07.02.2025, 14:59
Deutscher in interessanter Situation
Dennis Schröder spielt ab jetzt für die Detroit Pistons und wird in ein junges Team mit viel Potenzial geworfen. Während in dieser Saison das Erreichen der Playoffs das Maximalziel ist, könnte der Deutsche vielleicht schon bald um eine Championship mitspielen.
Für Dennis Schröder muss es keine einfache Woche gewesen sein. Am Mittwoch noch hatte er das System der NBA als "moderne Sklaverei" bezeichnet, nur um in den letzten 24 Stunden vor der Deadline am Donnerstagabend gleich dreimal getradet zu werden.
Die Golden State Warriors wollten das gescheiterte Experiment mit dem Deutschen vorzeitig beenden und sich lieber Jimmy Butler ins Boot holen, wodurch Schröder im Gegenzug nach Miami ging. Die wussten aber nichts mit ihm anzufangen und schickten ihn weiter nach Utah, wo die Lage ähnlich war. So landete Schröder kurz vor 21 Uhr in einem Multi-Team-Trade schließlich in Detroit.
Vor der Saison hätte man ihn für seine neue Heimat wahrscheinlich bemitleidet (in den vergangenen fünf Jahren knackte das Team nie die 25-Siege-Marke), mittlerweile hat sich das Blatt in Detroit aber gewendet. Bereits jetzt hat das neuformierte Team von Coach J. B. Bickerstaff die ominöse Marke von 25 Siegen geknackt und ist auf Playoff-Kurs. Um bei dieser Mission weiterhin erfolgreich zu sein, dürfte Schröder eine wichtige Rolle spielen.
Vor der Saison gab es bei den Pistons einen großen Knall. Mit Monty Williams wurde nicht nur der erhoffte Erfolgscoach der Zukunft, sondern auch der bis dato teuerste Coach der Geschichte fristlos entlassen, sodass die Franchise ihm über die kommenden fünf Jahre noch 65 Mio. Dollar schuldet. Für ihn übernahm Bickerstaff und mit Tobias Harris und Malik Beasley kamen zusätzlich zwei Veterane, um Stabilität in die junge Truppe zu bringen.
Harris trifft zwar in dieser Spielzeit so schlecht wie noch nie in seiner Karriere und ist heillos überbezahlt (2 Jahre/52 Mio. Dollar), seine Erfahrung und sein Shooting (an guten Tagen) machen das Team aber grundsätzlich besser. Dazu hat Beasley voll eingeschlagen. Der Guard erzielt 16 Punkte pro Spiel und ist einer der besten Dreierschützen der gesamten Liga (40,8 Prozent bei 9,2 Versuchen).
Gepaart mit einem Cade Cunningham, der in dieser Saison auf All-NBA-Niveau spielt (25,6 Punkte, 6,3 Rebounds, 9,4 Assists), einer talentierten Double-Double-Maschine in Jalen Duren und einem Defensivmonster in Ausar Thompson müssen die Pistons sich von fast niemandem verstecken.
Umso bitterer wiegt die Verletzung von Youngster Jaden Ivey. Der Guard hat in seinem dritten Jahr in der Liga endlich den nächsten Schritt gemacht, durch die Bank weg Karrierebestwerte aufgelegt und wirkte wie der optimale Backcourt-Partner für Cade. Anfang des neuen Jahres brach es sich in einer unglücklichen Aktion aber das Bein und wird in dieser Saison nicht mehr auflaufen.
Hier kommt dann Schröder ins Spiel. Seit Iveys Ausfall ist Cunningham nahezu der einzige Ballhandler seines Teams und hat die vierthöchste Usage-Rate der Liga (34,3 Prozent). Vor allem wenn er auf der Bank sitzt, fehlen dem Team regelmäßig die Ideen und die Offensive bricht ein (-9,3 Punkte pro 100 Possessions).
Das soll unter Schröders Regentschaft nicht mehr passieren. Die Pistons sind bereits das neunte Team des Braunschweigers, der schon mit gefühlt allen großen Stars in der Liga zusammengespielt hat und als Backup-Point-Guard eigentlich überqualifiziert ist. Dazu liegt die Pick-and-Roll-lastige Spielweise der Pistons Schröder deutlich besser als in Golden State, wo er merklich Probleme hatte, sich in das System einzufinden.
Der Plan ist, dass Schröder als Anführer der ohnehin starken Bank (Platz neun ligaweit) agiert, was Beasley und Simone Fontecchio deutlich mehr offene Räume bieten wird. Auch mit seinem eigenen Scoring wird er dem Team weiterhelfen, das neben Cunningham niemanden hat, der gerne zum Korb zieht. Das wird Cunningham auch im direkten Zusammenspiel mit Schröder zugutekommen. Der 23-Jährige trifft in dieser Saison 38,6 Prozent seiner Catch-and-Shoot-Dreier, bekommt allerdings selten welche serviert.
Auch in der Crunchtime wird Schröder für Bickerstaff dank seiner Erfahrung und seines Skillsets eine spannende Option sein, vor allem, wenn er wieder an seine Zahlen zum Saisonstart anknüpfen kann. Was man durch das unglückliche Warriors-Intermezzo nämlich schnell vergisst: Bei den Nets legte er 18,4 Punkte, 50 Prozent aus dem Feld und fast 40 Prozent von Downtown auf und spielte seinen besten (NBA-)Basketball seit Jahren.
Schröder macht die Pistons natürlich jetzt nicht zu einem Championship-Aspiranten, besser als vor der Trade Deadline sind sie aber allemal. Dafür musste Detroit, was als einziges Team noch Cap Space hatte, nicht mal etwas abgeben, sondern hat noch zwei Zweitrundenpicks und Lindy Waters III obendrauf bekommen, weil es den Wechsel von Butler in die Bay Area möglich gemacht hat. Da Schröders Vertrag nach der Saison ausläuft, ist das Risiko also gleich null.
Detroit muss aber nicht nur ein weiteres kurzes Kapitel in Schröders Trade-Akte sein, sondern könnte für ihn eine langfristige neue Heimat werden. Einem Deal im Bereich von 2 Jahren/20 Mio. Dollar wären die Verantwortlichen gegenüber sicherlich nicht abgeneigt, falls Schröder sich in seiner neuen Rolle beweist.
Nach der Saison könnte es dann auch für Ivey und Duren langfristige Verträge geben, wodurch der junge Kern über Jahre gesichert wäre. Dazu hat Detroit in der Free Agency jede Menge Picks, junge Talente und auslaufende Verträge (Harris 26 Mio., Fontecchio 8,3 Mio.), um für einen der dicken Fische der Liga mitzubieten, der sie umgehend in den Kreis der Ost-Favoriten katapultieren könnte.
Vor allem da Motor City keine beliebte Destination für Free Agents ist, muss das Front Office um GM Trajan Langdon via Trade kreativ werden, wenn sie bald wirklich den nächsten Schritt gehen wollen. Die NBA hat uns in den vergangenen Tagen ja eindrücklich gezeigt, wie schnell sich Situationen verändern und Championship-Fenster öffnen und auch wieder schließen können. Das Fenster in Detroit ist zwar noch nicht offen, aber vieles bewegt sich aktuell in die richtige Richtung.
Stand jetzt sind Championships in Michigan aber noch reines Wunschdenken. In dieser Saison wäre das Best-Case-Szenario für Detroit, Platz vier oder fünf im Osten zu erreichen und es dann in der ersten Playoff-Runde mit Indiana oder Milwaukee zu tun zu bekommen. In einer solchen Serie wären sie nicht zwingend chancenlos, spätestens in den Semifinals gegen die Cleveland Cavaliers, von denen sie in dieser Saison schon zweimal vermöbelt wurden, wäre dann aber Schluss.
Für Schröder, der sein Debüt schon in der Nacht auf Samstag gegen die Philadelphia 76ers geben könnte, und Co. gilt es jetzt also, den Schwung der vergangenen Wochen mitzunehmen, den relativ leichten Restspielplan (Platz sechs ligaweit) auszunutzen und erstmals seit 2018/19 wieder in die Playoffs einzuziehen. Wenn sie es dann noch schaffen, den ersten Playoff-Sieg der Franchise seit 17 (!) Jahren einzutüten, wird die Euphorie in Detroit ein ganz neues Level erreichen und das Fenster vielleicht noch ein Stück weiter aufstoßen.
Gianluca Fraccalvieri