13.02.2025, 08:30
Cunningham erstmals All-Star diese Saison
Vergangene Saison lagen die Detroit Pistons am Boden. In diesem Jahr spielt Dennis Schröders neues Team um die Playoffs, was auch an Cade Cunningham liegt. Der ehemalige Nummer-1-Pick erfüllt immer mehr alle Versprechen, führt das Team und nimmt extrem positiv Einfluss - sowohl auf als auch abseits des Courts. Als Lohn spielt Cade nun erstmals beim All-Star Game.
Darius Garland zerstörte den Moment. Gerade hatte Cade Cunningham von der Freiwurlinie Clevelands Dreipunktevorsprung wegradiert, da stieg Garland mangels Zeit kurz hinter der Mittellinie hoch. Der Ball flog, die Sirene ertönte - Swish. Alles vorbei. Die Cavs, das beste Team im Osten, gewannen in Detroit. Dabei hätte alles anders kommen können. 21 Punkte legte Cade im letzten Viertel auf. Nahezu immer, wenn die Cavs in den letzten Minuten davonzuziehen drohten, war er in Detroits Antwort involviert. Mal per Pass, mal per Layup, mal per langem Dreier oder eben von der Freiwurflinie. Am Ende reichte es knapp nicht.
Dass Detroit in diesem Jahr auch gegen die Besten regelmäßig Siegchancen besitzt, ist ein gutes Zeichen. Gedanklich sind die Pistons jedoch ein Stück weiter. "Wir müssen Wege finden, diese Spiele auch zu Ende zu bringen", sagte Cunningham nach der knappen Niederlage. Dran zu sein, schön und gut, es genügt jedoch nicht. Nicht mehr. Detroit, das in der vergangenen Saison den Rekord für die längste Niederlagenserie der NBA-Geschichte einstellte (28), hat jetzt beste Playoffchancen.
Die möchten die Pistons, möchte Cunningham unbedingt nutzen, und deshalb geht Cade voran. Sowohl spielerisch als auch verbal. "Cade ist nicht nur ein besonderer Basketballspieler, er ist ein besonderer Mensch", lobt Coach JB Bickerstaff seinen Leader im Run in Back Podcast. "Wir sprechen über einen jungen Spieler mit Führungsqualitäten bis zum Himmel, einen jungen Spieler, der nicht nur das Spiel versteht, sondern auch seine Mitspieler und was sie brauchen. Einen Spieler, der für etwas steht. Jeden Tag lebt er nach seinen Prinzipien und Überzeugungen. Zu denen steht er. Ich glaube, für einen jungen Spieler, der die Nummer eins eines Team ist, ist das am wichtigsten."
Noch bevor Cunningham erstmals über NBA-Parkett geglitten war, sprachen viele von seinem Spiel, ebenso von seinen Leader-Fähigkeiten. Als Detroit 2021 die Lottery gewann, fand er als damals sicherste Wette auf den Nummer-1-Pick im Draft die richtigen Worte. "Ich liebe Detroit", sagte Cade damals. Die Stadt habe ihm schon lange vor der Lottery etwas gegeben und es wäre großartig für sie, sollte ein Sportteam wieder ins Rollen kommen.
Genau das dauerte. Einerseits waren Cunninghams erste NBA-Jahre individuell kompliziert - er kämpfte mit Effizienz und Verletzungen, verpasste beinahe seine gesamte zweite Saison - andererseits hielten einige Entscheidungen des Front Office die Pistons und Cade zurück. Lange mangelte es an Shooting um Cunningham, zudem verpflichtete Detroit mit Monty Williams vor der vergangenen Saison ganz offensichtlich nicht den richtigen Coach.
2023/24 waren die Pistons am Tiefpunkt. Williams musst gehen, Bickerstaff kam. Mit Trajan Langdon übernahm ein neuer General Manager. Dazu verpflichtete Detroit Veteranen wie Harris, Malik Beasley und Tim Hardaway Jr., fügte der Mischung etwas mehr Shooting hinzu. Gleichzeitig waren fünf von Detroits acht Minutenleadern bereits vergangene Saison dabei. Cunningham, Ivey, Jalen Duren, Ausar Thompson und Isaiah Stewart waren Teil der geteilten schwächsten Serie der Ligageschichte. Nun, nicht einmal ein Jahr später, könnten sie gemeinsam eine Playoff-Serie spielen - und das hat viel mit Cunningham zu tun.
Cades Spiel hatte schon immer etwas Erhabenes. Er dimmt den Speed herunter, operiert in seinem eigenen Tempo. Gleichzeitig mangelt es an Explosivität, was sich während der ersten Jahre bemerkbar machte. Ohne Shooting und auch ohne Erfahrung tat sich Cunningham schwer, regelmäßig an seine Spots zu bekommen, das Spiel sicher zu diktieren. Weder war er effizient, noch passte er besonders gut auf den Ball auf. Detroits Shootingmangel schadete ihm, gleichzeitig konnte er das Team nicht aus dem Morast ziehen. Heute sieht alles anders aus.
Das Turnoverproblem bleibt, zudem kann Cunningham die Scoringeffizienz weiter nach oben schrauben, gleichzeitig wirkt er wie einer, der alles unter Kontrolle hat. Er spielt weiter nach seinem eigenen Tempo, nutzt seinen IQ, seine pointierten Bewegungen, um zielgerichtet an seine Spots zu kommen, gegnerische Defenses permanent im Unwissen zu lassen, was gleich passieren wird. 25,4 Punkte legt Cunningham auf (45,5 Prozent FG, 35,1 Prozent 3FG), dazu verteil er 9,4 Assists. Cade meistert die Balance aus eigenem Scoring und Tischdecken für die Teamkollegen, und die Pistons profitieren.
Mit ihrem Point Guard ist ihr Point Differential pro 100 Ballbesitze laut Cleaning the Glass um 6,2 Prozent besser, womit Cunningham unter den Spielmachern im 81. Perzentil liegt und Detroit mit Cade statistisch 16 Spiele mehr gewinnt als ohne. Die Effective Field Goal Percentage des Teams steigt um 3,7 Prozent (91. Perzentil). Mit Cunningham erzielen die Pistons pro 100 Ballbesitze 6,3 Punkte mehr (88. Perzentil). Wenn Zahlen einen positiven Einfluss ausdrücken… Zumal sich Cunningham in allen Kategorien im Vergleich zu seinen ersten drei Jahren gesteigert hat.
Gleichzeitig besitzt er ein Gespür für den Moment. Am Tag nach seiner ersten All-Star-Nominierung schenkte Cunningham den Mavs 40 Punkte ein. Im Madison Square Garden, der hellsten Bühne der Liga, legte er im Januar 36 Punkte auf, im Dezember gelang ihm ein Triple Double (29 Punkte, 15 Assists, zehn Rebounds). Beide Spiele gewannen die Pistons. Auch die Lakers mit LeBron James schlug Detroit zwei Mal, einmal gelang Cade ein Triple Double.
Was immer wieder auffällt. Cunningham hat nicht nur die Kontrolle, häufig wählt er genau aus, was demnächst passieren wird. Entdeckt er ein Mismatch, schnappt er es sich, um es danach auszunutzen. Bevor Garland das Spiel in Detroit von der Mittellinie entschied, fand er sich beispielsweise häufig auf Cunninghams Rücken wieder. Per Switch hatte sich Cade Garland geschnappt, um danach gegen den kleineren Point Guard aufzuposten. Danach schloss Cunningham selbst ab oder nutzte Hilfe für den Pass auf den freien Mitspieler.
Eine Ausnahme war das nicht. Cunningham wählt den Post bewusst als Stilmittel. Assistant Coach Jarrett Jack, einst Point Guard an Steph Currys Seite, legte ihm nahe, wie gefährlich er dabei sei. "Ich sagte 'schau, der Post ist eine relativ leicht zu operierende Kommandozentrale für dich.'" Cunningham verstand. "Ich hatte schon ein gewisses Skillset da unten", sagte er einmal. "Es war etwas, auf das ich mich viel mehr konzentrieren konnte, indem ich mich während eines Spiels dort immer wohler fühle, sagte er (Jack, Anm. d. Red.). In den ersten paar Spielen habe ich es direkt versucht und hatte das Gefühl, dass für uns daraus immer etwas Gutes entstand. Dann blieb es einfach hängen. Ich blieb dabei und es wurde mehr und mehr zum Teil unserer Offense."
Exklusiv auf seine Postfähigkeiten angewiesen ist Cade jedoch nicht. Sein Abschluss am Ring ist noch ausbaufähig (56 Prozent, 22. Perzentil), gleichzeitig kann er aus der Bewegung scoren, zählt zu den besseren Mitteldistanzscorern unter den Point Guards (47 Prozent, 75. Perzentil), und auch der Dreier fällt auf unterschiedliche Arten. Cunningham nutzt den Stepback und nimmt auch den Pullup regelmäßiger ins Programm auf; wie gegen Dallas als er nach Durens Screen gegen PJ Washington aus dem Dribbling direkt hochstieg.
"Es ist einfach schwer, ihn zu stoppen", sagte Coach Bickerstaff nach dem Sieg gegen die Mavs auf die Frage, wo Cunningham am gefährlichsten sei. "Er trifft den Dreier, postet auf, spielt das Pick-and-Roll, spielt in Isolation. Es ist schwer, eine Position herauszupicken. Ich glaube, dass er auf so viele Arten scoren kann, macht ihn so effektiv. Er ist keiner, bei dem du sagen kannst: 'Er ist einfach immer an diesem einen Spot, macht diese eine Sache.' Ob er Würfe trifft, Dreier trifft, Pull-ups, er schließt mit links ab, er kann mit dem Rücken zum Korb aufposten, den Jump Hook nehmen."
Gleichzeitig muss Cunningham nicht mehr effektiv scoren, um das Spiel positiv zu beeinflussen. Gegen Cleveland wollte der Wurf vor dem letzten Viertel beispielsweise nicht fallen. Dennoch diktierte Cade die Offense, brachte viele gute Dinge auf den Weg und half so, die Pistons im Spiel zu halten. Im Grunde ist er nun, was ihm viele vor dem Draft 2021 andichteten: einer der besten jungen Spieler der Liga, ein Leader und ein All Star. "Wann immer ich auf dem Court bin, habe ich das Gefühl, der beste Spieler zu sein", sagt er, wird deshalb aber nicht arrogant. "Meine Mitspieler ließen mich in diesem Jahr gut aussehen", erklärte er im selben Atemzug.
"Es ist eine Freude, um ihn herum zu sein", sagt Jack. "Einige Jungs in dieser Position nutzen vielleicht ihren Status, um vielleicht nicht so cool oder mit der Gruppe nicht inklusive zu sein. Er ist ein Teil der Jungs, des Ganzen, und ich glaube, das zeigt, was er und was wir letztes Jahr durchgestanden haben." Cunningham und die Pistons scheinen gestärkt aus einer maximal frustrierenden Position herausgekommen zu sein. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, doch sie schreitet voran und produziert immer häufiger positive Erlebnisse. Für Cade demnächst beim All-Star Game. Diesen Moment kann Garland nicht zerstören…
Max Marbeiter