21.10.2024, 12:07
Zehn Vorhersagen zur neuen Saison
In der Nacht auf Mittwoch startet die neue NBA-Saison! Zeit, um ein paar Vorhersagen zu treffen. Mit dabei: Statistische Meilensteine für Doncic und Wembanyama, Trade-Picks und die diesjährige Finals-Paarung.
Das Triple-Double an sich wurde über die vergangenen Jahre ein wenig entwertet, nachdem es 2016/17 noch das Hauptargument vieler Wähler war, um Russell Westbrook zum MVP zu machen. Russ schaffte es danach noch drei weitere Male, landete aber nur 17/18 noch einmal auf dem MVP-Ballot - an fünfter Stelle. Das K.o.-Kriterium wäre es heute nicht mehr.
Runde Zahlen sind trotzdem manchmal schön, und vielleicht auch ein Ansporn für Doncic, der noch auf seinen ersten MVP-Award wartet und vergangene Saison Dritter wurde, was sein bisher bestes Resultat war. Der Slowene kam dem Schnitt dabei schon gefährlich nah (33,9 PPG, 9,2 RPG, 9,8 APG), nach der All-Star-Pause lag er drüber (33,2, 10,1, 10,3).
In der kommenden Spielzeit wird er sich neben Westbrook und Oscar Robertson einreihen als dritter Spieler, der dieses Kunststück tatsächlich schafft. Wer weiß, der MVP-Award könnte am Ende ebenfalls seiner sein.
Die Cavs sind ein talentiertes Team, das nach dem ersten Serien-Sieg der Welthistorie/ohne LeBron James nun den nächsten Schritt machen will. Das scheint nicht ausgeschlossen, es gab bisher jedoch ein gewisses Problem: Die besten vier Spieler haben noch keinen Weg gefunden, am Ende eines Spiels gemeinsam auf dem Court zu stehen (und dabei gut zu funktionieren).
Vergangene Saison war es besonders eklatant: Die Pärchen Donovan Mitchell und Jarrett Allen sowie Darius Garland und Evan Mobley hatten jeweils dominante Minuten mit Net-Ratings im zweistelligen Bereich, zu viert lag der Wert bei +2 - also auch okay, aber eben nicht ideal. Im Sommer erhielten alle von ihnen außer Garland, der schon bis 2028 unter Vertrag stand, neue Verträge, das Quartett bekam also das Vertrauen ausgesprochen. Im Gegensatz zum alten Coach J.B. Bickerstaff, der nun von Kenny Atkinson beerbt wurde.
Vielleicht hat Atkinson eine Lösung. Vielleicht wird Mobley mehr zum Shooter, vielleicht wird der Big auch mehr als Playmaker eingebunden, um die offensive Redundanz mit Allen zu verringern. Vielleicht klappt das alles aber auch nicht, weil sich die Spielertypen sowohl im Backcourt mit zwei sehr kleinen Guards als auch im Frontcourt etwas zu ähnlich sind.
Das müsste nicht schlimm sein. Garland dürfte definitiv Interesse auf sich ziehen, es gibt auch durchaus Teams mit Bedarf auf der Fünf. Allens neuer Deal wurde so unterschrieben, dass er ab Ende Januar 2025, also kurz vor der Trade Deadline, wieder abgegeben werden könnte. Mindestens bis dahin stehen die Cavs unter besonderer Beobachtung.
Es ist nun schon mehr als 30 Jahre her, dass dieses Kunststück von jemandem geschafft wurde - damals war es ein Spurs-Center, David Robinson, der im Februar 1994 34 Punkte, 10 Rebounds, 10 Assists und 10 Blocks auflegte. Zuvor schafften es (seit der offiziellen Erhebung von Blocks ab dem Jahr 1974) drei andere Spieler (Nate Thurmond, Alvin Robertson, Hakeem Olajuwon), seither niemand mehr. Abgesehen von Tim Duncan in den 2003er Finals, dem in Game 6 bizarrerweise die zwei Blocks nicht notiert wurden, die es für den Vierfach-Zehner noch gebraucht hätte.
Es wird Zeit, dass sich jemand offiziell dieser Liste anschließt. Wemby ist dafür der beste, der naheliegendste Kandidat. Mit 23 Punkten, 15 Rebounds, 9 Blocks und 8 Assists war er vergangene Saison gegen Denver bereits nah dran, dabei spielte er bloß 33 Minuten. Spiele mit 10 Blocks und 10 Assists hatte er jeweils schon.
Die enorme Tiefe der Western Conference wird Opfer fordern. 13 Teams würden gerne die Playoffs erreichen, es gibt aber nur acht Plätze - das reicht nicht, selbst wenn man junge Träumer wie die Spurs oder Rockets (siehe unten) herausrechnet. Etablierten Teams drohen Enttäuschungen.
Bei den Clippers würde die Playoff-Teilnahme mittlerweile wohl schon überraschen, nachdem bekannt wurde, dass Kawhi Leonard noch immer nicht fit ist und zum Saisonstart auf unbestimmte Zeit ausfällt. James Harden war mal die beste One-Man-Show der Liga, mit 35 ist er das wohl eher nicht mehr.
(Nicht so) Fun Fact: Die Clippers schicken ihren Erstrundenpick 2025 an die OKC Thunder - und den 2026er auch. Wenn ein Team sich ein Abrutschen gerade nicht leisten sollte, ist es wahrscheinlich dieses.
So düster ist die Situation bei den Lakers nicht. In der Verlosung sollten sie durchaus auftauchen, schließlich hatte das Team auch in der Vorsaison seine Momente (in den Spielen mit James, Davis, Russell, Hachimura und Reaves im Lineup hatten sie eine 21-8-Bilanz) und nun einen neuen Coach sowie Rookie Dalton Knecht, der in der Preseason viel Spaß machte.
Die Lakers sind aber auch weiter ein enorm Star-abhängiges Team, und sowohl LeBron (71) als auch Davis (76) machten vergangene Saison ihre meisten Spiele seit der 17/18er Saison. Das ist so nicht zwingend wieder zu erwarten, und selbst 23/24 reichte es trotz dieser Verfügbarkeit nur für 47 Siege. Los Angeles hat keinen Spielraum, wenn einer der beiden Superstars mal ausfällt.
Die Rockets wollen nicht auf den nächsten Schritt warten. Vergangene Saison bemühten sie sich um einen Trade für Mikal Bridges, in der Offseason baggerten sie angeblich an Kevin Durant, vor allem aber angelten sie sich zukünftige Draft-Picks aus Phoenix und setzten damit wohl ein Stück weit darauf, dass die Lage in der Wüste Arizonas über die kommenden Jahre so brenzlig wird, dass die Suns einen ihrer Stars vielleicht als Gegenwert nach Houston schicken müssen.
Das wird in dieser Saison wohl eher noch nicht passieren, aber: Houston hat schon jetzt mehr Talente als verfügbare Minuten in der Rotation, und eben recht zahlreiche Extra-Picks auf der Habenseite. Gut möglich, dass sie nicht all ihren Youngstern gerecht werden können, zumal Ime Udoka gewinnen will und dafür gern auf Veteranen setzt.
Es wäre möglich, abzuwarten und sich die Talente selbst "sortieren" zu lassen, vielleicht kommt aber auch stattdessen schon jetzt der große Konsolidierungstrade, in dem zwei oder drei Talente für einen etablierten Star abgegeben werden. Abgesehen von OKC haben nicht viele Teams so viele interessante Chips zur Verfügung wie die Rockets.
Das Ost/West-Gefälle ist auch in der kommenden Spielzeit extrem, zumindest ist davon auszugehen. Es gibt zwar auch in der Eastern Conference legitime Top-Teams (Boston, Philly, New York, vielleicht Milwaukee) und junge Kandidaten für den Heimvorteil (Indiana, Cleveland, Orlando) sowie Miami (Miami), aber das sind nur acht Teams. Wer sonst ist wirklich ernst zu nehmen, und möchte das auch sein?
Vermutlich stehen die Hawks über dem restlichen Klassement, zumal sie ihren 2025er Erstrundenpick sowieso den Spurs schenken und nicht von Cooper Flagg träumen können. Ansonsten gibt es im hinteren Teil der Conference ein paar Tanking-Teams und eine große Portion Ungewissheit. Da aber auch der Zehnte der Conference das Play-In erreicht, brauchen wir noch ein Team. Tippen wir auf die Pistons!
Die Argumente: Ein neuer Coach in J.B. Bickerstaff, der das Team anders als sein Vorgänger nicht aktiv sabotieren wird. Neuzugänge mit Wurf, die ein weniger kompliziertes Ökosystem für Cade Cunningham kreieren sollten. Und nicht zuletzt Cade selbst, der wie ein Franchise-Player bezahlt wurde und nun in der Pflicht steht, mal konstanter zu liefern.
Detroit hatte zwei Jahre in Folge die wenigsten Siege der Liga, mehr als 23 Siege wurden seit 2019 nicht mehr geholt. Wenigstens damit sollte es 24/25 endlich vorbei sein.
Die Wahrnehmung von Jahr drei des Berliners ist zum Teil noch immer absurd, sämtliche Fortschritte wurden von den (realen und großen) Problemen beim Jumpshot überstrahlt. Wagner traf über seine ersten beiden Jahre 35 bzw. 36% von draußen, 23/24 dann bloß 28%, und es wurde hinten raus eher schlechter als besser. Folglich stempelten Viele die gesamte Saison als Rückschritt ab, als klassisches "Down Year".
Das stimmte so allerdings nicht. Effizienz und Volumen aus dem Zweipunkteland verbesserte Wagner, er ist ein noch besserer, kaum zu haltender Driver geworden. Sein Playmaking machte Fortschritte, auch in der Spacing-herausgeforderten schwachen Offense der Magic. In den Playoffs gewannen die Magic die drei Spiele, in denen Wagner am meisten wie er selbst aussah, was ebenfalls durch die Stinkbombe in Game 7 (6 Punkte, 1/15 FG) überstrahlt wurde.
Die Hoffnung muss lauten, dass der Wurf sich normalisiert, um das Scheinwerferlicht wieder stärker auf all die positiven Attribute seiner Entwicklung zu lenken. Fast alle Advanced Stats sahen Wagner 23/24 trotz allem auf Augenhöhe oder klar stärker als Teamkollege Paolo Banchero, der die Magic beim All-Star Weekend vertrat. Nun ist auch Wagner an der Reihe.
Nach ihrer aggressiven Offseason gelten die Knicks bei den Buchmachern und vielen Experten als größter Herausforderer der Celtics im Osten, vielleicht als Titelkandidat. Das könnte stimmen: Die beste Version des Teams verfügt über viel Qualität und Flexibilität, es gibt Firepower, es gibt auch defensiv eine starke Infrastruktur.
Es gibt aber auch Gefahren, die sich schon jetzt bemerkbar machen. Das Team ist ohnehin schon dünn, nun fallen Mitchell Robinson und Precious Achiuwa schon vor Saisonstart aus (vielleicht eine Chance für Ariel Hukporti). O.G. Anunoby und Karl-Anthony Towns sind traditionell verletzungsanfällig und verpassen in der Regel ihre 20 bis 30 Spiele pro Saison.
Tom Thibodeau ist ein starker Coach, vielleicht aber nicht ideal für ein solches Team, da er seine Starter über die gesamte Saison knechtet wie niemand sonst und Load Management für Hokuspokus hält. Es ist gut möglich, dass die Knicks, ähnlich wie schon im Vorjahr, in der Postseason aus dem letzten Loch pfeifen und eben nicht ihre beste Version abrufen können.
Die Offseason war nicht gut, vom Meister-Kern 2022 sind jetzt nur noch vier Spieler übrig. Viereinhalb, wenn Christian Braun mitgezählt wird. Jamal Murray spielte schwache Playoffs und noch schwächere Olympische Spiele, hinter seiner Gesundheit steht immer ein Fragezeichen. Der Westen hat dazu aufgerüstet, insbesondere die Thunder. Gegen Minnesota hat Denver bereits eine Serie verloren.
Alles richtig, alles legitim. Aber Denver hat noch immer Nikola Jokic, dessen Prime nicht bloß eine Finals-Teilnahme beinhalten wird. Die Top 4 ist, wenn gesund, immer noch genial aufeinander abgestimmt, und vielleicht kann tatsächlich Julian Strawther, der eine sehr gute Preseason spielte, in die Rolle des Caldwell-Pope-Vertreters hineinwachsen und Denver den Shooter geben, der dringend noch benötigt wird.
Die beste Bilanz der Regular Season wird Denver sicherlich nicht holen. Es ist aber deutlich zu früh, die Nuggets als Playoff-Schreck abzuschreiben, der durchaus auch noch einmal Meister werden könnte.
Hier wird jedoch der erste Repeat-Champion seit 2018 getippt. Boston hat seine eigenen Probleme, insbesondere auf den großen Position, wo Kristaps Porzingis erst einmal auf unbestimmte Zeit ausfällt (und bekanntlich auch sonst nicht aus solider Eiche gebaut ist) und Al Horford zu den Handvoll ältesten NBA-Spielern zählt, die 24/25 wichtige Rollen spielen sollen (nach LeBron belegt er wohl den zweiten Platz).
Boston hat aber auch genug Qualität, um das mindestens in der Regular Season zu kompensieren, die Bank ist mittlerweile besser als ihr Ruf, gerade wenn Xavier Tillman sich in dieser Spielzeit weiter etablieren kann. Ihr bester Spieler steht ähnlich wie Jokic eigentlich immer zur Verfügung, ihr System funktioniert, schon allein deshalb kann dieses Team weiter Siege am Fließband anhäufen.
Und, rechnen wir damit, dass die Top 6 in der Postseason fit ist: Kein anderes Team stellt so viele Spieler, die so gut in Offense UND Defense sind UND dabei alle bereitwillig und häufig von draußen abdrücken. Lange wird Boston diese Top 6 nicht mehr zusammenhalten können, weil sie zu teuer wird (Horford hört vielleicht auch auf), aber in diesem Jahr eben schon.
(Bonus-Take: Jayson Tatum wird diesmal Finals-MVP)
Zeit, dass es wieder losgeht!
Ole Frerks