30.10.2024, 09:14
Regeländerung heute vor 70 Jahren
Heute vor 70 Jahren führte die NBA die Wurfuhr ein und rettete die Liga damit aus einer großen Misere. Hauptverantwortlich dafür war ein Geistesblitz eines damaligen Besitzers. Doch warum eigentlich genau 24 Sekunden? Die Geschichte der Shotclock.
Eine NBA ohne Wurfuhr klingt aus heutiger Sicht wie eine komplett absurde Idee. Man stelle sich mal ein Spiel vor, ohne jeglichen Zeitdruck, ohne große taktische Stilmittel, ohne hektische Würfe in letzter Sekunde und ohne die Möglichkeit, dem Gegner den Ball ohne Steal oder Turnover aus der Hand zu nehmen. Wenn es keine zeitliche Begrenzung für einen Angriff gibt, warum sollte ein Team, das in Führung liegt, überhaupt noch den auf den gegnerischen Korb werfen wollen? Die Antwort darauf lautet: Es gibt keinen Grund.
So trieben es die Fort Wayne Pistons und die Minneapolis Lakers am 22. November 1950 auf die Spitze. Vor 10.000 Fans lieferten sich die beiden Teams im Minneapolis Auditorium in Minnesota ein knappes Duell bis zum Schluss. Der einzige Haken: Es wurde fast nicht gepunktet. Am Ende holten die Pistons sich mit 19:18 den Sieg in einem historisch langweiligen Basketballspiel, das als das Spiel mit den wenigsten Punkten in die Geschichte eingehen sollte. Im Schlussviertel gab es insgesamt nur vier Punkte, teilweise hielten die führenden Pistons minutenlang den Ball in den Händen. Eine Regel, den Ball passen zu müssen, gab es nämlich auch nicht.
So kam es also, dass führende Teams den Ball einfach in den Händen hielten und auf der Stelle abwarten, bis sich der "perfekte" Wurf ergab - oder eben auch nicht. Ein weiteres kurioses Beispiel gefällig: Wenige Wochen nach dem berüchtigten Pistons-Lakers-Spiel lieferten die Rochester Royals und Indianapolis Olympians sich ein packendes, sechsfaches Overtime-Spiel. Der ausgeklügelte Schlachtplan beider Teams in der Overtime sah dann wie folgt aus: Sich den Ball beim Tip-Off sichern, abwarten bis in die Schlusssekunden und mit einem einzigen, wilden Wurf den Sieg eintüten. Genial, oder?
Nun, verständlicherweise sahen das Fans und Medien etwas anders. Der Unmut bei den Zuschauern wuchs immer weiter und die Begeisterung für den Sport nahm ab. Niemand wollte Geld für ein Spiel ausgeben, bei dem über weite Strecken der Ball einfach nur gehalten wurde und Spielzüge bis ins Unendliche verschleppt wurden. Für alle Beteiligten war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar, dass sich etwas ändern musste.
Es dauerte allerdings noch vier Jahre, bis Danny Biasone und Leo Farris, Besitzer und General Manager der Syracuse Nationals (heute Philadelphia 76ers) schließlich die zündende Idee hatten. Die beiden diskutierten verschiedene Modelle für die Wurfuhr, ehe sie schließlich bei 24 Sekunden landeten.
"Ich habe mir die Boxscores von den Spielen angeschaut, die mir gefallen haben und in denen nicht rumgetrödelt wurde. Mir fiel auf, dass Teams ungefähr 60 Würfe pro Spiel nahmen. Das bedeutet 120 Würfe pro Spiel. Also habe ich 2.880 Sekunden genommen (48 Minuten) und das durch 120 geteilt. Das Resultat war 24 Sekunden pro Wurf", erklärte Biasone die Überlegungen. Anschließend bearbeiteten die beiden die NBA-Verantwortlichen solange, bis durch ein Besitzer-Voting die neue Regelung zur Saison 1954/55 dann tatsächlich eingeführt wurde.
Und wie die beiden sich erhofft hatten, erzielte die neue Regelung auch umgehend den erwünschten Effekt. Im Auftaktspiel setzten sich die Rochester Royals mit 98:95 gegen die Boston Celtics durch - ein Spielstand, der schon ziemlich an heutige Resultate erinnert. Allerdings konnten sich nicht alle Spieler direkt mit der neu eingeführten Wurfuhr anfreunden.
Berichten zufolge waren Spieler nervös, da sie sich mit der neuen Spielweise schwer taten. Viele hatten das Gefühl, gar keine Zeit mehr zum Spielaufbau zu haben, weil sie entweder sofort passen oder werfen mussten. In der Folge gab es in der Anfangszeit der neuen Regel fast keine Shot Clock Violations. Mit der Zeit fanden die Spieler jedoch immer mehr in den Rhythmus und merkten, dass 24 Sekunden genügend Zeit waren, um einen Angriff sauber aufzubauen und einen guten Abschluss zu finden.
"Wir dachten zunächst, wir müssten schnell abschließen, ein Pass und direkt der Wurf, das dauerte vielleicht acht bis zehn Sekunden", erinnert sich Dolph Schayes von den Syracuse Nationals. "Aber irgendwann merkten wir, wie genial Dannys 24 Sekunden waren. Man kann den Ball laufen lassen, bis man einen guten Wurf hat", führte er aus.
Durch die neue Regelung schnellte der Punkteschnitt der Liga von 79 Punkten in 1953/54 sofort auf 93 Punkte in 1954/55. Nur vier Jahre später erzielten Teams im Schnitt schon 107 Punkte pro Spiel (zum Vergleich: Vergangene Saison waren es 113,6 Punkte pro Spiel). Diese Entwicklung machte das Spiel nicht nur für Fans interessanter, sondern auch für die Spieler spannender.
"Vor der Einführung konnte das letzte Viertel tödlich sein. Das führende Team konnte den Ball auf unbestimmte Zeit halten und man konnte nichts tun, außer zu foulen", erinnert sich NBA-Legende Bob Cousy. "Durch die Wurfuhr bekamen wir konstant Action. Ich glaube, das hat die NBA damals gerettet." Der damalige Liga-Boss Maurice Podoloff bezeichnete Biasones Idee sogar als "wichtigstes Ereignis der NBA".
Am Ende der Saison 1954/55 wurden Biasones Nationals tatsächlich sogar Champion und wir dürfen uns tagtäglich an seiner genialen Idee erfreuen, ohne die NBA nie das geworden wäre, was sie heute ist.
Gianluca Fraccalvieri