vor 1 Tag
Miami steckt im Mittelmaß fest
Die Miami Heat befinden sich zum wiederholten Male tief in einer höchstens mittelmäßigen Spielzeit, an deren Ende sie wohl im Play-In der Eastern Conference landen werden. Anders als in vergangenen Jahren ginge ihnen dort jedoch nun auch der Status ab - die Heat sind kein Schreckgespenst mehr, sondern wirken verloren. Gibt es einen Ausweg?
Wenn sich irgendjemand in der NBA über die vergangenen Jahre das Selbstvertrauen verdient hat, als Underdog trotzdem jede Situation meistern und jedes Team überraschen zu können, ist es Miami; zweimal erreichten die Heat seit 2020 die Finals, ohne dabei in einer Serie den Heimvorteil zu haben (gut, in der Disney Bubble gab es diesen sowieso nicht). 2023 marschierten sie sogar als Play-In-Team bis zur letzten Serie der Saison.
Dieses Team war mehr als einmal absolut zur Stelle, wenn es darauf ankam. Und trotzdem fällt es in 2025 wesentlich schwerer, Aussagen wie die folgende von Team-Topscorer Tyler Herro so richtig ernstzunehmen: "Jeder in unserem Locker Room würde selbstbewusst in jedes Erstrundenmatchup gehen." Dieses Team ist nicht die 23er Heat, offensichtlich.
Der Hauptfaktor, der Miami auch als niedrigerer Seed stets gefährlich machen konnte, spielt jetzt in der Bay Area - und das "Paket", das Miami für Jimmy Butler zurückbekam (im Wesentlichen Andrew Wiggins, Davion Mitchell und Kyle Anderson), passt nicht in dessen Fußstapfen, so viel ist nach wenigen Wochen bereits offensichtlich.
Optimisten sahen den Butler-Trade als Initialzündung - schließlich hatte Miami nach Monaten der Gerüchte endlich Klarheit. Die Realität jedoch ist: Seit Butlers letztem Spiel für Miami hat das Team nur acht von 25 Spielen gewonnen und ein schauriges Net-Rating (-4,9; Platz 23), die letzten sieben Spiele wurden allesamt verloren. Ein Play-In-Team sind diese Heat mit ihrer 29-38-Bilanz nur deshalb noch, weil sie im Osten spielen.
Die Problem-Analyse ist dabei recht schnell erledigt. Miami war auch über die letzten Jahre kein gutes Offensiv-Team (seit 22/23 immer im unteren Drittel), hatte aber die Defense, Disziplin und in Butler einen elitären Closer; seit seinem Abgang ist die Offense noch schlechter (Platz 27), die Defense hat nachgelassen, und enge Spiele entscheidet Miami selten für sich.
Von 35 "Clutch" Games laut Definition von nba.com/stats hat Miami 22 verloren; ihre Clutch-Offense ist die schlechteste der NBA, ihr Clutch Net-Rating (-16,1!!!) "toppen" lediglich die Jazz, die seit Beginn der Saison von Cooper Flagg träumen, keine Spiele gewinnen wollen und diese daher nicht selten mit ausschließlich Erst- und Zweitjahresprofis beenden.
Die Heat tun das nicht; bei ihnen spielen überwiegend Veteranen, tanken lehnt die Franchise nach außen hin ohnehin kategorisch ab (Tanken über mehrere Jahre würde ihn "in die Klapsmühle" bringen, sagte Team-Präsident Pat Riley einmal). Die Rollenverteilung jedoch hat sich verändert, die Identität sowieso.
Und Herro, in dieser Saison erstmals All-Star (und eigentlich eine sehr positive Entwicklung), ist nicht Butler; der 25-Jährige hat in dieser Spielzeit die meisten Clutch-Würfe genommen (99), aber nur 29,3 Prozent (und 18,3 Prozent von draußen) davon getroffen.
Nicht zuletzt deshalb haben die Heat bereits eine Reihe von potenziell gewinnbaren Spielen verloren. "Das macht hier gerade niemandem Spaß", sagte Herro. "Es ist eine schwere Zeit. Aber wir müssen dranbleiben. Wir können niemandem außer uns selbst die Schuld geben und müssen weiterkämpfen."
Spieler | Team | FGA | FG% |
---|---|---|---|
Tyler Herro | Heat | 99 | 29,3 |
Trae Young | Hawks | 96 | 37,5 |
DeMar DeRozan | Kings | 91 | 44,0 |
Jalen Brunson | Knicks | 90 | 52,2 |
Anthony Edwards | Timberwolves | 89 | 39,3 |
* clutch = Letzte fünf Minuten, wenn in einem Spiel die Differenz maximal fünf Punkte beträgt
Natürlich ist Herro mitnichten alleinverantwortlich für die Probleme, im Gegenteil - über die Saison ist er der größte offensive Unterschiedsspieler der Heat-Rotation (+7,3). Was Bände über die restliche Rotation spricht. Kein anderer Spieler im Roster ist in der Lage, regelmäßig Offense für sich und andere zu kreieren.
Der schaurige Leistungsabfall von Terry Rozier etwa fällt in Miami noch drastischer ins Gewicht, seitdem Butler nicht mehr da ist (vergangene Saison legte er in Charlotte 23,2 Punkte auf; in dieser Spielzeit sind es 11,4 bei 40% aus dem Feld). Bam Adebayo bleibt ein elitärer Verteidiger und ist dabei, sein Offensiv-Arsenal mit häufigeren Dreiern anzureichern, ein echter Isolation-Scorer oder "aus dem Nichts"-Creator jedoch ist er nicht und wird er auch nicht mehr werden.
Herro ist der Lichtblick in dieser Hinsicht, auch seine Rolle ist durch die Defizite des Kaders jedoch größer, als sie es wohl eigentlich sein sollte. Es fehlt der Strohhalm, der den Drink umrührt, das "Besondere", der elitäre Offensivspieler im Kader. Was vermutlich jedem in Miami bewusst sein sollte.
Das Problem ist nur: Wo bekommt man diesen nun her?
Das Ziel, durch den Butler-Trade aus finanziellen Verpflichtungen herauszukommen, wurde nur teilweise erfüllt; Miami hat auch für die kommende Saison bereits 178,5 Mio. Dollar in den Büchern stehen und wird keine große Rolle in der Free Agency spielen können. Im Sommer 2026 könnte sich das ändern, die Verträge von Rozier und Duncan Robinson etwa laufen bis dahin aus und Wiggins könnte aus seinem Deal aussteigen.
Natürlich kann sich bis dahin aber auch an der Zusammensetzung des Kaders noch einiges ändern. Im kommenden Draft werden die Heat wohl zweimal picken (der eigene Pick ist Top-14-geschützt, dazu haben sie den Warriors-Pick) und können ihren "Nachwuchs" um Jaime Jaquez Jr., Nikola Jovic und den vielversprechenden Rookie Kel’el Ware weiter ergänzen.
Vielleicht ist Miami dafür jedoch nicht geduldig genug (Riley wird in dieser Woche 80). Natürlich können die Picks auch in Trades eingesetzt werden, in Kombination mit den bald auslaufenden Verträgen; traditionell wird Miami immer mit jedem größeren Namen in Verbindung gebracht, der getradet werden könnte.
Tatsächlich haben die Heat seit Rileys Ankunft ja auch schon mehr als einmal ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert - das letzte Mal ist zwar eine Weile her, möglich scheint ein größerer Deal aber jederzeit. Wenngleich sich aktuell schon fragen lässt, ob es denn überhaupt den einen Star gibt, der aus diesem Kollektiv wieder einen Contender machen könnte.
Für den Moment jedenfalls wirkt Miami in erster Linie auf der Suche - nach einer Ausrichtung, einer Identität, einer Möglichkeit, die Relevanz zurückerlangen.
"Im Moment sind wir kein Contender", gab auch Herro zu, immerhin. Angesichts der Pick-Protection wäre es für die Heat wohl besser, wenn sie in dieser Spielzeit sogar nicht einmal ein Playoff-Team wären. Der beste Weg, um an Star-Talent zu kommen, ist selbst für ein Team am South Beach noch immer der Draft.
Aussprechen will das bei den stolzen Heat wenig überraschend aber niemand. "Wir müssen jetzt einfach zusammenbleiben und dies als Möglichkeit für uns als Gruppe nutzen, etwas zu bewältigen, das einfach keinen Spaß macht. Und wir werden unseren Weg daraus finden", versprach Erik Spoelstra.
Vor nicht allzu langer Zeit hätte man ihm das bereitwilliger abgekauft.
Ole Frerks