17.07.2024, 09:11
BBL-Geschäftsführer über das Jahr nach dem WM-Titel
Dr. Stefan Holz ist seit 2016 der leitende Geschäftsführer der easy credit BBL. Im Interview mit basketball-world.news sprach der Liga-Chef über den Basketball-Boom nach dem WM-Titel, aber auch über die Wettbewerbsnachteile der deutschen Teams im internationalen Vergleich.
Dazu spricht Dr. Holz über die Vorzüge der Liga, die Situation rund um die TV-Recht sowie die neue Franchise aus Dubai, die in der kommenden Saison in der ABA an den Start gehen wird.
Dr. Holz, nach der WM hatten Sie angekündigt, den Boom nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft mitnehmen zu wollen und sich aktiv als Liga der Weltmeister zu vermarkten. Wie fällt das Fazit nach einem knappen Jahr aus?
Dr. Stefan Holz: Ich habe damals am Tag nach dem WM-Finale eine Aussage getroffen, die ich so nicht mehr tätigen würde. Ich nannte den WM-Triumph keinen "Gamechanger", aber das ist er doch irgendwie gewesen. Mit dem Wort Boom sollte man zwar stets vorsichtig sein, aber wir sind zuletzt schon sehr gewachsen. Das ist aber nicht nur auf die Weltmeisterschaft zurückzuführen, auch unsere neue Partnerschaft mit DYN und Axel Springer hat dazu beigetragen. Die machen sehr viel und es gibt der Liga eine ganz neue Sichtbarkeit. Aber klar, der WM-Titel hat nicht geschadet, schließlich steckte da jede Menge easyCredit BBL drin.
Wo Sie DYN gleich ansprechen. Diese Partnerschaft wurde von vielen in der Basketball-Szene sehr kritisch beäugt. Wie zufrieden sind Sie mit der ersten gemeinsamen Saison?
Absolut positiv, für uns ist das ein echter Mehrwert. Wir haben uns damals nicht für einen neuen Sender entschieden, sondern für ein neues Konzept. Dieses bewerten wir. Es gab Gründe für den Wechsel und all das, was wir uns versprochen haben, ist eingetreten. DYN will die ganze Woche Basketball im Fokus haben, sei es durch Artikel, Clips oder Features. Basketball soll sieben Tage präsent sein und das gibt der Liga eine ganz andere Relevanz. Springer hat sein Versprechen gehalten, sie geben uns Präsenz, auch im Verbund mit der ARD, die zwölf Spiele live über alle ihre Kanäle zeigen darf. So etwas gab es bei uns noch nie.
Ein Ziel ist auch, Basketball in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Gleichzeitig müssen Fans - ähnlich wie im Fußball - auch mit DYN und Magenta gleich für zwei Abos bezahlen. Beißt sich da die Katze nicht in den Schwanz?
Wir können das noch etwas größer spannen, weil die ProA auf sportdeutschland.tv ein dritter Partner im TV-Ökosystem ist. Das ist nicht optimal, aber das liegt nicht in unserer Hand. Wir haben die BBL-Rechte nach an den für uns besten Partner vergeben. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es ein "Home of Basketball" geben würde, doch darauf haben wir keinen Einfluss. Jeder sucht eben für sich die beste Lösung, aber wir würden es sehr begrüßen, wenn alles unter einen Hut kommen würde.
Sie sagten zu Beginn, dass mehr Geld in den Basketball gekommen ist. Gefühlt muss die BBL im Vergleich zu anderen Ligen etwas abreißen lassen. Früher war es keine Seltenheit, dass Leistungsträger in die Euroleague wechselten, nun geht MVP Otis Livingston zu Galatasaray, das von der höchsten europäischen Spielklasse weit entfernt ist. Wie passt das zusammen?
Wir müssen das anerkennen, allerdings gilt es hier zu differenzieren. Die ACB hat mehr Geld, das ist klar. Da kann auch ein Murcia, die eher aus der zweiten Reihe kommen, ordentlich zulangen. Unsere Klubs werden in der kommenden Spielzeit einen Rekordumsatz von rund 150 Millionen Euro erwirtschaften, aber hier wir kommen auf ein Themenfeld, was die Ursache des Problems ist - und zwar brutto und netto. Wir haben in Deutschland enorme Abgaben und eine hohe Steuerlast. Dazu kommt die VBG, unser Unfallversicherungssystem, das ist unsäglich. So etwas gibt es nur bei uns. Das ist ein massiver struktureller Wettbewerbsnachteil für unsere Liga. Die Spieler denken netto und die Klubs brutto. In Summe ist ein Spieler für unsere Clubs fast doppelt so teuer wie in Griechenland oder der Türkei. Ein BBL-Klub kann also ein größeres Budget haben, aber verfügt dennoch über ein geringeres Nettogehaltsvolumen, und das ist ein Unding im vereinigten Europa.
Gibt es denn dafür Lösungsansätze, um das auszugleichen?
Es gäbe ein paar Ideen, zum Beispiel, dass man Sportler als Künstler bewertet und diese dann anderes besteuert. Wir schauen uns auch den aktuellen Vorschlag der Regierung an, ob wir zumindest unsere Importspieler als ausländische Fachkräfte kategorisieren können, das könnte ein spannender Ansatz sein. Und bei der VBG haben wir uns mit Eishockey und Handball zusammengetan, die auch unter dieser enormen Last leiden. Ob wir eine Lösung erleben werden, das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Wir haben Klagen laufen, die wir bis zum BGH ziehen wollen, um eine Klärung zu erlangen. Es ist auch so, dass die VBG unseren Standpunkt durchaus nachvollziehen kann, aber die sind in ihrem System gefangen. Das System ist aber völlig aus dem Ruder gelaufen und kostet uns rund 20 Prozent extra auf jeden Spieler. Wir wollten das über die ULEB (Union der europäischen Basketballligen, Anm. d. Red.) mit Ligen aus anderen Ländern vergleichen, aber die wollen natürlich ihre Zahlen nicht offenlegen, weil sie wissen, warum wir das machen.
Welche anderen Argumente würden Sie dann einem Spieler vorbringen, wenn er vor seiner Entscheidung - BBL oder ein anderer europäischer Klub - steht?
Das Geld wird vertragsgemäß bezahlt, die Stimmung in den vollen Hallen ist top und die Teams kümmern sich um die Familien der Spieler. Die Spieler werden hier ernst genommen und nicht - wie man es manchmal aus anderen Ländern hört - wie Sklaven behandelt. In unserer Kultur wird vernünftig miteinander umgegangen, dazu haben alle Klubs eine gute medizinische Abteilung und überhaupt gute Coaching Staffs, bei denen es an nichts fehlt. Die Spieler wissen auch, dass sie sich hier weiter entwickeln können und das in einem guten Umfeld mit vollen und modernen Hallen. Wir müssen uns ganz sicher nicht kleiner machen, als wir sind.
Wie sehen Sie die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Liga? Zuletzt gab es drei Meister in drei Jahren, doch gerade die Euroleague-Teams wie Alba oder Bayern traten bisweilen nicht mit voller Kapelle an. Verwässert das nicht etwas die Liga?
Die ganze Diskussion um B-Teams ist gleichzeitig auch ein Spielplan-Thema bzw. dem Workload der Spieler geschuldet. Nach einem Doppelspieltag in der EuroLeague wird am Wochenende natürlich mal rotiert. Das ist doch normal, dafür haben diese Mannschaften auch große Kader. Ich finde diese Diskussion allerdings manchmal ein wenig typisch deutsch. Das Schlimmste, was einer Liga passieren kann, ist doch Langeweile. Im Fußball wurde bemängelt, dass Bayern München elfmal in Folge Meister waren. Bei uns waren sie eben fünf Jahre nicht Champion und mussten in der diesjährigen Finalserie alles geben. Wir hatten im Vorjahr Ulm gegen Bonn, das war fantastischer Basketball. Und auch in dieser Saison war es zum Beispiel für Alba Berlin gegen Chemnitz eine 50:50-Sache, ob sie ins Finale kommen. Deswegen verstehe ich diesen Diskurs gar nicht. Die easyCredit BBL war in den letzten Jahren sicherlich nicht langweilig. Der Pokal wurde aufgewertet, das Play-In wurde eingeführt und in dieser Saison ging es am 34. Spieltag bei acht der neun Spiele noch um etwas. Da möchte ich mal eine andere Liga sehen, egal in welcher Sportart, die das von sich behaupten kann. Das ist doch genau das, was eine Liga ausmacht. Jedes Spiel soll zählen und das hatten wir in der vergangenen Saison.
Gleichzeitig bleibt es für einen Sportfan schwer erklärbar, warum sportlicher Erfolg nicht entsprechend belohnt wird - siehe Meister UIm, der dennoch weiter im Eurocup antreten musste.
Ich sehe das auch so, es ist ein Unding. Klar, es gibt in der EuroLeague die Lizenzen, gleichzeitig muss aber auch gewährleistet werden, dass man sich sportlich qualifizieren kann. Wir brauchen klare Strukturen. Diese Saison ist es noch im Rahmen, aber das Vorjahr war das beste Beispiel dafür. Im EuroCup hatten wir den Deutschen Meister Ulm und den 15. Hamburg im Wettbewerb. Das sagt doch alles und zeigt, wie falsch dieses System ist. Der Fan muss anhand der Tabelle sehen, wer sich wie für einen Wettbewerb qualifizieren kann. Die Lizenzen wird man den Teams nicht mehr streitig machen, aber es muss eben auch möglich sein, dass sportlicher Erfolg belohnt wird.
Die nächste Entwicklungsstufe ist die Installation eines Teams in Dubai, das nun in der Adriatic League mitspielen und sicher auch mal Thema für die Euroleague sein wird.
Als ich das letzte Mal auf die Landkarte geschaut habe, lag Dubai weder an der Adria noch in Europa. Aber ich verstehe natürlich die kommerziellen Hintergründe und finde es grundsätzlich spannend, wenn über neue Märkte nachgedacht wird. Es ist vollkommen legitim zu schauen, welche Standorte bereit sind, in Profisport zu investieren. Aber ob dann gleich ein Team aus Dubai mitspielen muss, wage ich zu bezweifeln. Da lassen sich bestimmt andere Modelle finden, um solche Märkte zu integrieren.
Gleichzeitig spielt die BBL im kommenden Jahr nur mit 17 Teams, weil ProA-Champion Karlsruhe sich nicht im Stande fühlte, die Anforderungen zu erfüllen. Muss man sich mit der ProA, ähnlich wie in anderen Sportarten, besser verzahnen und wie?
Die Frage darf nicht lauten, ob die Anforderungen zu hoch sind, sondern ob es genügend Teams gibt, welche die Anforderungen erfüllen können. Wir wollen bis 2032 erreichen, dass alle Teams mindestens einen Etat von sechs Millionen Euro stemmen können. Derzeit sind es 3,5 Millionen, im kommenden Jahr dann vier. In acht Jahren sollen dann auch Hallen mit einer Kapazität von mindestens 4.500 Plätzen der Standard sein. Das hat sich alles nicht nur der Herr Holz ausgedacht, sondern wurde von den Clubs erarbeitet, verabschiedet und auch vom DBB mitgetragen. Das war eine strategische Entscheidung, um den Basketball in Deutschland weiterzuentwickeln. Die Frage ist, ob sich genügend Standorte finden, die diese Reise mit uns mitgehen wollen.
Gibt es die?
Ich bin zuversichtlich und man sollte da nicht so sehr auf die jetzige ProA schauen, ob jemand heute schon drei Millionen Euro Budget hat. Natürlich ist das nicht der Fall, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass Teams, die aus der zweiten Liga gekommen sind und gut geführt werden - ich denke da an Hamburg, Rostock, Chemnitz oder Heidelberg -, nicht mehr mit diesen Teams zu vergleichen sind, die sie in der ProA einmal waren. Stattdessen haben sie ihr Budget aus dem Stand verdoppeln können und die Zuschauer haben es angenommen. Der Sprung zu uns kann gelingen und das sehr gut. Es gibt einige Projekte, die das ebenso anstreben könnten. Wir wollen in Zukunft noch enger mit der ProA zusammenarbeiten, im Idealfall mit dem gleichen Medienpartner. Dazu wollen wir uns die Aufstiegsthematik anschauen, wie wir mit Teams umgehen, die aufsteigen wollen und könnten, aber es dann allein aufgrund der Playoff-Systematik nicht schaffen.
Interview: Robert Arndt