eigentlich eine Traumehe. Vor fünf Jahren landete der sechsmalige All-Star am South Beach, der zuvor bei drei Stationen sportlich abgeliefert hatte, aber angeeckt war, und schien dort den Deckel für seinen Topf zu finden. Miami und Butler, das wurde schnell zu einem Synonym, das passte einfach.
Miami ist mit Butler ein massiver Playoff-Overachiever: Zweimal erreichten die Heat die Finals, ein weiteres Mal fehlte nur ein Treffer in Game 7 der Conference Finals - dabei gingen sie einmal als 5-Seed und einmal gar als Play-In-Team in die Postseason. Nicht zuletzt war das deshalb möglich, weil Butler, wenn das Geld auf dem Tisch lag, drei Gänge hochschalten konnte wie kaum ein anderer, und legendäre Playoff-Leistungen am Fließband abspulte.
Auch wenn die ultimative Belohnung in Form eines Titels ausblieb, ist dieser Stretch ein massiver Erfolg - und erzählt trotzdem auch nur einen Teil der Geschichte. Denn: Dass Miami quasi immer überperformen muss, hat auch nicht zuletzt mit Butler zu tun, der die Regular Season bisweilen als ein ausgedehntes Warmlaufen anzusehen scheint.
Saison | Bilanz | Osten | Playoffs |
---|---|---|---|
2019/20 | 44-29 | 5. | Niederlage in den Finals (Lakers, 2-4) |
2020/21 | 40-32 | 6. | Aus in Runde eins (Bucks, 0-4) |
2021/22 | 53-29 | 1. | Aus in den Conference Finals (Celtics, 3-4) |
2022/23 | 44-38 | 8. | Niederlage in den Finals (Nuggets, 1-4) |
2023/24 | 46-36 | 8. | Aus in Runde eins (Celtics, 1-4) |
Nicht, dass Butler während der Saison nichts beitragen würde. Er ist ein Star, aber kein ständiges Mitglied im All-NBA-Team, über die vergangenen drei Jahre erreichte er diese Ehre nur 22/23 (wurde dafür aber kein All-Star). Er spielt weniger aggressiv als in den Playoffs, was dazu beiträgt, vor allem aber spielt er schlichtweg weniger.
99 Regular-Season-Spiele hat Butler verpasst, seitdem er für die Heat spielt. Die 65-Spiele-Qualifikation für Awards, die vergangene Saison eingeführt wurde, hat er noch nie erreicht. Nun sind Awards nicht das Wichtigste für ein Team, das jedes Jahr als "Championship or Bust" ansieht, offensichtlich sind die Ausfallzeiten mittlerweile aber auch für die Heat zu lästig.
Was verständlich ist, denn: In gewisser Weise spielen die Heat in jedem Jahr mit dem Feuer, wenn die Regular Season von ihrem besten Spieler nicht priorisiert wird. Vergangene Saison etwa hätten zwei weitere Siege für den Heimvorteil in Runde eins reichen können, stattdessen ging man übers Play-In und wurde dann ohne Butler von den Celtics verprügelt.
Rileys Frust - und auch die Hoffnung hinter seinen Aussagen - ist demnach klar zu erkennen: Butler, der Mitte September seinen 35. Geburtstag feierte, soll das kommende Jahr seriöser angehen. Es geht für ihn schließlich um den nächsten Deal: Für 25/26 hätte Butler noch eine Spieler-Option (52,4 Mio.), Berichten zufolge plant er aber, diese nicht zu ziehen und stattdessen einen längerfristigen Vertrag zu unterzeichnen. Am liebsten in Miami, so heißt es zumindest.
Das kleine Problem dahinter: Auch wenn der nächste Vertrag ein Druckmittel der Heat ist - es ist nicht so, dass sie alle Trümpfe in der Hand halten. Der Contender, der sie sein wollen, sind sie trotz einiger guter junger Spieler und einem zweiten Star in Bam Adebayo wenn überhaupt nur dann, wenn Butler das Bounce-Back-Jahr hat, das Riley von ihm fordert.
Was dieser auch zugab: "Wer bei uns den größten Unterschied macht, ist Jimmy", sagte Riley. "Er ist ein unglaublicher Spieler." Ein zunehmend alter, immer wieder verletzter, und zweifellos streitbarer Spieler, aber eben auch einer, der wie wenige sonst den Unterschied über Sieg oder Niederlage ausmachen kann. Der Alternativen hätte, sollte die Beziehung mit den Heat enden.
Die Warriors sollen interessiert sein, sollte Butler irgendwann verfügbar werden. Gerüchte gibt es interessanterweise auch über die Nets, obwohl Butler in deren Situation eigentlich wenig Sinn ergeben würde; reizvoll wäre er in erster Linie für ein Team, das bereits stabil genug für die Regular Season ist, aber gern seine Chancen in den Playoffs erhöhen würde.
Für den Moment ist das aber ohnehin nur Spekulation: "Nein", sagte Riley ganz klar zur Frage, ob Miami, wenn keine Einigung mit Butler erzielt wird, einen Trade anstreben würde. Es gäbe zwar Argumente für einen Rebuild der Heat, aber wohl nicht für Riley, den nur der potenziell letzte tiefe Run seiner Karriere interessiert.
Für diesen Run braucht er Butler - und wahrscheinlich auch noch mehr, selbst wenn die Heat nach außen immer wieder betonen, sie hätten "genug". Über den Sommer geisterten Gerüchte um Kevin Durant und Damian Lillard herum, die Miami schon in der Vergangenheit auf dem Zettel hatte. Auch über Julius Randle wurde wohl mit den Knicks gesprochen, bevor diese den Forward am Wochenende nach Minnesota schickten.
Stand jetzt ist in Miami über die Offseason wenig passiert, zumindest in positiver Hinsicht. Die Heat verloren Caleb Martin ersatzlos und unnötigerweise an Philadelphia, die namhaftesten Neuzugänge sind schon Alec Burks sowie Nr.15-Pick Kel’el Ware. Verpflichtungen für die Tiefe, die aber wohl keine Rolle für etwaige Titel-Ambitionen des Teams spielen dürften.
Nun ist es möglich, dass Miami es wie schon in der Vergangenheit noch einmal schafft, ein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, ansonsten muss sich aber festhalten lassen: Sie brauchen das Bounce-Back-Jahr ihres besten Spielers mindestens genauso dringend wie dieser selbst. Um zu sehen, welche Zukunft diese Iteration des Teams tatsächlich noch hat.
"Wir haben angedeutet, dass wir Jimmy mögen und wollen, dass er in Miami bleibt", sagte Heat-GM Andy Elisburg bei Sirius XM schon etwas versöhnlicher. "Pat hat bei seiner Pressekonferenz angedeutet, dass er Dinge sehen will und dass es Herausforderungen gibt. Jimmy kennt es, herausgefordert zu werden. Pat und Jimmy sind zwei Leute mit sehr starkem Willen, die das gleiche Ziel haben, was ultimativ Gewinnen ist. Deswegen glaube ich, dass es sich am Ende des Tages von selbst lösen wird."
In irgendeiner Form wird das sicherlich passieren. Es ist nur nicht gesagt, wie diese Lösung am Ende aussieht - und wer von den Beteiligten dadurch zufriedengestellt wird.
Ole Frerks