09.09.2024, 09:17
WNBA-Rookies lösen Hype aus
Was mit zwei Gesten begann, prägt heute die WNBA und soll sogar zu Morddrohungen geführt haben. Doch wie groß ist die Rivalität zwischen Angel Reese und Caitlin Clark wirklich? Wie setzt sie sich in der WNBA fort und welchen Impact haben die beiden Rookies individuell und gemeinsam auf Liga und ihre Teams?
"Im Moment, in dem es passiert, weißt du nie, wie etwas dein Leben verändern kann." Direkt in der ersten Ausgabe ihres Podcasts Unapologetically Angel wagte Angel Reese einen Ausflug in die Philosophie. Ihre eigene Plattform, so dachte Co-Host Maya Reese, könne sie doch nutzen, um ihre Sicht der Dinge zu einer Rivalität darzulegen, die einige bereits mit Magic Johnson und Larry Bird vergleichen.
Angel Reese und Caitlin Clark. Auseinander dividieren lassen sich die beiden Rookies kaum noch. Was auch an jenem Moment liegt, von dem Reese nicht ahnte, was er bringen würde. "Jetzt zu wissen, dass meine fünf Finger und mein einer Finger, der auf sie zeigte, mein Leben für immer verändern würden, ist verrückt", fügte sie an.
Als On-Court-Pantomime versucht hatte sich Reese im NCAA-Championship-Game 2023. Ihre Louisiana State Tigers hatten Clarks Iowa Hawkeyes geschlagen - und das, nachdem Clark wegen ihrer Scoring-Fähigkeiten während des gesamten Tournaments maximale Aufmerksamkeit erhalten hatte. Und das, obwohl sie dabei gewohnt ruhig wirkte, während Reese - Spitzname "Bayou Barbie"- keine Bühne scheute. Die beiden ergaben das optimale Gegensatzpaar für maximale Aufmerksamkeit.
Im Schnitt 9,9 Millionen Menschen schauten beim Finale zu. So viele hatten noch nie ein Damen-College-Basketballspiel gesehen. Entsprechend aufmerksam verfolgte der geneigte Beobachter, als Reese beim deutlichen Sieg erst fünf Finger vor dem eigenen Gesicht hin und her wedelte, um danach mit einem auf ihren Ringfinger zu zeigen. Ihre Augen? Fixierten Clark. Der Beginn einer Hassliebe. Geschichten, Rivalitäten, vor allem öffentlichkeitswirksam unterstrichene, liebt das Publikum. Verhöhnen mag es dagegen nicht.
Genau dieser Vorwurf in Richtung Reese pendelte jedoch schnell durch die Medienlandschaft - fand seinen Weg offensichtlich jedoch nicht in Clarks Wahrnehmung. "Ich denke nicht, dass Angel Kritik verdient hat", sagte sie ESPN zwei Tage nach dem Finale. "Ich glaube, jeder wusste, dass es ein wenig Trash Talk geben würde."
Nur prägt die kollektive Wahrnehmung ein widerspenstiges Gemüt. Hat sie ihre Realität einmal fertig gemeißelt, bleibt sie standhaft wie Michelangelos Statuen. Also dominierte die Rivalität Reese-Clark auch das Duell LSU-Iowa im Elite Eight 2024. Dass die Hawkeyes diesmal gewannen, rutschte beinahe in den Hintergrund. Aller Bemühungen gegenteiliger Beweisführung zum Trotz.
"Ich glaube, die Leute verstehen nicht, dass es nichts Persönliches ist", sagte Reese in einem ESPN-Interview. "Ich glaube sie nehmen einfach an, dass wir uns hassen. Ich und Caitlin hassen uns nicht. Ich will, dass die Leute das verstehen." Gleichzeitig nehme sie gern die Rolle des Bösewichts an.
Gegenüber ESPN bekräftigte Clark das Wettkampffeuer. "Wir beide wollen mehr als alles andere gewinnen", erklärte sie. In ihrem Ehrgeiz seien sich daher beide ähnlich. "Wir beide lieben das Spiel seit Kindestage und werden alles tun, um unserem Team zu helfen zu gewinnen."
Clark gelang genau das im zweiten Anlauf besser. Iowa zog ins Final Four ein. Interessant blieb jedoch vor allem die Rivalität mit Reese. "Nur darüber wollten die Leute reden", zeigte sich Clark in der ESPN+-Serie Full Court Press daher leicht irritiert. "Dabei hatten wir diesen magischen Run, haben so viele Menschen zusammengebracht. Und das frustriert mich."
Es wirkt, als seien Clarke und Reese für die nähere Zukunft untrennbar miteinander verbunden. Zumal beide derzeit ihre erste WNBA-Saison spielen. Clark drafteten die Indiana Fever an erster, Reese die Chicago Sky an siebter Stelle. Gleichzeitig sind beide keine ganz normalen Rookies, die sich erst einmal behutsam in die Liga hinein fühlen müssen. Auch in der WNBA drängt sie ihr Spiel auf die ganz große Bühne.
Reese dominiert an den Brettern, brach Candace Parkers Sky-Rekord für die meisten Double-Doubles in Folge, stellte neue Rekorde für die meisten Rebounds und Offensiv-Rebounds auf. Sie arbeitet hart in der Zone, tankt sich Richtung Ring, schließt dort häufig mit Kontakt ab. Mit 1,91 Metern nutzt sie ihre Physis. Der Rest ihres Offensivarsenal muss sich dagegen noch finden. Einen respektablen Wurf hat sie sich noch nicht angeeignet. Am Perimeter sinken Defenses maximal ab.
Vielleicht wüsste Clark Rat.
Kategorie | Caitlin Clark | Angel Reese |
---|---|---|
Direktes Duell | 3-1 | 1-3 |
Punkte. | 19,0 | 13,6 |
Rebounds. | 5,8 | 13,1 |
Assists. | 8,4 | 1,9 |
Steals | 1,4 | 1,3 |
Blocks | 0,8 | 0,7 |
FG% | 42,3 | 39,1 |
3P% | 34,9 | 18,8 |
FW% | 90,3 | 73,6 |
Ihr herausragendes Shooting macht die beste College-Scorerin aller Zeiten zur wandelnden Bedrohung für jegliche Defense. 100 Dreier in einer Saison traf noch keine früher als Clark. Selbst wenn sie sich vordergründig aus einem Play verabschiedet, lässt sie besser niemand allein stehen. Gleichzeitig orchestriert sie die Fever-Offense durch ihr Passing. Im Pick and Roll hat Clark die nötige Geduld, den Instinkt für den richtigen Passmoment, zudem den optimalen Winkel.
Sie kontrolliert die Geschwindigkeit, verschärft das Tempo oder nimmt es heraus. Dabei gleitet sie beinahe von links nach rechts, baut sanft ein Hesitation-Dribbling ein. Clark kontrolliert und manipuliert. Selbst der Pass aus dem Blitz heraus funktioniert mittlerweile besser, wenngleich sie sich im Schnitt 5,7 Turnover leistet und hin und wieder den Schwierigkeitsgrad ein Stück zu weit erhöht. Vor allem spielt Clark im Schnitt 8,5 Assists, ist durch Scoring und Passing an rund 37 Prozent aller Fever-Punkte beteiligt. Neuer WNBA-Rekord, sollte es bis Ende der Saison halten.
Seit der Olympiapause legt sie zudem 24,7 Punkte, 9.3 Assists sowie 5,8 Rebounds auf, Indiana gewann sieben seiner letzten acht Spiele, darunter gegen die Topteams aus Connecticut, Minnesota und Seattle. Die erste Playoff-Teilnahme seit 2016 steht fest. Und die Öffentlichkeit schaut zu. Mit 16.978 Zuschauern sind Fever-Heimspiele die bestbesuchten der Liga. Nachdem im Vorjahr nur 4.066 Fans ins Gainbridge Fieldhouse gekommen waren. Als Indiana im Juli in Las Vegas spielte, füllten 20.366 Menschen die T-Mobile Arena. Auswärtsspiele der Fever besuchen durchschnittlich 14.837 Fans. Clark zieht. An Nummer zwei Folgen Reese’ Chicago Sky.
Gemeinsam beschleunigen Reese und Clark ganz offensichtlich den bereits zuvor eingesetzten Aufstieg der WNBA. Gleichzeit staubt Clark einen Großteil der Aufmerksamkeit ab, was zu Neid führen kann. Gerade zu Saisonbeginn wurde sie besonders hart rangenommen, immer wieder mit Checks und Fouls zu Boden gebracht. Nicht wenige schoben die sehr physische Gangart auf den Hype um Clark. Der Neid. Nun steht einen Statistik zur Diskussion, laut der Clark 17 Prozent aller Flagrant Fouls der gesamten Saison aufnehmen musste. Vorne dabei: Chicago, dass von diesen 17 Prozent 80 auf sich vereint. Auch Reese verpasste Clark beim Contest-Versuch einen Schwinger gegen den Kopf.
Also doch Abneigung? Der Wettkampfgedanke? In Unapologetically Angel betonte Reese, dass Clark für sie "immer eine hervorragende Spielerin" gewesen sei. "Wir spielen seit der Highschool gegeneinander. Es gab niemals Beef. Wir haben schon zu AAU-Zeiten Trash-Talk betrieben." Am Ende, glaube sie, seien es vor allem die Fans. Denn die scheinen es tatsächlich zu übertreiben. Reese erzählt von Morddrohungen und Menschen, die bei ihr zu Hause aufgetaucht seien. Unzählige Schritte zu weit.
Rein sportlich trafen sich Reese und Clark am 30. August, einen Tag nachdem ESPN Reese im Rookie-of-the-Year-Ranking vor Clark platziert hatte. Die antwortete mit 31 Punkten, 12 Assists, 4 Rebounds bei 57,1 Prozent aus dem Feld und 55,6 Prozent von draußen. Indiana gewann in Chicago mit 100:81. Reese kam dagegen nie im Spiel an. Als Clark längst saß, stand sie dafür auch in der Garbage Time noch auf dem Feld. Mühsam knüpfte sie so die nächste Masche an ihre Double-Double-Streak. Entsprechend schlich sich der Vorwurf des Stats-Padding sanft an Reese’ Seite.
Was das für den Rookie-of-the-Year-Award bedeutet? Unsicher. Tatsächlich dürften ihn Clark und Reese unter sich ausmachen. Wobei das Momentum immer deutlicher in Richtung Clark ausschwingt, auch weil Reese die letzten Spiele mit einer Verletzung am Handgelenk verpassen wird. Dennoch wirkt Clark schlicht wie die komplettere Spielerin. Zudem startete Chicago zwar besser in die Saison, kämpft mittlerweile aber noch um die Playoffs.
Fakt ist: Eine von beiden täte der WNBA schon gut. Clark und Reese in Kombination bringen der Liga den perfekten Sturm. Ihre gemeinsame Geschichte stimuliert das Interesse. Zumal beide sportlich maximal mithalten können. Angesichts des Hypes um Clark möchte Reese auch das noch mal klarstellen: "In 20 Jahren werde ich zurückschauen und sagen: „Ja, der Grund, weshalb wir Frauen-Basketball schauen ist nicht nur eine Person. Es ist auch meinetwegen." Ich möchte, dass ihr das alle begreift“, sagte sie nach dem ersten WNBA-Duell mit Clark. Die Größe dieses Moments hatte Reese direkt wahrgenommen.
Max Marbeiter