26.02.2025, 13:53
Bleiben die Nuggets brandgefährlich?
Nach überschaubarem Saisonstart zählten die Denver Nuggets über Wochen zu den heißesten Teams der Liga - dann kamen die Lakers. Wie echt ist Denvers Siegesserie also? Zählen sie wirklich zum engsten Favoritenkreis oder verdeckte der dominante Schein ein mitunter durchaus kompliziertes Sein? Und weshalb hängt so viel an Jamal Murray?
Ohne die Botschaft überhaupt gehört zu haben, erfüllte Jamal Murray Shaquille O’Neals Wünsche umfassend. 45 Punkte schenkte er den Mavs Mitte Januar ein. Dazu kamen 6 Rebounds sowie jeweils 2 Steals und Rebounds. Ob Shaqs Ansage ihn inspirierte habe, wollte ESPN-Reporter Jared Greenberg nach dem Spiel wissen. Er habe sie gar nicht mitbekommen, entgegnete Murray. "Ich würde aber gern wissen, was er gesagt hat", fügte er an. Greenberg zitierte: Sollten die Nuggets noch einmal die Meisterschaft gewinnen wollen, so Shaq, beginne alles mit Murray. "Also fang an."
Murray stimmte zu. "Zu 100 Prozent. In solchen Spielen, wenn es bei mir läuft, müssen wir uns keine Sorgen machen", sagte er. "So fühlt die ganze Gruppe. Wenn es bei Jok (Nikola Jokic, Anm. d. Red.) läuft, denken wir 'Ok, bei ihm läuft es. Bei ihm läuft es.’ Aber ich denke - und das Team denkt genauso -, wenn es bei mir läuft, müssen wir uns keine Sorgen machen. Wir müssen nur verteidigen. Und Shaq hat zu 100 Prozent Recht. Ich muss an mein Maximum kommen. Ich muss besser spielen. Bis heute habe ich furchtbar gespielt und hatte Probleme."
Murray überschätzt seine Rolle in diesem Fall nicht etwa, viel mehr spricht er zwei entscheidende Wahrheiten rund um die Nuggets an, die sich in den Wochen vor und nach dem 15. Januar noch einmal manifestierten.
Erstens: Nikola Jokic’ Leistungen sind nicht selbstverständlich und selbstverständlich zugleich. Dass er konstant auf dem höchsten Niveau der Liga spielt, ist etwas Besonderes. Da er dieses Level so konstant erreicht, können die Nuggets gleichzeitig darauf setzen. Jokic allein schenkt dem Team einen ungemein hohen Floor.
Woraus Implikation Nummer zwei folgt: Allein gewinnen kann der dreifache MVP nicht. Seine Leistung gibt dem Team Sicherheit. Zündet gleichzeitig sein Co-Star, wissen die Nuggets aus Erfahrung, dass besondere Dinge möglich sind. Wie oft trugen Jokic und Murray Denver gemeinsam durch die Playoffs? Wie oft entschied nicht nur ihr Zusammenspiel, sondern entschied auch Murray Spiele und Serien, bis am Ende die Meisterschaft stand?
Gerade deshalb verkomplizierte Murrays langsamer Start in die Saison auch Denvers Einstieg. Zu Beginn brachte der Kanadier keine Konstanz in seine Offense, legte im November ein True Shooting von nur 53 Prozent auf. Langsam kletterte es in die hohen 50er, bis es nun, im Februar, bei 67,8 Prozent angekommen ist. Anders: Der Point Guard hat seine offensive Effizienz wiederentdeckt.
Mit Murray gewannen auch die Nuggets an Sicherheit. Seit der Pleite gegen die Celtics am 8. Januar verloren sie nur noch fünf Mal, 18 Spiele gewannen sie. Zwischenzeitlich reihten sie neun Siege aneinander. Mit Murray allein hatte das nichts zu tun. Doch es begann mit dem Point Guard. Zumal Murray und Jokic längst wieder das gefährlichste Offensiv Duo der Liga bilden. Mit Abstand. Das blinde Verständnis, das gegenseitige Stimulieren ist zurück. Das Team folgt.
Gleichzeitig bleiben Fragen. Denn, so werfen viele ein, die ganz großen Aufgaben musste Denver während der vergangenen Wochen nicht meistern. Angesichts von Niederlagen gegen Houston, Minnesota und die Knicks musste sich die Echtheit der Siegesserie daher diverser prüfender Blicke unterziehen. Erst recht, als Denver den Lakers am Wochenende deutlich unterlegen zu sein schien, was selbst Jokic beunruhigte.
"Wir hatten eine 9-Spiele-Siegesserie gegen Teams mit Verletzungsproblemen oder Teams, die nicht wirklich gut waren oder gut dastehen", sagte der Center nach dem Spiel. "Vielleicht haben wir uns etwas vorgemacht, dass wir gut spielen."
Gut spielten die Nuggets gegen LA tatsächlich nicht. Die Idee der Lakers, jeden Pass auf Jokic am Zonenrand maximal zu erschweren, den Serben permanent zu doppeln, teilweise zu trippeln, im jeglichen Raum zu nehmen und damit maximal von Denvers Schützen abzusinken, brachte Denver sichtlich aus dem Konzept. Die in den letzten 15 Spielen zweitbeste Offense der Liga (Offensive Rating 122,5) blieb am Ende bei 100 Punkten. Also doch viel Rauch um wenig Championship-Chancen? Bedingt.
"Wir konnten uns nicht mit ihrer Intensität messen", sagte Murray nach der Niederlage und sprach damit einen entscheidenden Punkt an. Spielen sie gegen Denver, geht es für die Lakers um mehr. Zwischen 2022/23 und den vergangenen Playoffs verloren sie zwischenzeitlich 11 Spiele in Folge. In zwei Playoff-Serien gelang lediglich ein Sieg. Um das Narrativ zu drehen, plante Coach JJ Redick daher ganz genau; und am Ende wirkte es, als sei ein Team exakt auf das Matchup vorbereitet, spielte eine Playoff-Serie, während das andere ein intensives Regular-Season-Spiel erwartete.
Das heißt nicht, dass Denver LA normalerweise schlagen würde. Es schafft Kontext. Zumal die Nuggets trotz suboptimaler Leistung lange mithielten. Gleichzeitig offenbarte das Spiel einige strukturelle Probleme. Denn so gut Denvers Offense an normalen Tagen ist, defensiv wird es immer wieder kompliziert. Mangels echter Bigs spielten die Lakers klein, zogen Jokic immer wieder aus der Zone, wo ihm das Tempo fehlt. Gleichzeitig bekommt die Nuggets-Defense Probleme, wenn sie rotieren muss. Je mehr sich der Ball bewegt, je öfter Denver hinterherläuft, desto häufiger bieten sich offene Würfe. Die Lakers nutzten das.
Dazu kam die Offense. Grundsätzlich bauen die Nuggets darauf, dass vor allem Jokic’ Brillanz vorne gewisse Defizite hinten ausbalanciert. Nur machten sich die Lakers Denvers große offensive Schwachstelle zunutze. Zwar treffen die Nuggets 38,1 Prozent ihrer Dreier, stehen damit ligaweit auf Rang drei, gleichzeitig drücken sie nur 31,4 Mal von draußen ab. Kein Team versucht es seltener. Echte Scharfschützen besitzen die Nuggets abgesehen von Michael Porter Jr. (41 Prozent 3FG bei 6,3 Versuchen) und mit Abstrichen Murray (52,4 Prozent 3FG im Februar) nicht. Aaron Gordon trifft in dieser Saison zwar 41 Prozent seiner Dreier. Er nimmt sie aber vor allem, weil die Defense sie ihm gestattet.
Tatsächlich versuchen die Nuggets immer wieder, Gordon offensiv früh einen Rhythmus finden zu lassen, um Defenses ins Grübeln zu bringen. Gegen LA funktionierte genau das jedoch nicht. Gordon legte zwar 24 Punkte auf, traf 4 seiner 7 Dreier, nur ist das nicht die Offense, die Denver laufen möchte. Die Lakers sanken ab, Jokic hatte keinen Raum, fand keinen Flow (12 Punkte, 2/7 FG, 6 Turnover), die Offense stotterte.
Gleichzeitig war Redicks Taktik so extrem, dass sie für ein Spiel aufgehen, in einer Serie jedoch geringe Halbwertszeit besitzen könnte. Immerhin ist Jokic bekannt dafür, Probleme schneller zu lösen als Harvey Keitel. Das Lakers-Spiel als Fundament einer Argumentationslinie gegen Denvers Titelchancen zu nutzen, griffe daher zu kurz.
Natürlich meinte es der Spielplan in den vergangenen Wochen gut mit den Nuggets. Nur nutzten sie es eben maximal aus. Vor allem ist ihre Offense auch ohne den Fokus auf den Dreier elitär, was unter anderem an einer dezenten Profilanpassung liegt. Einerseits nutzt Denver die meisten Postups der Liga - mit Jokic soweit nichts Neues -, andererseits ziehen sie das Tempo in diesem Jahr deutlich an. Spielten vergangene Saison nur vier Teams langsamer als die Nuggets, haben sie in diesem Jahr die fünfhöchste Pace der Liga (101).
Mit Kentavious Caldwell-Pope verlor Denver im Sommer einen wichtigen Floor Spacer. Mangels Alternativen, müssen nun die Jungen einspringen. Die können nun mal rennen - und cutten. So sind die Nuggets noch mehr um schnelle Lösungen bemüht, sprinten immer wieder Richtung Ring, um dort Jokic’ Pässe aufzunehmen. Christian Braun als neuer fünfter Teil der Starting Five hat das perfektioniert. Zeke Najii findet derzeit seine Rolle als explosiver Rollman. Ähnliches gilt für Peyton Watson, wenn er fit ist.
Dazu lernten die Nuggets schnell, Russell Westbrooks Speed zu nutzen. Zuletzt fehlte der Point Guard drei Wochen, kehrte erst kurz vor dem Lakers-Spiel zurück. Dort legte er zwar 17 Punkte auf, gleichzeitig ging er LA mit einigen suboptimalen Dreiern immer wieder in die Falle. Eine Metapher für Denvers gesamtes Spiel.
Abgesehen von Jokic besitzen die Nuggets eine relativ dünne Fehlertoleranz. Was im einen Moment gut aussieht, kann im nächsten Probleme bereiten. Gleichzeitig schuf Denver auch ohne große Neuverpflichtungen, mit leichten Anpassungen eine der besten Offenses der Liga, über deren Gelingen vor allem zwei Komponenten bestimmen: Jokic baut den Floor, Murray das Ceiling.
Gegen die Lakers war er zwar effizient (46,2 Prozent FG, 6/11 Dreier), übernahm das Spiel jedoch schlicht zu selten (19 Punkte). Wenn zwei bis drei Gegenspieler an Jokic hingen, konnte Murray zu selten dominieren. Es bleibt ein Prozess. Gleichzeitig wirkt Murray immer mehr, wie der Spieler, der vergangene Playoffs "einfach einen Wurf traf" (®Anthony Davis) und Denver im Jahr zuvor mit zur Meisterschaft führte. Auch die Explosivität kehrt immer mehr zurück.
So öffnet er das Spiel für all die anderen Ideen der Nuggets, schafft Platz für Cuts und stimuliert auch Jokic Offense. All das genügte in der Vergangenheit, um regelmäßig zum engsten Contender-Kreis zu zählen. Nun gingen einige Komponenten verloren, andere kamen hinzu. Brandgefährlich bleibt Denver. Unrecht hatte Shaq also nicht.
Max Marbeiter