07.08.2024, 10:15
Ex-Nationalspielerin Ireti Amojo im Interview
Ireti Amojo machte 21 Länderspiele für Deutschland, heute arbeitet sie unter anderem als TV-Expertin. Im Interview mit basketball-world.news sprach die 34-Jährige über den Basketball-Boom in Deutschland und welche Auswirkungen die Erfolge der DBB-Teams für die Zukunft haben könnten.
Nach dem goldenen Triumph der 3x3-Frauen und dem Halbfinaleinzug der Männer können die DBB-Frauen heute im Viertelfinale gegen Frankreich ebenfalls olympische Geschichte schreiben. Kein Wunder, dass die Sonne mit Ireti Amojo um die Wette strahlt, als die ehemalige Nationalspielerin (21 A-Länderspiele) am Satou-Sabally-Court auf dem Tempelhofer Feld angeradelt kommt. Jede Woche bietet Amojo hier kostenlose Basketball-Einheiten an. Vor dem Training nimmt sie sich Zeit, um im Interview ihre aktuellen Glücksgefühle zu ordnen.
Frau Amojo, wie erleben Sie diese Woche?
Ireti Amojo: Man kann das gar nicht richtig in Worte fassen, was da gerade passiert und was so los ist. Wir werden uns in Zukunft immer an dieses Jahr und an diesen Sommer zurückerinnern. Weil wir noch nie so erfolgreich waren und weil der Basketball in Deutschland noch nie so inspirierend war und so viele Gefühle bei Menschen ausgelöst hat. Ich bin total froh, dass ich das miterleben darf. Das ist schon eine Zeitenwende, auch wenn das ein riesiges und doofes Wort dafür ist. Aber irgendwie passiert hier gerade was. Dieses Jahr und diese Teams werden Auslöser für ganz viele Veränderungen in Deutschland sein.
Wir stehen gerade auf dem Satou-Sabally-Freiplatz in Berlin. Wie ist es, sie jetzt als zweitbeste Scorerin des olympischen Basketballturniers zu sehen?
Ja, es ist Wahnsinn, was Satou geschafft hat. Was sie für dieses Team geopfert hat, um bei Olympia dabei sein zu können. Wo entwickelt sie sich noch hin und was kann sie noch alles schaffen? Wenn wir darüber sprechen, dass es eine besondere Zeit ist und dass der Basketball in Deutschland eine Veränderung durchmacht, dann ist sie auf jeden Fall aufseiten der Frauen die Person, die das losgetreten hat. Alle Spielerinnen hier auf dem Court wissen, wer Satou ist und was sie leistet und ja, sie ist irgendwie unser Leuchtturm und eine super inspirierende Persönlichkeit - auch abseits vom Basketball.
Wie haben Sie bisher den Turnierverlauf der deutschen Frauen bei den Olympischen Spielen miterlebt?
Belgien war der Wahnsinn als Auftakt. Ich schaue tatsächlich die ganze Zeit neben der Arbeit. Im Homeoffice habe ich immer meinen Rechner und daneben einen Laptop mit den Spielen, wenn die in die Arbeitszeit fallen. Ich bin total am Mitfiebern. Und wir haben diese wirklich schwierigen Vorbereitungsspiele gesehen, hier in Berlin und dann in London. Die wichtigsten Spielerinnen sind mitten in die Vorbereitung erst kurz vor Olympia dazugestoßen. Und dann starten sie mit so einem Banger ins Turnier. Das war ein Statement und steht einfach für dieses Team. Sie sind der Überraschungsfaktor für die eigenen Fans, aber auch für die weltweite Basketball-Community.
Welche Chance hat Deutschland im Viertelfinale gegen die Französinnen?
Das ist echt tough. Frankreich ist meiner Meinung nach das zweitbeste Team in diesem Turnier hinter den USA. Ich hatte gehofft, dass wir später auf Frankreich treffen. Ich rechne diesem Team Medaillenchancen aus. Das ist eigentlich ein kleines Minifinale, weil Frankreich auf jeden Fall ein Kandidat fürs Endspiel ist. Aber unser Team überrascht immer wieder und wird weiter überraschen. Sie haben nichts zu verlieren, sind wieder der Underdog und ich glaube, das ist die beste Ausgangsposition.
Hat sich die Mentalität deutscher Basketball-Teams, egal ob Frauen oder Männern, in den letzten Jahren geändert?
Ja, ich glaube, dass sowohl die Männer als auch die Frauen das total gut machen. Das muss man den Coaches, also Gordi Herbert und Lisa Thomaidis, hoch anrechnen. Beide Teams sind immer unheimlich gut auf die Spiele vorbereitet. Das Mindset ist, von Spiel zu Spiel zu gehen und nie zu weit nach vorne zu blicken und nie zu lange in der Vergangenheit zu schwelgen. Immer im Hier und Jetzt zu sein und sich genau auf den Gegner einzustellen, das ist eine unheimliche Stärke beider Teams.
Ein Team, das den letzten Schritt bei den Olympischen Spielen bereits gegangen ist, sind die 3x3-Frauen, die sensationell Gold gewinnen konnten. Wie und wo haben Sie das Finale erlebt?
Ich saß zu Hause auf der Couch. Erst ganz entspannt liegend, irgendwann auf der Kante der Couch sitzend und herumschreiend. Es ist unglaublich. Schon wieder so ein Krimi. Ich finde, das ist das schönste Geschenk, das sich vor allem Svenja Brunckhorst und Sonja Greinacher selbst machen konnten. Vor vielen Jahren haben sie sich auf diesen Weg begeben, abseits aller Aufmerksamkeit. Keiner hat da hingeschaut. Sie sind ihren eigenen Weg gegangen als Sportsoldaten und mit Finanzierung durch die Bundeswehr. Und jetzt haben sie eine goldene Medaille um den Hals und sich das zu 100 Prozent erarbeitet und verdient. Ich bin unheimlich glücklich für die beiden. Mit Svenja Brunckhorst habe ich in der Nationalmannschaft noch zusammengespielt. Das ist etwas ganz Besonderes und dafür hab ich gar keine Worte.
Hatten Sie nach dem Finale schon Kontakt zu einer der Spielerinnen?
Ich habe geschrieben, aber jetzt noch keinen richtigen Kontakt. Svenja wird ja bald in Berlin aufschlagen (Anm. d. Red.: sie wird Managerin bei der Frauen Alba Berlins) und dann werde ich mich noch ganz oft mit ihr hinsetzen und ihr an den Lippen hängen, wenn sie mir von diesen Momenten erzählt.
In zwei Jahren findet in Berlin die Basketball-Weltmeisterschaft statt. Können die olympischen Erfolge dem Frauen-Basketball in Deutschland einen Push geben?
Das müssen sie. Es wird eine Mammutaufgabe für den Verband und die Stadt, unseren Basketballerinnen gerecht zu werden. Wenn die WM nächstes Jahr wäre, wäre es sehr peinlich für uns. Dann würden wir blank dastehen. Der Maßstab ist jetzt gesetzt und ich glaube, die Erwartungen sind zu Recht da, dass wir ein super Turnier mit super Rahmenbedingungen für alle Teams bieten können. Da müssen wir jetzt alle als Basketball-Community unsere Hausaufgaben machen, die Ärmel ein bisschen hochkrempeln und anfangen dafür zu arbeiten.
Interview: Conrad Ziesch