25.02.2025, 09:12
Seit Doncic ist alles anders in L.A.
- dabei hat sich seine Rolle innerhalb der Spielzeit nun schon zweimal drastisch verändert. Nach dem Doncic-Trade stellt sich die Frage: Ist Reaves weiter Teil des Team-Fundaments - oder auf einmal entbehrlich geworden?
Ein Problem mit Schwindel scheint Austin Reaves nicht zu haben. Das lässt sich daraus ableiten, wie abgehackt er bisweilen im Zickzack-Kurs durch Defensiven dribbelt und die Balance höchstens dann verliert, wenn er Kontakt aufgenommen hat, um an die Freiwurflinie zu gehen. Aber nicht nur daraus.
Reaves hat über die letzten Monate auch in anderer Hinsicht so etwas wie eine Achterbahnfahrt hinter sich. Es ist keine zwei Monate her, dass die Lakers einen ihrer wichtigsten Ballhandler tradeten, unter anderem weil sie Reaves mehr die Zügel in die Hand geben wollten, der sich für die neue Verantwortung prompt mit dem wohl besten Stretch seiner Karriere bedankte.
Keine zwei Monate später bedankten sich wiederum die Lakers - mit einem weiteren Trade, den jedes Team an ihrer Stelle so gemacht hätte, der für Reaves aber große Implikationen hatte. Schließlich brachte dieser Deal einen Spieler zurück, der mit Ballhandling-Usage so umgeht wie das Krümelmonster mit Keksen. Statt essenziell wirkte Reaves auf einmal entbehrlich, zumindest würde seine Rolle in der Hackordnung nun vermutlich wieder schrumpfen.
Oder doch nicht? Bisher jedenfalls hat Reaves mit Ausnahme des - von allen Lakers - miesen Hornets-Spiels nicht zurückgesteckt, er wirkt auch nicht wie ein drittes Rad am Wagen. Und doch bleibt die Frage durchaus spannend, wie die Lakers über den Rest der Saison - und auch darüber hinaus - mit dem einst ungedrafteten Guard umgehen werden.
Im Zuge der Fanfaren der letzten Wochen ist es bisweilen in Vergessenheit geraten, aber: Schon vor dem Doncic-Trade befanden sich die Lakers in ihrer besten Saisonphase. Seit dem D’Angelo-Russell-Trade Ende Dezember hat L.A. 16 von 24 Spielen gewonnen, die sechstbeste Bilanz, das sechstbeste Net-Rating (+6,3) und die sechstbeste Defense der Liga.
Die gute Verteidigung hat dabei nur in Teilen mit Reaves zu tun - die ebenfalls gute Offense (Platz 9) dafür jedoch einiges. Seit dem Russell-Trade legt "AR-15" 20,9 Punkte und 6,8 Assists im Schnitt auf, zieht die meisten Freiwürfe im Team (6,1) und sorgte mit dafür, dass sich LeBron James - eben schon vor Luka - mehr und mehr darauf einließ, Ballhandling- und Creation-Pflichten an einen jüngeren Mitspieler abzutreten.
"AR ist mit jedem Spiel gewachsen", erkannte der 40-jährige Superstar kürzlich an. "Er steht weit oben auf jedem Scouting Report, weil die Teams wissen, was er als Playmaker und als Shooter kann, was er auf dem Court alles beherrscht. Sein Wachstum zu sehen, ist ein Vergnügen."
Tatsächlich gehört Reaves 24/25 zu den meistverbesserten Spielern der Liga, wobei sich diese Verbesserung nach einem eher langsamen Start primär innerhalb der Saison vollzogen hat - und noch immer vollzieht.
Reaves hat schon effizienter gescort, aber noch nie eine so prominente Rolle in der Offense eingenommen; laut nba.com/stats sind seine Touches über die vergangenen Jahre von 41,9 auf 61,4 auf 80,3 in dieser Spielzeit angestiegen (83,3 seit dem Russell-Trade). Er ist eine der treibenden Kräfte der Team-Offense.
Gerade sein Playmaking kommt unter Head Coach J.J. Redick noch stärker zum Vorschein als zuvor unter Darvin Ham - Reaves hatte unter anderem Spiele mit 16 und 14 Assists, gerade dann, wenn James mal ausfiel, lief die Offense fast komplett über ihn. Scoring-Explosionen gibt es ebenfalls; 35, 38, 45 Punkte lieferte Reaves bereits, letzteres garniert mit sieben Rebounds und sieben Assists - vor ihm schafften das in der Lakers-Historie nur Baylor, West, Magic, Kobe und LeBron.
Dass Reaves nicht in diese Reihe absoluter NBA-Legenden passt oder je passen wird, ist offensichtlich, auch für ihn selbst. Wie Reaves selbst von Zeit zu Zeit betont, hat er einige athletische Limitierungen, die vor allem zu defensiven Problemen führen. Die auch dazu beitrugen, dass er 2021 nicht gedraftet wurde.
Reaves könnte, wenn er sich weiter verbessert, eines Tages mal ein All-Star sein - ein Franchise-Player oder dergleichen ist er jedoch nicht, als solchen sehen ihn auch die Lakers mit Sicherheit nicht. Als was jedoch sehen sie ihn? So richtig lässt sich das womöglich erst nach dem Ende der laufenden Spielzeit beantworten.
Für den Moment jedenfalls ist Reaves offensiv ein absoluter Luxus, auch deshalb, weil er sehr anpassungsfähig ist und sein Spiel verändern kann, je nachdem, wer gerade neben ihm auf dem Court steht. Er kann als Point Guard fungieren, was von jetzt an wohl nur noch passieren wird, wenn Doncic nicht mitspielt. Er funktioniert jedoch auch als Off-Ball-Spieler.
Reaves ist kein elitärer Shooter, aber gut genug, um draußen respektiert zu werden. Seine Catch-and-Shoot-Werte belaufen sich seit Jahren zwischen knapp 37 und 40%, dabei dürfte die Offenheit dieser Würfe mit einem Playmaker wie Doncic, zusätzlich zu LeBron, in den kommenden Wochen steigen.
Aufregender bei Reaves ist aber im Prinzip schon seit Jahren der Drive - er kann mit dem Ball in der Hand exzellent attackieren, erst recht jetzt, wo Defensiven noch seltener einen elitären Verteidiger für ihn abstellen können. Für eine dritte Geige ist Reaves ein überragender, weil so variabler Offensivspieler.
Die Möglichkeiten dieses Triumvirats bekam Denver am Wochenende als erstes Team so richtig zu spüren, als Doncic mit 32 Zählern die Show schmiss, LeBron (25) und Reaves (23) aber ebenfalls prächtig involviert waren.
"Ich denke, Luka muss derjenige sein, der die Offense kontrolliert", sagte Redick danach. "Bron und AR werden, da wir die Minuten staggern, natürlich auch ihre Zeit am Ball haben. Aber alle drei Jungs sind sehr intelligente Basketball-Spieler, und wir können Mismatches kreieren. Wir können Teams in den Mixer stecken."
Bisher haben Doncic, LeBron und Reaves laut Cleaning the Glass erst 135 gemeinsame Possessions absolviert. In diesen allerdings funktionierte die Offensive bereits sehr gut (118,5), obwohl Doncic bis zum Nuggets-Spiel noch kaum etwas traf. Das offensive Potenzial scheint sogar noch größer - wegen des Zusammenspiels, aber auch wegen der Tatsache, dass Redick nun zu jedem Zeitpunkt einen oder sogar zwei dieser Spieler auf dem Court haben kann.
Etwas wackliger scheint eigentlich die Defense - die bisher aber, wie schon vor dem Trade, auch mit Doncic im Team funktioniert. Was auf dem Papier kaum Sinn ergibt; Doncic ist für seine Defense berüchtigt, genau wie Reaves. James ist 40 Jahre alt und galt in den ersten Saisonmonaten (zurecht) als nahezu reiner Offensivspieler. Einen Ringbeschützer von Format beschäftigen die Lakers nicht, nachdem sie den Trade für Mark Williams nach dem Medizincheck selbst platzen ließen.
Was die Lakers dafür aktuell mitbringen, ist Konnektivität - James ist wieder deutlich engagierter, einige Rollenspieler tragen ihren Teil bei, aber auch Spieler wie Reaves "machen mit"; die Lakers sind aktiv, versuchen sich gegenseitig abzusichern und auszuhelfen, immer einen Spieler im Weg zu haben.
Ob sich das alles auch auf die Playoffs übertragen lässt, wo einzelne schwache Verteidiger tendenziell noch gezielter attackiert werden können und es in manchen Matchups schlichtweg hilft, einen echten Big Man zu haben? Unklar. Vielleicht muss das defensive Level der Lakers aber auch gar nicht elitär sein, wenn ihre Offense die möglichen Höhen erreicht.
Die verbleibenden 27 Spiele werden Aufschluss darüber geben, wie gut sie im ersten halben Luka-Jahr schon werden können. Reaves steht dabei ganz besonders im Fokus. Weil er der drittbeste Spieler des Teams ist - und gleichzeitig das beste Asset wäre, der logischste Kandidat, um etwaige Lücken beispielsweise im Frontcourt per Trade zu adressieren.
Spieler mit vergleichbarer offensiver Produktion haben zum Teil (ungerechtfertigte) Supermax-Verträge. Reaves verdient kommende Saison knapp 14 Mio. Dollar - das ist einer der besten Verträge der NBA, um den sich bei Bedarf ein ziemlich reizvolles Trade-Paket schnüren ließe. Die allermeisten Teams könnten einen Offensivspieler wie ihn gut gebrauchen.
Noch lieber würden die Lakers Reaves sicherlich behalten. Stand jetzt befindet sich der 26-Jährige irgendwo an der Schwelle - zwischen essenziell und entbehrlich, zwischen Luxus und Problem, gewissermaßen. Das war anders, als einer der Stars im Team noch ein sensationeller Verteidiger und Play-Finisher war, ein völlig anderer Spielertyp.
Die Gleichung in Los Angeles hat sich jedoch verändert, für alle Beteiligten - aber ganz besonders eben auch für Reaves. Der nun unter Beweis stellen kann und muss, wie schnell er sich auf eine neue Situation umstellen kann. Er hat immerhin eine gewisse Erfahrung damit.
Ole Frerks