04.11.2024, 09:18
U-18-Europameister vor dem Sprung zu den DBB-Männern
Die deutsche Basketballnationalmannschaft trifft am 22. und 25. November in der EM-Quali auf Schweden. Bundestrainer Alex Mumbru muss kreativ sein, da NBA und EuroLeague nicht pausieren. Toptalent Jack Kayil könnte davon profitieren. Doch wer ist der 18-Jährige, der im Sommer mit der U-18 Europameister wurde?
Jack Kayil ist ein 1,90 m (laut ESPN 1,93 m) großer Combo Guard, der dem Jugendprogramm von Alba Berlin entstammt. In der vergangenen Saison gab er sein Profidebüt für die zweite Mannschaft von RASTA Vechta in der zweitklassigen ProA. Dort wurde der wurfstarke und flinke Youngster gleich zum besten Nachwuchsspieler der Saison gekürt. In einer Liga, in der kein anderer Spieler aus seinem 2006er-Jahrgang überhaupt regelmäßig in der Rotation stand, legte Kayil 10,5 Punkte und 2,8 Assists pro Partie auf. Doch damit nicht genug: In der gleichen Saison wurde er beim Adidas Next Generation Tournament (ANGT), einem U-18-Turnier der EuroLeague, zu einem der fünf besten Spieler ernannt. Zur Krönung wurde er im vergangenen Juli U-18-Europameister. Dabei bildete er mit Chris Anderson ein fulminantes Guard-Duo. Kayil kam im Schnitt auf 15,3 Zähler und 3,4 Assists.
Im Sommer wechselte er zum Club KK Mega MIS, für dessen U18-Team er bereits beim vergangenen ANGT auflief. Hinter dem Namen steckt eine Mannschaft aus Neu-Belgrad, einem Stadtteil der fast gleichnamigen serbischen Hauptstadt. Der Club wurde ab Mitte der 2000er-Jahre zum Kooperationspartner der Spieleragentur BeoBasket, die laut dem Portal Eurohoops in der abgelaufenen Saison die deutlich meisten Spieler in der EuroLeague stellte. Auch der dreimalige NBA-MVP Nikola Jokic wird von jener Agentur beraten und entstammt dem Programm von Mega, das neben Jokic vor allem Ivica Zubac als etablierten NBA-Starter hervorbrachte. Im vergangenen NBA-Draft wurden zudem mit Nikola Topic (an zwölfter Stelle) und Nikola Djurisic (an 43. Stelle) wieder Spieler gezogen, die der Feder des serbischen Ausbildungsprogramms entstammen.
Alter | 18 | |
Größe | 190cm | |
Position | Point Guard | |
Aktuelles Team | KK Mega Basket (Serbien) | |
Letztes Team | RASTA Vechta II |
Der Club spielt in der Adriatic League (ABA), einer Liga mit sechzehn Teams aus fünf Staaten des Balkans - und seit dieser Saison Dubai. Die Liga ist in der Spitze stark: Partizan und Roter Stern Belgrad spielen eine solide Rolle in der EuroLeague, der europäischen Königsklasse. Hinzu kommen vier weitere Clubs, die aktuell konkurrenzfähig im EuroCup und in der Basketball Champions League sind. Dubai ist seit Kurzem ein weiteres zahlungskräftiges Ligamitglied. In der Breite erreicht die Liga unter Umständen nicht ganz BBL-Niveau.
Kayil wird sich wahrscheinlich ähnlich wie seine Vorgänger bei Mega erhoffen, über Spielpraxis auf einem relativ hohen Niveau auf sich aufmerksam zu machen. Kayils Statistiken in den ersten sechs Partien sind mit unter anderem 8,5 Punkten, 2,0 Assists und 33,3 Prozent Dreierquote eher durchwachsen. Allerdings lebt der 18-Jährige erstmals außerhalb seines Heimatlandes. Sein Team rangiert mit vier Siegen und zwei Niederlagen in oberen Tabellengefilden, spielte aber bisher vornehmlich gegen eher schwächere Teams. Kayil sorgte jedoch mit seinen 15 Punkten und fünf Assists maßgeblich dafür, dass Mega ABA-Neuling Dubai die bisher einzige Niederlage zufügte.
Sollte sich Kayil im Saisonverlauf noch mehr akklimatisieren, könnte er durchaus noch im Dunstkreis der NBA-Draft-Konversationen landen. Im jüngsten Top-100-Big-Board von US-Portal ESPN taucht sein Name nicht auf. Der renommierte ESPN-Draftanalyst Jonathan Givony schreibt dem Berliner jedoch großes Potenzial zu. Im vergangenen Januar attestierte er Kayil im Zuge seiner Leistungen beim ANGT "Schläue, Spielgefühl und Skill" sowie "als Pick-and-Roll-Spieler die Fähigkeit, fortgeschrittene Reads mit herausragender Schnelligkeit und Kreativität zu tätigen". Wie hoch er im Kurs der NBA-Scouts stehen wird, hänge laut Givony auch davon, "wie sich seine jugendliche Statur und seine Athletik in den nächsten ein, zwei Jahren entwickeln" und er sich "insbesondere defensiv" behaupten kann.
In seiner jungen Karriere definiert sich Kayil bislang vor allem über seinen Wurf und seine Schnelligkeit. In seit 2022 insgesamt 72 von Statistikportal RealGM erhobenen Partien nahm der Combo Guard im Schnitt 4,8 Dreier- gegenüber nur 3,9 Zweierversuchen. Hinzu kommen recht beträchtliche 3,8 Freiwurfversuche pro Partie. Gleichzeitig verlor er - gerade für einen jungen Spieler - selten Ball: 3,6 Assists stehen 1,9 Ballverlusten gegenüber.
Seine Dreierquote ist mit 31,5 Prozent ausbaufähig. Jedoch lassen seine stabile Freiwurfquote von 82,7 Prozent und seine Ansätze als Werfer aus dem Dribbling vermuten, dass er sich noch zu einem recht stabilen Werfer entwickeln kann. In seinen ersten sechs Partien für Mega verwandelte der Berliner laut Statistikdienst Synergy starke 47,6 Prozent seiner Catch-and-Shoot-Dreier. Aus dem Dribbling konnte er bisher keinen seiner acht Dreierversuche verwandeln, doch in der Vorsaison zeigte er recht vielversprechende Ansätze, als er in der ProA 32,7 Prozent seiner 1,8 Dreierversuche aus dem Dribbling traf.
Zusätzlich zu seinem bisher recht dreierlastigen Wurfprofil gelingt es Kayil recht häufig, mit seinem schnellen ersten Schritt und einem recht vielseitigen Repertoire an Crossover-Dribblings an seinen Gegenspieler vorbeizukommen. In Ansätzen ähnelt sein Spiel dem von Maodo Lô. Ob Kayils Schnelligkeit auch für NBA-Verhältnisse beeindruckend ist, kann zumindest in Zweifel gestellt werden. Bislang spielte er in der ProA und in der ABA in relativ wenig athletischen Ligen.
Zusätzlich zu seinen Fähigkeiten als Scorer am Ball und abseits des Balles ist Kayil potenziell auch ein solider Verteidiger. In Belgrad setzte er gegnerische Guards teilweise über das ganze Feld unter Druck. Neben seinen flinken Füßen überzeugt auch seine Aktivität mit den Händen. Bislang kommt er auf 1,2 Ballgewinne pro Partie. Der 18-Jährige verteidigt mit viel Disziplin, schaltet in der Regel schnell von Offensive auf Defensive um und rotiert abseits des Balles flink und diszipliniert. Ab und an fehlt es ihm bislang an Kraft und teilweise Fußarbeit, um sich über Blöcke zu kämpfen. Gerade für einen Scorer sind sein Einsatz und sein Motor am defensiven Ende aber ziemlich beeindruckend.
Eine Baustelle in Kayils Spiel stellt neben der ausbaufähigen Physis und Wurfkonstanz seine Abschlussfähigkeit innerhalb der Zone dar. Für Vechta 2 konnte er in der ProA nur rund 47 Prozent seiner Korbleger verwandeln, bei seinen ersten sechs Auftritten für Mega auch lediglich 36 Prozent. Zwar bringt der Guard gewisse Kreativität in seinen Abschlüssen mit und finisht teilweise auch mit Hangtime unter dem Korb, doch insgesamt gelingt es ihm noch nicht konstant, gegen Kontakt zu finishen oder über beispielweise Verzögerungen, Eurosteps, Spin Moves, oder andere Bewegungen klare Abschlussfenster zu kreieren.
In dieser und der abgelaufenen Spielzeit nahm er laut Synergy nur zwölf Floater, obwohl er diese mit überzeugender Quote (58 Prozent) versenkte. Sein Spiel in der Mitteldistanz ist ebenfalls noch ausbaufähig, wodurch ihn Gegner bislang recht einfach am Korb abfangen können. Für Mega kam er bislang auch nur auf sieben Freiwurfversuche. Manche dieser Punkte könnten sich aber bereits lösen, indem er mit steigendem Alter etwas an Kraft zulegen könnte.
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Verbesserungsbedarf gibt es zudem beim Ballvortrag unter Druck. Teilweise benötigt er viele Dribblings, um den Ball nach vorne zu bringen. Gegen aggressive Pick-and-Roll-Verteidigungen behält er bislang den Kopf nicht immer oben, wodurch er teilweise Anspielmöglichkeiten verpasst. Insgesamt stellt sich noch die Frage, ob er den Sprung zum Point Guard bzw. primären Ballhandling vollziehen kann.
Keine Zweifel bestehen jedoch wahrscheinlich daran, dass Jack Kayil zusammen mit seinem U-18-Kollegen Chris Anderson der talentierteste Guard im deutschen Basketball ist. An beiden Enden des Spielfeldes bringt der Berliner vielseitige Ansätze und obendrein Führungsqualitäten mit. Vielleicht wird er diese bereits im kommenden Länderspielfenster einem größeren Publikum darbieten, das berichtete zumindest zuletzt Rupert Fabig vom Hamburger Abendblatt.
Lukas Feldhaus