29.10.2024, 12:03
Teamcoach verrät Hintergründe zu Hamburgs BBL-Aufstieg
Sportlicher Erfolg ist weit mehr als nur die Summe guter Spieler, weiß Hinnerk Smolka. Der Teamcoach aus Hamburg hilft seit Jahren Profimannschaften ihre Mannschaftsdynamiken zu verbessern. Im Gespräch mit Basketball-World.news erklärt er, warum das genauso wichtig ist wie Technik oder Taktik.
Seine Praktiken wendete der gelernte Sportpsychologe bereits erfolgreich im Profibereich an. Mit den Towers Hamburg und dem FC St. Pauli schaffte er jeweils den Aufstieg in die Bundesliga. Im Interview erzählt er von seinem Erfolgsrezept.
Herr Smolka, als Teamcoach haben Sie eine Marktlücke im Profisport gefunden. Wie sind Sie dazu gekommen?
Teamsport hat mich schon immer fasziniert. Basketball hat mir die Möglichkeit gegeben, mich beruflich zu erproben und meine ersten Schritte im Teamcoaching zu machen. Ursprünglich komme ich aus dem Kampfsport und Fußball, aber viele meiner Freunde waren Basketballer. Also nahm ich den Ball in die Hand und besserte mich. Später schrieb ich meine Diplomarbeit über Teamcoaching im Basketball, weil ich die Literatur, die ich fand, frustrierend dünn fand. Es fehlte Wissen darüber, wie Teams wirklich funktionieren.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Würden Sie heute einen Trainer im Fußball oder Basketball wissenschaftlich erklären lassen, was ein Team ist, wäre die Antwort oft sehr ungenau - und dennoch arbeiten sie täglich mit Teams. Das Paradoxe ist: Vereine brauchen den Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft, die reine Leistungsorientierung zersetzt jedoch jede Gemeinschaft.
Saison | Verein | Liga |
---|---|---|
2018/19 | Hamburger Towers (BB) | Pro A (Aufstieg) |
2019/20 | Hamburger Towers (BB) | BBL |
2022/23 | FC Teutonia Ottensen (FB) | Regionalliga |
2023/24 | 1. FC St. Pauli (FB) | 2. Bundesliga (Aufstieg) |
Erklären Sie die Rolle, die Sie in Ihren verschiedenen Stationen erfüllt haben.
Ich bin ein externer Berater, der das Team eng begleitet, aber nicht direkt Teil davon ist. Dadurch kann ich Strukturen, Kommunikationswege und Hierarchien im Team von außen beobachten und einordnen. Ich sehe Dynamiken, die ein Trainer nicht wahrnimmt, weil er zu stark eingebunden ist. Der Einfluss des Trainers auf das Team ist massiv - seine Kommunikationsweise, seine Führungsstruktur, alles. Die Verantwortung des Einzelnen für das Team zu stärken und bewusst zu machen, wie sehr sich Teammitglieder gegenseitig beeinflussen, ist ein zentraler Punkt meiner Arbeit.
Sie sprechen von einem "Vakuum" im Teamcoaching. Können Sie das näher erklären?
Mir fiel auf, dass im Profisport fast alle Bereiche outgesourct sind - Physiotherapie, Ernährungsberatung, im Fußball sogar Einwurf-Coaching. Doch das Thema Teamdynamik lag brach oder wurde beim Trainer abgeladen, der selbst ein Teil des Teams ist. Seit 2008 verfolge ich daher diesen Ansatz und habe erkannt, dass ein riesiges Potenzial in Teamstrukturen steckt. Wenn ein Team scheitert, ist das nicht, weil die Profisportler nicht gewinnen wollen. Oft zerbrechen Teams am internen Stress und den unausgesprochenen Konflikten. Leistung und Gemeinschaft stehen in einem Spannungsverhältnis. Jeder Spieler will sich im Team behaupten, doch dieser Konkurrenzkampf macht eine Verbundenheit enorm schwer.
Wie kann es nun gelingen, diese beiden Welten zusammenzubringen?
Viele Coaches hoffen auf die richtige "Chemie" oder haben "die richtigen Leute gekauft", aber das ist weder systematisch noch methodisch durchdacht. Wenn ich mit einem Team arbeite, geht es mir nicht darum, dass sie alle beste Freunde werden - es geht um Performance und Erfolg. Die Frage ist, ob ein Team sich auch in stressigen Phasen zusammenhält und wachsen kann, oder ob es daran zerbricht. Das Potenzial eines Teams ist enorm, wenn die Dynamiken stimmen.
Gibt es ein Beispiel für eine spezifische Methode, die Sie anwenden?
Ein Beispiel ist der Umgang mit Stresssituationen. Bei den Towers haben wir uns für das entscheidende Playoff-Spiel in Chemnitz bewusst dazu entschieden, den Stress auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn man erzählt, was wir da im Vorfeld gemacht haben, fällst du vom Hocker (lacht). Meditationsübungen, abends ins Kino und Fußballtennis mit Pezzibällen - das war unsere Vorbereitung auf das wichtigste Spiel der Saison. Stress kommt ohnehin von selbst, also haben wir uns gezielt auf Entspannung fokussiert. Die Gegner haben das anders gehandhabt, sich aufgewärmt und noch einmal das gesamte Programm durchgefahren. Doch in der entscheidenden Phase waren wir das ruhigere und klarere Team und konnten dadurch gewinnen.
Sie arbeiten sowohl mit Fußball- als auch mit Basketballteams. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen den beiden Sportarten?
Ein großer Unterschied ist die Teamgröße. Im Basketball hat man meistens nur 10 bis 12 Spieler, die alle regelmäßig auf dem Spielfeld stehen. Die Teams sind dadurch oft enger miteinander verbunden. Im Fußball hingegen ist es schwieriger, alle gleichermaßen zu integrieren, es gibt eine größere Anzahl an Spielern, und einige kommen kaum zum Einsatz. Das schafft andere Herausforderungen in der Dynamik. Da geht es dann auch um die Frage, wie man Spieler einbindet, die nur wenig Spielzeit haben.
Lassen sich Ihre Ansätze auch im Amateurbereich anwenden? Was raten Sie Trainern, die ihre Teamdynamik verbessern wollen?
Amateurtrainer sollten den Mut haben, den Spielern Verantwortung zu übergeben und den Teamgeist zu fördern. Man sollte die Spieler einladen, ihre Rollen und Einflüsse auf das Team zu reflektieren. Ein einfaches Mittel ist, gemeinsam Szenarien durchzugehen, in denen das Team besonders gut oder schlecht funktioniert hat, und die Dynamiken zu besprechen. So verstehen die Spieler ihre Wirkung besser. Zudem hilft es, schon früh in der Saison klare Teamwerte festzulegen, die bei Schwierigkeiten Orientierung geben. Es geht um die Frage: Wie verhalten wir uns, wenn es stürmisch wird? Dann ist das Team gewappnet, auch in schwierigen Phasen zusammenzuhalten.
Julius Ostendorf