05.08.2024, 09:48
Die Deutschen bei der U-18-EM im Porträt
Zum ersten Mal in der Verbandsgeschichte hat eine DBB-Auswahl einen Juniorentitel gewonnen. Die U 18 krönte sich in Finnland im Finale gegen Serbien zum Europameister. Wir stellen die besten Spieler dieses bärenstarken Jahrgangs vor.
Es ist vollbracht. Mit einem bärenstarken Jahrgang hat die deutsche U-18 dem DBB den ersten Titel auf Juniorenebene beschert. Im Finale wurde der amtierende Europameister Serbien mit 93:83 geschlagen. Dabei überzeugte wie schon im gesamten Turnier die Starting Five aus Christian Anderson, Jack Kayil, Ivan Kharchenkov, Declan Duru und Hannes Steinbach. Anderson und Steinbach wurden nach der Partie ins All-Tournament Team gewählt, während der Isreali Ben Saraf, der kommende Saison für ratiopharm Ulm auflaufen wird, mit der MVP-Trophäe ausgezeichnet wurde.
Exemplarisch dafür war das Viertelfinale gegen Litauen, dass die DBB-Junioren knapp für sich entschieden. In den kompletten 40 Minuten machte kein einziger Bankspieler einen Punkt. Dieser deutsche Kader überzeugte vor allem mit Qualität in der Spitze, obwohl mit Mathieu Grujicic (FC Barcelona) oder auch Center Eric Reibe, der ein starkes Albert-Schweitzer-Turnier mit der U 18 spielte, weitere Top-Spieler nicht mit dabei waren. Wir stellen die fünf größten Talente der Europameister-Mannschaft vor.
Mit 31 Punkten im Finale war der Point Guard der überragende Mann auf dem Feld. Mit 1,84 Meter recht klein, ist Anderson dafür aber sehr wuselig und mit einem guten Wurf ausgestattet. Der Aufbauspieler wird in der kommenden Spielzeit auf dem College für Texas Tech auflaufen, obwohl er zuvor bereits Michigan (dort spielten die Wagner-Brüder) seine Zusage gegeben hatte.
Anderson lebt seit seinem fünften Lebensjahr in den USA, sein Vater spielte viele Jahre in Deutschland und kehrte nach der Karriere wieder in die Staaten zurück. Der Point Guard spielte auf der High School für die renommierte Oak Hill Academy, die eine echte Talentschmiede ist und seit Jahren NBA-Spieler am Fließband ausbildet.
Trotzdem war Anderson in den vergangenen Jahren immer wieder bei den Lehrgängen der Nationalmannschaft dabei. 2022 wurde er zum MVP B-EM gekürt und half mit, dass Deutschland in diesem Jahrgang wieder in die höchste Division aufstieg.
Kayil genoss seine Ausbildung bei Alba Berlin, bevor er im Vorjahr nach Vechta wechselte, dort aber ausschließlich in der zweitklassigen ProA beim B-Team zum Einsatz kam. Wie Anderson fühlt sich Kayil auf der Eins wohl, spielte bei diesem Turnier aber etwas mehr abseits des Balles. Dem Wurf fehlt noch etwas die Konstanz, dafür ist Kayil ein exzellenter Passgeber, vor allem im Pick’n’Roll.
Mit 1,93 Meter hat Kayil Gardemaß und ist mit seinen langen Armen ein sehr unangenehmer Verteidiger. In der ProA legte der 18-Jährige in 30 Partien durchschnittlich 10,5 Punkte und 2,8 Assists bei Quoten von 37,5 Prozent aus dem Feld sowie 31,3 Prozent von der Dreierlinie in 21,9 Minuten auf.
Kayil soll auch bereits auf dem Zettel zahlreicher NBA-Scouts stehen, es ist deswegen nur logisch, dass der Aufbauspieler sich nun Mega Basket aus Serbien anschließt. Der Klub wird von der Agentur BeoBasket geführt, es ist ein Schaufenster für potenzielle NBA-Prospects. In den vergangenen zehn Jahren wurden 14 Spieler von diesem Team gedraftet, darunter der dreifache NBA-MVP Nikola Jokic, Ivica Zubac, Goga Bitadze oder zuletzt Nikola Jovic im Jahr 2022.
Der dritte Guard im Bunde. Kharchenkov sorgte bereits bei der U-18-EM im Vorjahr für Furore, als es Platz vier wurde und spielte sich ebenfalls ins Notizbuch zahlreicher NBA-Teams. Schon mit 16 Jahren debütierte der Sohn des früheren sowjetischen Nationalspieler Alexander für den FC Bayern, seit der Erhebung der elektronischen Daten kam es in der BBL keinen jüngeren Scorer.
ESPN-Draft-Guru Jonathan Givony sah in Kharchenkov schon bei der vergangenen U-18-EM eines der zehn größten Talente (damals Platz sieben), bemängelte aber damals dessen Quoten. Diese waren dieses Jahr besser und der Bayern-Guard zeigte sich trotz kleiner Wehwehchen (er setzte drei Spiele aus) sehr konstant in seinen Vorstellungen.
Der Dreier fällt zwar weiter nicht wie gewünscht, doch der immer noch erst 17-Jährige hat ein gutes Ballhandling, findet seine Mitspieler und kann am Korb hochprozentig abschließen. Womöglich wird der Youngster bei den Bayern im kommenden Jahr mehr Einsatzzeit sehen, in der EuroLeague reichte es im Vorjahr zumindest zu vier Kurzeinsätzen. Dazu wurde der 17-Jährige im Februar auch schon von Bundestrainer Gordon Herbert für einen Lehrgang bei der A-Nationalmannschaft nominiert.
Duru gilt schon seit Jahren als eines der größten Talente des deutschen Basketballs und könnte auch im kommenden Jahr noch einmal an der U-18-EM teilnehmen. Schon mit 14 Jahren beeindruckte Duru mit seiner Athletik und so wechselte der Forward, der aus München stammt und dort für die IBAM spielte (wie zum Bespiel auch die Gebrüder da Silva), zu Real Madrid.
Vor allem im offenen Feld ist der Zwei-Meter-Mann kaum zu stoppen, im Halfcourt besteht aber jede Menge Luft nach oben. Es fehlen noch echte Moves und ein guter Wurf, dafür war er in Finnland der beste deutsche Defensivspieler und verteidigte meist die besten Spieler des Gegners.
Wenn die Offense nicht kommt, wird Duru aber ein starker Rollenspieler sein. Das zeigte er auch bei dieser EM, nachdem er wenige Wochen zuvor bei der U-17-Weltmeisterschaft Probleme als erste Option hatte. Dennoch sollte man sich seinen Namen merken, nicht zuletzt weil er mit 17 Jahren schon den Körper eines NBA-Spielers hat.
Die Älteren werden sich vielleicht noch an den "Koloss von Moos" (Körpergröße: 2,12 Meter) erinnern. Burkhard Steinbach war 1998 der Center an der Seite des jungen Dirk Nowitzki, als Würzburg in die BBL aufstieg. Sohnemann Hannes ist zwar knapp zehn Zentimeter kleiner, dennoch ein grandioser Rebounder. Pro 40 Minuten waren es bei der EM satte 20,7 Boards im Schnitt, in sieben Spielen schnappte sich Steinbach 42 Offensiv-Rebounds. Das waren fast doppelt so viele wie der Zweitplatzierte.
Der Big Man unterschrieb erst kürzlich in Würzburg seinen ersten Profivertrag, im Jahr zuvor war Steinbach der MVP der Nachwuchsliga NBBL und machte sich nun auch international einen Namen. Was ihm an Masse fehlt, macht Steinbach über Positionsspiel und Stärke in der Rumpfmuskulatur wett, Nachholbedarf gibt es in der Defense und beim Abschluss am Brett.
Steinbach kann aber auch auf dem Flügel spielen, sein Wurf ist solide, auch wenn er dies bei der EM überhaupt nicht zeigte. Dennoch war dieses Turnier für Steinbach ein voller Erfolg und womöglich wird es in der BBL auch zu den ersten Einsatzzeiten reichen.
Robert Arndt